In den 1770er-Jahren wandte sich Gluck innerhalb des häuslichen Musizierens der Vertonung von Oden und Liedern zu. Hierfür wählte er fast ausschließlich Oden von Friedrich Gottlieb Klopstock aus. Gluck musizierte, wie dies den wenigen erhaltenen zeitgenössischen Dokumenten zu entnehmen ist, solche wohl meist nicht notierten Vertonungen gerne selbst oder ließ seine Stieftochter Nanette den Vokalpart übernehmen. Die Überlieferung von Odenvertonungen Glucks ist unvollständig, d. h. erhalten sind ausschließlich jene, die noch im 18. Jahrhundert gedruckt wurden. Der nun vorliegende Band der Gesamtausgabe veröffentlicht die zehn auf diese Weise erhaltenen Oden und Lieder Glucks. Sieben hiervon sind Ende 1785 bei Artaria in Wien als Sammlung erschienen, drei weitere liegen ausschließlich innerhalb von Almanachen als gedruckte Einzelpublikationen vor. Nur ein einziger vertonter Text stammt nicht von Klopstock, es handelt sich um die Ode „Die Neigung“ von Lorenz Leopold Haschka, die den Abschluss der Artaria-Sammlung bildet. Die Textvorlagen zweier nachweislich von Gluck immer wieder musizierter, aber nicht überlieferter Odenvertonungen sind als Faksimiles nach der 1771 bei Bode in Hamburg erschienenen Sammlung der Oden von Klopstock beigefügt. Die Edition der Oden und Lieder bietet den Notentext einschließlich textkritischer Hinweise sowie die Dokumentation der Überlieferung in zahlreichen Abschriften und Nachdrucken. In dem von Heinrich W. Schwab verfassten ausführlichen Vorwort werden die Liedgeschichte der Zeit vor 1800 und das gattungsspezifische Umfeld mit Bezug auf Glucks Beitrag zum Genre behandelt; der von der Herausgeberin vorgelegte Kritische Bericht zum Band zeigt die Quellenlage umfassend auf.

Im Unterschied zu Glucks Bühnenwerken fehlen für den Bereich der kammermusikalisch besetzten Kompositionen zeitgenössische Nachweise weitgehend. Dies hat zur Folge, dass die Gluck-Forschung ein nur unvollständiges Bild von Anzahl und Gestalt seiner kleiner besetzen Kompositionen rekonstruieren kann, und dies trotz jahrzehntelanger Quellenrecherchen und Studien zum biographischen Umfeld. Im Rahmen der Vorbereitungen zum vorliegenden Band wurde somit auch die Incerta-Frage berührt, teils durch einzelne Zuschreibungen, teils durch den Nachweis entsprechender Stücke in Standardverzeichnissen der Gluck-Forschung. Letzteren folgend sind im Anhang des vorliegenden Bandes vier Vertonungen wiedergegeben, für die die Autorschaft Glucks zwar nicht unumstritten, aber plausibel ist:Es handelt sich um ein Duett („Minona lieblich und hold“) sowie drei Ariettes („Il est une jeune Sophie“,„Le Triomphe de la beauté“und„Amour en ces lieux“).Die Überlieferung der genannten vier Stücke beruht fast ausschließlich auf gedruckten Quellen. In der Vorbemerkung und im Kritischen Bericht des Bandes werden die ermittelten Ergebnisse zum Kontext der Vertonungen mitgeteilt.

Daniela Philippi, Frankfurt am Main