Exkursion ins Vogtland - Zentrum des Musikinstrumentenbaus

Markneukirchen

Markneukirchen, Ortskern (Foto: Nina Puth

9. Dezember 2007 - 12. Dezember 2007

Im Dezember 2007 haben Studierende der J. W. Goethe-Universität im Rahmen des Seminars Instrumentale Volksmusik und Folklorismus eine Exkursion ins Vogtland durchgeführt. Ein Schwerpunkt des Seminars ergab die Untersuchung von Volksmusikinstrumenten und ihre Bauweise. Das Vogtland ist eine Region, in der Instrumentenbau seit Jahrhunderten Tradition hat. So konnten bei verschiedenen Instrumentenbauern Fragen vor Ort gestellt und kompetent beantwortet werden. Im Verlauf der Reise standen außerdem eine Führung durch die Fachhochschule für Instrumentenbau in Markneukirchen und der Besuch verschiedener Museen an.


Ein Bericht von Ulrike Fröhling, Nina Puth, Tobias Rux und Florian Wagner

Die Zithernmanufaktur Wünsche in Markneukirchen

Am Montag ging es zunächst in die Werkstätten. Eine Gruppe der Teilnehmer besuchte Zithernmanufakturen in Markneukirchen. Am Beispiel der Firma Wünsche wollen wir unsere Eindrücke in Kurzform darlegen. Der Zithernbau begründete sich um 1830 in Österreich. 1850 griff er auf das Vogtland über. Seit dieser Zeit ist die Firma Wünsche, heute die größte der 12 weltweit Zithern bauenden Firmen, an der Produktion dieser Instrumente beteiligt. Der vom Vater und seinen beiden Söhnen geführte Betrieb liefert an eine breite Kundschaft, darunter Lehrer, Schüler, Zithernfans sowie namhafte Größen der Zithernmusik.

Der preisliche Rahmen für eine Griffbrettzither liegt bei 500-3000 €, wobei der Preis von der individuellen Ausgestaltung (Verzierung) der Instrumente abhängig ist. Um die Produktpalette abzurunden, werden außerdem chromatische Hackbretter hergestellt. Seit kurzer Zeit fertigt die Firma auch massive E-Zithern. Einer der beiden Wünsche-Brüder baute im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Fachhochschule für Instrumentenbau in Markneukirchen zum ersten Mal ein solches Instrument. Bei aller Innovation bleibt die Firma Wünsche dennoch ihrem Prinzip treu, einen individuellen Klang beizubehalten.


Die Firma Guriema in Markneukirchen

Durch die Werkstatt für Zupfinstrumentenbau Guriema führte uns Tobias Kaul. Zusammen mit seinem Kollegen Dieter Egerland fertigt er 35 verschiedene Instrumente und nach Absprache auch die verschiedensten Sondermodelle an. Das Sortiment umfasst Neapolitanische, Portugiesische und Deutsche Mandolinen, Renaissance- und Flachlauten, Thüringer Waldzithern, Balalaikas sowie Dreh-, Renaissance- und Bauernleiern. Die Neapolitanische Mandoline ist das meistverlangte Instrument. Restaurierungen alter oder Reparaturen beschädigter Zupfinstrumente stellen ein weiteres Aufgabenfeld dar. In der Firma wird auch Zubehör, wie Instrumentenetuis und -taschen, Blasinstrumentenwischer oder Schulterkissen für Violinen, gefertigt.


Werkstatt der Firma Guriema
Werkstatt der Firma Guriema (Foto: Florian Wagner)

Arbeiten, die große Geräte erfordern, wie das Zuschneiden der Bretter oder das Fräsen an großen Teilen werden bei anderen Firmen in Markneukirchen erledigt. Die Werkstatt kommt, mit Ausnahme einer kleinen Fräsmaschine, weitgehend ohne technische Gerätschaften aus. Es erfolgt alles in Handarbeit. Im Allgemeinen finden Holzarten wie Palisander, Bergahorn, Zeder und Fichte Verwendung. Sonderwünsche, wie beispielsweise eine Mandoline ganz aus Palisander, werden erfüllt, allerdings nur, wenn sie technisch und klanglich umsetzbar sind. Die Preise der jeweiligen Instrumente variieren je nach Art und Alter des Holzes und dem Arbeitsaufwand. So kann man sich eine Neapolitanische Mandoline für den Schülersektor schon ab 300 € anfertigen lassen. Konzertmandolinen kosten zwischen 1400 und 1800 €.

