Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreisträger 2007

Funktion des Nef-Proteins bei der Entstehung von AIDS

Der Biologe Dr. Michael Schindler wurde 2007 mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis ausgezeichnet. Michael Schindler erhält den Preis für seine „international beachteten Arbeiten zum Nef-Protein und dessen Bedeutung für die Entstehung von Aids“, so die Begründung des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Am Universitätsklinikum Ulm hat der Wissenschaftler gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam eine der Ursachen dafür gefunden, warum das humane Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) im Menschen Aids hervorruft, während nahe verwandte Affenimmundefizienzviren (SIV, englisch: Simian Immunodeficiency Virus) ihre natürlichen Affenwirte nicht krank machen. Im Rahmen seiner Doktorarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Kirchhoff, Universität Ulm, konnte Michael Schindler jetzt zeigen, dass die meisten SI-Viren - im Gegensatz zu HIV-1 - die Aktivierung von infizierten T-Helfer-Zellen blockieren. Diese Eigenschaft ist wahrscheinlich für beide Seiten von Vorteil: Das Virus kann einerseits im Affen lebenslang überdauern (persistieren) und sich vermehren und der infizierte Affe entwickelt andererseits kein Aids.

Aids, eine der schlimmsten Infektionskrankheiten unserer Zeit, ist das Ergebnis der Übertragung von Affenimmundefizienzviren auf den Menschen. HIV-1 M, der Haupterreger von Aids, stammt ursprünglich aus Schimpansen der Art Pan troglodytes und wurde erst in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf den Menschen übertragen. HIV-1 O, das sich weniger effektiv als HIV-1 M in der menschlichen Population ausgebreitet hat und ebenfalls Aids verursucht, ist eng mit einem aus Gorillas isolierten SIV verwandt. Der natürliche Wirt des zweiten humanen Aids-Virus, HIV-2, ist die Rauchgraue Mangabe (Cercocebus atys). Mittlerweile wurden SIVs in rund vierzig afrikanischen Affenarten nachgewiesen. Obwohl diese Viren als „Immundefizienzviren“ bezeichnet werden, verursachen sie in ihren natürlichen Wirten meist keine Erkrankung. Der wesentliche Unterschied zwischen der asymptomatischen SIV-Infektion und der pathogenen HIV-1 Infektion ist, dass eine HIV-1-Infektion beim Menschen fast immer zu einer chronischen, starken Aktivierung des Immunsystems führt. Dadurch erschöpft sich nach mehreren Jahren dessen Regenerationsfähigkeit und es kommt zur Entwicklung des Krankheitsbildes Aids. Im Gegensatz dazu zeigen die natürlichen Affenwirte keine starke Immunaktivierung und können lebenslang mit dem Virus leben, ohne dass das Immunsystem zerstört wird. Die Ursachen hierfür waren allerdings bisher unklar Ein bestimmtes virales Eiweiß, das Nef-Protein, gilt als wichtiger Virulenzfaktor, der entscheidend zur Entwicklung von Aids beiträgt. So verstärkt das Nef-Protein von HIV-1 die Aktivierung von infizierten T-Helfer-Zellen, während viele SIV Nef-Proteine genau das Gegenteil bewirken. „Um aktiviert werden zu können, benötigen T-Zellen den so genannten T-Zellrezeptor", erläutert Dr. Michael Schindler. „Die Nef-Proteine der meisten SI-Viren entfernen einen wesentlichen Bestandteil dieses Rezeptors, das CD3-Molekül, von der Zelloberfläche und blockieren dadurch die Aktivierung und das vorzeitige Absterben der Virus-infizierten T-Zellen." Der Haupterreger von Aids, HIV-1 und dessen unmittelbare Vorläufer, haben diese Fähigkeit verloren. Die Nef-Proteine der meisten Viren wirken anscheinend wie ein „Ventil“. Sie lassen soviel T-Zellaktivierung zu, dass sich das Virus effektiv vermehren kann und die für den Wirt schädliche „Hyperaktivierung" des Immunsystems gleichzeitig verhindert wird. Diese wichtige Schutzfunktion des Nef-Proteins ging im Laufe der Evolution der Immundefizienzviren genau in der Viruslinie verloren, die später vom Schimpansen auf den Menschen übertragen wurde und zur Aids-Pandemie geführt hat. „Wir hoffen, dass diese Ergebnisse dazu beitragen werden, neue Wege zu finden, die Zerstörung des Immunsystems durch die HIV-1 Infektion und somit die Entwicklung von Aids zu verhindern“, unterstreicht Professor Dr. Thomas Mertens, Ärztlicher Direktor des Instituts für Virologie des Universitätsklinikums Ulm, „doch der Weg dahin ist noch weit.“

Kurzbiographie Michael Schindler

Dr. Michael Schindler studierte Biologie an der Universität Ulm und fertigte seine „mit Auszeichnung“ bewertete Diplom- und Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Frank Kirchhoff, Institut für Virologie des Universitätsklinikums Ulm, an. In beiden Arbeiten beschäftigte er sich mit dem Nef-Protein und seiner Bedeutung für die Entstehung von Aids. Michael Schindler wurde in diesem Jahr bereits mit dem Young-Investigators-Award der Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI 2007) in Los Angeles, USA, ausgezeichnet. Die Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung fördert seine Arbeiten mit einem Graduierten-Stipendium, einer einmaligen finanziellen Unterstützung. Derzeit baut Michael Schindler im Institut für Virologie des Universitätsklinikums Ulm eine eigene Nachwuchsgruppe auf.

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