Georg Heck, Wandgemälde

Im Seminarraum 1.812 des Casinos findet sich ein Wandbild, das mit einer Größe von 3,5 x 5,0 Metern nahezu die gesamte Fläche der Rückwand einnimmt. Die Tonigkeit des Raumes entspricht dabei der Tonigkeit des Bildes: alle Wände sind grün gestrichen. In der ländlichen Szenerie scheinen einige Personen, gekleidet in einfarbige antikisierende Gewänder, die Ernte einzubringen, andere musizieren. Vermutlich spielt sich die Szene in den frühen Abendstunden ab. Gelbliche Streifen am Himmel könnten einen Sonnenuntergang andeuten. Wir sehen insgesamt sechs Figuren, die jedoch isoliert voneinander umherstehen. Zwei Frauen tragen je einen Früchte- oder Gemüsekorb, eine weitere Frau spielt auf einer Mauer sitzend auf ihrer Mandoline. Die vierte Frau trägt eine weiße Taube in ihrer linken Hand, während sie zugleich mit ihrer anderen Hand ein Kleinkind an sich drückt, das sich am Gewand der Frau festzuhalten scheint. Just zu Füßen dieser Frau setzt auch das Spruchband an, das folgendes Hölderlin-Zitat aus Menons Klage an Diotima trägt: „Komm! Es war wie ein Traum! Die blutenden Fittiche sind ja schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all!“ Im Hintergrund sind die Kronen zweier Bäume zu erkennen, deren Stämme von einer weißlichen Mauer verdeckt werden.

Heck erhielt 1929 durch die Vermittlung des Ehepaars von Schnitzler den Auftrag für dieses Bild. Lilly von Schnitzler war mit Max Beckmann befreundet und stattete auf Wunsch ihres Mannes, Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied des Konzerns, das IG-Farben Haus mit Kunstwerken aus. 1934 stellte Heck das Wandgemälde fertig – aber schon einige Zeit später wurde es übertüncht, denn der Künstler galt gemäß der NS-Ideologie als „entartet“. Mithin attestierte das Frankfurter Volksblatt auch seinen Werken, „Erzeugnisse geisteskranker oder schwachsinniger Kinder“ zu sein.

 

Im Gebäudekomplex der IG-Farben fand nach Kriegsende das Hauptquartier der amerikanischen Truppen seinen Platz. So ist 1949 das Gemälde wiederentdeckt worden. Sogleich entschloss man sich zur Freilegung, wobei der Umstand eine Rolle gespielt haben mag, dass unter der Übermalung zunächst ein Werk von Max Beckmann vermutet wurde. Schließlich sammelte Lilly von Schnitzler dessen Bilder. Als dieser Irrtum bemerkt wurde, nahmen die Amerikaner Kontakt zu Heck auf, der noch in Frankfurt Nied wohnte, und planten mit ihm die Restaurierung seines Werkes. Mutmaßlich waren die Befunde von Gemäldeuntersuchungen aber so entmutigend, dass von der Freilegung abgesehen wurde. Die Farbe war mit einem auch heute noch nur schwer zu lösenden Bindemittel auf das Wandbild aufgetragen worden. Mit dem Skalpell mussten die aufgetragenen Farbschichten abgetragen werden. Erst 2006 war das Gemälde Hecks nach fast einjähriger Arbeit der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Die Wiederherstellungsarbeiten schlugen mit 200.000 Euro zu Buche. Dabei wurde schon im Jahre 2001 vom Vorsitzenden des Kulturkreises Georg Heck, Klaus-Ludwig Schulz, ein Spendenaufruf gestartet. Zusammen mit über 60.000 Euro an privaten Spenden und Mitteln der Deutsche Stiftung Denkmalschutz konnten die Kosten bestritten werden. Gelder sind auch vom Universitätsarchiv gesammelt worden, das letztlich alle Spenden zusammentrug und sodann die fachliche Leitung des Restaurierungsprojekts übernahm.

 

Primär gibt heute nicht das paradiesisch anmutende Motiv dem Werk seine Bedeutung, sondern vielmehr dessen geschichtlicher Kontext. Die Freilegung des Gemäldes hatte paradigmatischen Charakter. Die Nationalsozialisten verbrannten Bilder Hecks aus öffentlichen Sammlungen auf dem Römerberg in Frankfurt. Später ist zudem eine Vielzahl von Hecks Werken während einer Bombardierung Frankfurts ebenfalls in Flammen aufgegangen. Mit der Wiederherstellung des Wandbildes im Casino des IG-Farben Gebäudes ist sonach nicht nur ein für Jahrzehnte verlorenes Werk Hecks gerettet worden. In Anbetracht der Geschichte des IG-Farben-Gebäudekomplexes trotzte die Rettung von Hecks Werk der nationalsozialistischen Geistfeindlichkeit, indem ihrer zerstörerischen Willkür das Werk Hecks – nach über 60 Jahren – wieder abgerungen worden ist.

Ein unauffälliges Detail deutet aber darauf hin, dass schon in den 30er Jahren die Bestrebung existierte, Hecks Werk zu schützen. In der rechten unteren Bildecke ist die Signatur zu lesen: „Heck 36“. Womöglich wurde auf diese Weise versucht, mit einer Datierung nach der „Machtergreifung“ Hitlers, dem Gemälde Legitimation zu verschaffen – ohne Erfolg.

Georg Heck wurde 1897 in Frankfurt geboren, wo er 1987 auch verstarb. Nach seinem Dienst im Ersten Weltkrieg lernte er ab 1923 in der Städelschule. Im zweiten Weltkrieg wurde Heck erneut eingesetzt, nicht nur als Luftschutzhelfer sondern 1945 auch als Soldat an der ungarischen Front. Seit 1946 lebte Heck in Frankfurt Nied, wo er als freischaffender Künstler tätig war.

Ferdinand Sander