Kommentierte Edition der Briefwechsel Rudolf Bultmanns mit Götz Harbsmeier und Ernst Wolf

Prof. Dr. Werner Zager

Kommentierte Edition der Briefwechsel Rudolf Bultmanns mit Götz Harbsmeier und Ernst Wolf

Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt (Laufzeit: 01.09.2011 bis 31.08.2013)

Da die beiden Korrespondenzen Bultmanns mit Harbsmeier und Wolf sich nicht nur inhaltlich vielfach berühren, sondern auch aufeinander Bezug nehmen, legt sich eine gemeinsame Edition nahe.

Briefwechsel Bultmann – Harbsmeier

Der zwischen Rudolf Bultmann und seinem Schüler Götz Harbsmeier geführte Briefwechsel erstreckt sich über den Zeitraum von 1933 bis 1976. Erhalten sind 31 Karten und 45 Briefe Bultmanns, eine Karte und 47 Briefe Harbsmeiers sowie 17 Briefbeilagen, die sich im Nachlass Rudolf Bultmann in der Universitätsbibliothek Tübingen bzw. im Familienarchiv Harbsmeier in Løgumkloster/Dänemark befinden. Damit ist der Bestand vollständig erfasst.

Der Briefwechsel Bultmann – Harbsmeier ermöglicht es, die von Bultmann 1941 ausgelöste Debatte über die Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung differenzierter wahrnehmen zu können, als dies bisher der Fall war. So werden hier neue Einsichten über die innerhalb der evangelischen Pfarrerschaft zur Zeit des Dritten Reichs geführten Kontroversen eröffnet. Zugleich wird deutlich, wie Bultmann sich dazu verhalten und welch große Bedeutung er bereits damals der Entmythologisierung für die kirchliche Predigt nach dem Krieg beigemessen hat. Besonders aufschlussreich für die Entmythologisierungsdebatte sind hier die Briefe von Dritten (Pfarrern, Theologieprofessoren und auch „Nichttheologen“), die von den beiden Briefpartnern gegenseitig ausgetauscht und kommentiert worden sind. Bereits 1944 warnte Harbsmeier vor einer Flucht ins Kultische und plädierte für eine Entmythologisierung des Gottesdienstes, was von Bultmann zustimmend aufgenommen wurde.

Spitzte sich die Entmythologisierungsdebatte nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Frage der Auferstehung Jesu zu, so ist es theologiegeschichtlich von Interesse zu beobachten, wie Harbsmeier in puncto Entmythologisierung und Hermeneutik in den 50er Jahren zwischen Bultmann und Karl Barth zu vermitteln suchte, wenn auch ohne durchschlagenden Erfolg.

Für die neutestamentliche Wissenschaft sind die Erörterungen der beiden Korrespondenten zur Eschatologie des Paulus und zu dessen Agape-Verständnis von forschungsgeschichtlicher Relevanz.

Nach 1945 wurde von Bultmann und Harbsmeier die Schuldfrage (Schuld des Einzelnen, des Volkes, der Kirche) eingehend, zum Teil auch kontrovers erörtert. Dabei lässt sich das Ringen mit der Schuldproblematik exemplarisch nachvollziehen am im Briefwechsel thematisierten Entstehungsprozess von Harbsmeiers Schrift „Die Verantwortlichkeit der Kirche in der Gegenwart“, in den auch Friedrich Gogarten und Ernst Wolf mit einbezogen waren.

Bultmanns Verhältnisbestimmung von Religion und Politik tritt deutlich in seiner theologischen Haltung in der Frage der deutschen Wiederbewaffnung hervor, die in einigen Briefen von 1952 eine besondere Rolle spielt. Theologiegeschichtlich ist schließlich von Interesse zu erfahren, wie sich die Theologie Bultmanns in Dänemark verbreitet hat und welche Rolle Harbsmeier dabei zukam.

Briefwechsel Bultmann – Wolf

Der Briefwechsel zwischen Rudolf Bultmann und Ernst Wolf umspannt die Jahre 1934 bis 1969. Erhalten sind 6 Karten und 24 Briefe Bultmanns, 4 Karten und 29 Briefe Wolfs sowie 9 Briefbeilagen, die sich im Nachlass Rudolf Bultmanns in der Universitätsbibliothek Tübingen und im Nachlass Ernst Wolfs im Bundesarchiv Koblenz befinden. Damit ist der Bestand vollständig erfasst.

Für die Zeit des Kirchenkampfes und der Bekennenden Kirche bietet der Briefwechsel Bultmann – Wolf reiches Material – und zwar im Blick einerseits auf Entstehung und Anliegen der Kirchlich-Theologischen Arbeitsgemeinschaft in den Theologischen Fakultäten und andererseits auf die innerhalb der Bekennenden Kirche erfolgten kontroversen Diskussionen über Bultmanns Entmythologisierungsschrift.

Deutlich lässt der Briefwechsel die restaurativen Tendenzen in Theologie und Kirche nach 1945 hervortreten, gegen die sich beide Korrespondenzpartner wandten. Die Mitwirkung Bultmanns und Wolfs an dem Entnazifizierungsverfahren gegen den Marburger Sozialethiker Georg Wünsch (1887–1964), das zu dessen zeitweiliger Absetzung führte, kann in der geplanten Edition erstmals umfassend dokumentiert werden.

Theologisch hochinteressant ist Bultmanns und Wolfs Positionierung gegenüber dem 1948 im (Deutschen) Bund für Freies Christentum sich formierenden liberalen Protestantismus, wobei sich beide – trotz der Nähe Wolfs zu Barth – einig waren in der Überwindung von Neu-Orthodoxie und Konfessionalismus innerhalb der Bekennenden Kirche.

Wie im Briefwechsel Bultmanns mit Harbsmeier kommt auch in dem mit Wolf das Problem der politischen Aktivität innerhalb der Kirche zur Sprache, jeweils mit sehr differenzierten Stellungnahmen.

Die Edition der Briefwechsel Bultmann – Harbsmeier / Wolf erschien im Februar 2017 im Verlag Mohr Siebeck.