Aufbruch und Bewahrung: Die deutsche (Neo-)Orthodoxie und ihr Verhältnis zu Staat, Patriotismus und Tradition (1850-1880)

Promotionsprojekt: Valentina Wiedner, M.A.

 

Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die (Neo-)Orthodoxie im Spannungsfeld von inneren und äußeren Veränderungen in Deutschland positionierte, da es im Verlauf des 19. Jahrhunderts im deutschen Judentum zu zahlreichen Umstellungen im religiösen, politischen aber auch privatem Leben kam. Bis zu diesem Zeitpunkt umfasste das Judentum in seiner Definition sowohl „Religion“ als auch „Nation“ und war damit nicht einfach als Konfession definierbar. Die Umstellungen waren durch die allgemein stattfindenden politischen Umbrüche, durch innerjüdische Veränderungen sowie durch neue geistige Ansätze (philosophischer Idealismus, Romantik, historische Kritik) bedingt. Während das Reformjudentum in seiner Anpassung und Akkulturation an die deutsche Kultur ahistorische religiöse und ihrer Meinungen nach überholte Konzepte, wie den Messiasglauben und die damit verbundene Rückkehr nach Zion, häufig aus Gebeten strich und diese für überholt erklärte, musste die (Neo-)Orthodoxie andere meist kompliziertere Wege finden. Denn auch die Anhänger der (Neo-)Orthodoxie, die die jüdische Tradition mit der Moderne verbinden wollten, hatten den Anspruch als vollwertige Bürger des Staates zu agieren und anerkannt zu werden. Dieser Anspruch führte im ausgewählten Zeitrahmen (1850-1880) zu dem Versuch eben jene Konzepte sowie alle Komponenten der Halakha – des jüdischen Religionsgesetzes – in den Alltag zu integrieren und ein Festhalten an eben diesen zu rechtfertigen. So kam es in der (Neo-)Orthodoxie beispielsweise zu internen Problemen bei der Entwicklung eines zeitgemäßen jüdischen Selbstverständnisses aufgrund des Konfliktes zwischen dem staatlichem Anspruch an das Judentum nun nur noch Konfession zu sein und der umfassenden traditionellen Idee von der jüdischen Nation.

In der Dissertation soll aufgezeigt werden, auf welche Weise die neu entstehenden Leitgedanken der Mehrheitsgesellschaft von der religiösen Elite der Strömung aufgegriffen und rezipiert wurden, wie die Argumentation der (Neo-)Orthodoxie aufgebaut war und welches Lebensideal die (neo-)orthodoxe Elite an ihre Gemeindemitglieder vermitteln wollte. Wie schaffte sie es die ahistorischen religiösen Konzepte und Leitgedanken, die sie nicht bereit war aufzugeben, mit dem aufkommenden Patriotismus und deutschen Nationalismus zu verbinden ohne innerhalb ihres eigenen Kreises an Glaubwürdigkeit einzubüßen?

Die Dissertation soll aufgrund von Quellenanalysen explizitere Aussagen zur deutsch-jüdischen Identität der (Neo-)Orthodoxie zwischen 1850-1880 ermöglichen und dadurch die bereits erfolgten Forschungen um einen Themenbereich zur jüdischen (Neo-)Orthodoxie in Deutschland im 19. Jahrhundert erweitern, der bisher zwar durchaus angesprochen, aber noch nicht in einer umfassenden Darstellung wissenschaftlich untersucht worden ist.

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