Pieter Verelst, „Die Näherin“

Das mit Öl auf Holz ausgeführte Werk zeigt ein düsteres Interieur, in dem die blonde junge Frau, vielleicht ein Hausmädchen, leicht nach vorn gebeugt auf einem Stuhl sitzt. Sie blickt auf, so als hätte der Betrachter ihre Arbeit unterbrochen. Rechts im Hintergrund ist ein Kamin zu sehen, links vor ihr steht eine geöffnete Truhe auf dem Boden, aus der sie vielleicht die Stoffe genommen hat, die auf ihrem Schoß liegen. In ihrer rechten Hand scheint sie einen metallischen Gegenstand zu halten, vielleicht eine Schere. Links im Hintergrund ist eine geöffnete Tür oder ein geöffneter Schrank zu erkennen. In dieser Partie ist das Bild schlichtweg zu dunkel, als das die eindeutige Bestimmung möglich wäre. Zudem erschwert das stark ausgeprägte Craquelé das Erkennen von Details.

 

Passagen am rechten Bildrand sind so verwaschen ausgearbeitet, dass der Eindruck entsteht, das Gemälde sei an dieser Stelle unfertig. Der Kaminsims hängt förmlich in der Luft, die Seitenteile reichen nicht bis zum Boden. Möglicherweise ist dies mehreren Übermalungen geschuldet. Die Oberfläche des Gemäldes weist rechts ein deutlich schwächer ausgeprägtes Craquelé auf. Dies gilt insbesondere auch für die Figur der jungen Frau. Es ist denkbar, dass die ursprüngliche Malerei so stark nachdunkelte, dass man sich für eine Übermalung entschloss, ohne aber die komplette Bildoberfläche zu erneuern. Dadurch wird die junge Frau besonders hervorgehoben, zumal sie ohnehin hell gekleidet, sich deutlich vom Hintergrund absetzt. Sie trägt einen grünen Rock, eine weißliche Bluse, darüber ein hellblaues Leibchen. Ihr Haar wird von einer weißen Haube geschützt.

Auf welchem Weg das Bild in die Universität gelangt ist, bleibt rätselhaft, da der Erwerb nicht dokumentiert ist. Im beschreibenden Verzeichnis der Gemälde in den Königlichen Museen zu Berlin von 1891 ist die Rede von Pieter Verelsts ‚Nähterin‘. Die dort genannte Signatur, dem aus den Buchstaben pve gebildeten Monogramm, ist auf dem Frankfurter Exemplar allerdings nicht erkennbar. Auch die Bildmaße stimmen nicht exakt überein. Ob es sich um das Berliner Gemälde handelt, muss sonach offen bleiben. Ebenfalls muss in Erwägung gezogen werden, dass es eine nach Verelst angefertigte Kopie ist.

Die Lebensdaten des Pieter Verelst sind nicht gesichert. Vermutlich ist er um 1618 in Dordrecht geboren worden. Er starb wahrscheinlich 1668 oder um 1678 in Hulst. 1638 ist sein Eintritt in die Malergilde zu Dordrecht dokumentiert. 1656 wird er als Mitbegründer der Confrérie Pictura in Den Haag aufgeführt. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit scheint Verelst aber auch als Bierbrauer tätig gewesen zu sein.

Die Werke des Bildnis-, Stilleben- und Genremalers sind zumeist nicht datiert und erschweren so die Einordnung. Die auffälligen Verschiedenheiten in der Signierweise legen ferner den Schluss nahe, dass es sich um zwei verschiedene Persönlichkeiten gleichen oder ähnlichen Namens handelt.

Ferdinand Sander