Interessante Informationen erhielten wir auch über die Thüringer Waldzither. Dieses Instrument hat in den letzten zehn Jahren sehr viele Anhänger z.B. in der Mittelalterszene gefunden. Das offen gestimmte Volksmusikinstrument ist leicht zu erlernen und gerade zur Begleitung von Liedern ideal. Tobias Kauls persönliches Experiment war es, eine moderne Thüringer Waldzither herzustellen. Wir durften dieses elektrisch verstärkte Instrument mit den E-Gitarren-Mechaniken sowie dem höhenverstellbaren Steg anspielen, was ein ungewohntes Spielerlebnis darstellte.


Werkstatt der Firma Guriema
Werkstatt der Firma Guriema, Spiel auf der elektrischen Waldzither (Foto: Nina Puth)

Da die Firma Guriema über ein so breites Sortiment an Modellen verfügt, selbst im Ausland wie in Österreich oder in den USA einen festen Kundenstamm besitzt und offen gegenüber Innovationen und Besonderheiten ist, besteht praktisch keine Konkurrenz zu anderen Firmen.


Die Schaumanufaktur für Akkordeons und Harmonikas in Klingenthal

Eine Betriebsangehörige führte uns zunächst durch die Ausstellungsräume der Manufaktur. Die Ausstellung beherbergt Piano- und Knopfakkordeons, Handharmonikas in chromatischer und diatonischer Bauweise, Schwyzer Örgeli und Konzertinas. Zum krönenden Abschluss wurde ein selbst spielendes Akkordeon vorgeführt, das mit eigenen Stimmplatten und elektronischer Mechanik ausgestattet ist. Nur der Balg muss manuell bewegt werden. Erstaunlicher Weise scheint dieses Instrument begehrt zu sein. Nicht nur in Europa, auch in Amerika und Kanada ordert man gerne selbst spielende Instrumente. Ohnehin blüht der Export in diese Länder, was auch notwendig ist, da nach der Wende nahezu der gesamte Osthandel wegbrach.

Schließlich ging die Besichtigung in den Fertigungsräumen der Manufaktur weiter. Wie zu erwarten war, wird hier arbeitsteilig gearbeitet. Zunächst erklärte man uns die Herstellung des Gehäuses. Ein Holzkorpus wird je nach Anzahl der Chöre in entsprechender Größe aus Sperrholz gefertigt. Der Balg besteht aus Pappe, die je nach Instrument oder Geschmack des Käufers mit Papier oder Stoff bezogen werden kann. Die Ecken des Balgs werden mit Ziegenleder verstärkt. Das Innenleben des Diskants erscheint im Gegensatz zur Bassseite des Instruments noch sehr überschaubar. Im Diskant geht zu jeder Taste oder zu jedem Knopf ein Stab, der einen Ton erklingen lässt, während im Bass beim Drücken eines Knopfes ein ganzer Akkord erklingt, das heißt, drei Stimmzungen angeblasen werden müssen. Der Bass ist ein für Laien nahezu undurchdringbares Gestängegewirr.


Werkstatt von Peter Richter in Klingenthal
Werkstatt von Peter Richter in Klingenthal (Foto: Kathrin Graf)

Die Akkordeonwerkstatt von Peter Richter in Klingenthal

Die nächste Station unserer Exkursion führte uns zu dem Akkordeonbauer Peter Richter. Gelernt hat er in der von uns besichtigten Schaumanufaktur, die damals noch ein volkseigener Betrieb war. Er fertigt normalerweise keine Gehäuse, sondern hat sich auf Reparaturen und Restaurationen festgelegt. Kundenwünsche sind ihm eine Freude, die er gerne erfüllt und als Herausforderung betrachtet.


Peter Richter in seinem Privatmuseum
Peter Richter in seinem Privatmuseum (Foto: Kathrin Graf)

Er führte uns das Stimmen eines Musette-Registers vor und erklärte, dass die Stimmplatten für den Charakter des Instruments verantwortlich sind. Einen erheblichen Teil unseres Aufenthalts bei Peter Richter nahm seine Instrumentenvorführung ein. Er ist ein Praktiker, der von schnellen Fingern sehr beeindruckt ist. Eine vordergründige Artistik ist durchaus bemerkbar. Allerdings führte er uns auch CDs mit Klassik und Jazz vor. Peter Richter hat eine eigene kleine Akkordeon-Ausstellung. Das Zimmer ist nicht sehr groß und mit mehreren Dutzend Instrumenten gut gefüllt. Wir lernten einen freundlichen, mit Leidenschaft arbeitenden Handwerker bei seiner Arbeit kennen.


Die Hochschule für Instrumentenbau in Markneukirchen

Am Montagabend erhielten wir eine Führung durch die Hochschule für Instrumentenbau in Markneukirchen. Empfangen wurden wir vom Leiter der Hochschule Prof. Andreas Michel und von Prof. Eberhard Meinel, der im Hause Akustik lehrt. Untergebracht ist die Hochschule in einer großzügigen Jugendstilvilla.


Fachhochschule für Musikinstrumentenbau in Markneukirchen
Fachhochschule für Musikinstrumentenbau in Markneukirchen (Foto: Nina Puth)

Jeder Studierende baut pro Semester ein bis zwei Instrumente, wobei er von Handwerksmeistern der Region unterstützt wird. Aufnahmevoraussetzung an der Hochschule ist eine abgeschlossene Lehre als Instrumentenbauer. Schon daran wird der hohe Anspruch des Instituts deutlich. In den Instrumentenbauerwerkstätten haben alle Studierende ihre eigenen Arbeitsplätze, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Wir konnten den Studierenden Fragen zu ihren Werkstücken stellen und erfuhren so beispielsweise etwas über die Schwierigkeit, eine Zarge an einer Konzertgitarre mit Cutaway herzustellen.


Werkstatt in der Fachhochschule für Musikinstrumentenbau
Werkstatt in der Fachhochschule für Musikinstrumentenbau (Foto: Nina Puth)

Das Musikinstrumentenmuseum in Marktneukirchen

Am Dienstag, unserem zweiten Tag, machten wir uns ins Musikinstrumentenmuseum auf. Der Kartenverkauf ist in einem separaten Gebäude untergebracht, dessen einer Teil ehemals ein Komptor war. Von Markneukirchen aus ging eine ungeheuer große Anzahl von Musikinstrumenten ins Ausland. Die Instrumentenmacher verkauften ihre Ware an Kaufleute, die sie ihrerseits weiterverkauften. Reich werden konnte man daher wohl nur als Kaufmann, nicht als Handwerker.

Das Museum ist in einem spätbarocken Bürgerhaus, dem so genannten Paulusschlösschen untergebracht, das im Jahr 1883 gebaut wurde. Die Instrumentensammlung umfasst 3100 Exponate aus sehr vielen Ländern der Welt. Ein Museumsführer erteilte kompetent Auskunft. Der Rundgang begann bei den Geigen und führte zu den Holz- und Blechblasinstrumenten. Ferner gab es Drehleiern, Harfen und Lauten zu bestaunen. Wir sahen mechanische Musikinstrumente, einen riesigen Kontrabass aus der Dresdner Frauenkirche und das größte Akkordeon der Welt, ein Piano-Akkordeon aus dem Jahr 1937 mit einer Höhe von 1,80 m, 128 Tasten und 423 Bassknöpfen. Nachdem wir an alten Tasteninstrumenten und frühen elektrischen Instrumenten vorbeigekommen waren, tat sich die Sammlung außereuropäischer Musikinstrumente auf. Von einfachen Mundbögen bis zu komplexen Doppelrohrblasinstrumenten war alles nur Denkbare zu sehen.


Mundharmonikas in der Heimatstube Zwota
Mundharmonikas in der Heimatstube Zwota (Foto: Kathin Graf)

Die Heimatstube in Zwota

Am Mittwoch besuchten wir die Heimatstube in Zwota, in der historische Zungeninstrumente ausgestellt werden. In Zwota wurden lange Zeit Mundharmonikas hergestellt. 1829 von Wilhelm Klier erfunden, begannen immer mehr Handwerker diese Instrumente zu fertigen, so dass schon 1847 die erste Harmonikafabrik entstand. Sie wurde von den Brüdern Ludwig gegründet und besteht bis heute unter dem Namen Seydel in Klingenthal.

Dutzende von Mundharmonikas aller Größen bis hin zur Bassmundharmonika sind in den Schaukästen des Museums ausgestellt. Die bekannteste Bauart ist die des "Richter-Prinzips": Beim Einzeltonspiel wird immer nur eine der Zungen zum Schwingen gebracht, so dass beim Druckspiel die obere und beim Zugspiel die untere Stimmplatte erklingt. Schließlich durften wir uns bei einem Gang durch das Museum die teilweise in akribischer kunsthandwerklicher Arbeit hergestellten Akkordeons anschauen.

Von Zwota aus führte unser Weg zurück nach Frankfurt.


Die Crew am Bahnhof in Zwota
Die "Crew" am Bahnhof in Zwota (Foto: Florian Wagner)

Die Exkursion wurde unterstützt von der "Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main e.V.", wofür wir uns herzlich bedanken.