Katalanische Musik und Musiker

Vom Mittelalter bis zur Moderne

Nicht nur auf dem Gebiet der Kunst, sondern auch in der Musik hat Katalo­nien einige weltberühmte Namen vorzuweisen.

Bereits im Mittelalter entwickelt sich, insbesondere in den Klöstern Sant Cugat del Vallès bei Barcelona und Ripoll, am Fuße der Pyrenäen, eine eigen­ständige katalanische Musik. In Ripoll schrieb der Mönch Oliba (gest. 1046 und nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Abt) das musiktheorethische Traktat Breviarum de musica, und aus Ripoll stammt auch eine bekannte Fassung des Cant de la Sibil.la, eines Gesangs, der vom Unter­gang der Erde kündet. Dieser apokalyptische Gesang, dessen Melodie wahr­scheinlich aus der mozarabischen Kultur kommt, wurde seit dem 13. Jahr­hundert zur Weihnachtszeit aufgeführt, um die Menschen in der Zeit der Freude an das Jüngste Gericht zu erinnern, und noch heute wird er, besonders auf Mallorca, in der Weihnachtsnacht gesungen. Die heutige Bedrohung durch ökologische und atomare Katastrophen hat dem Gesang eine ganz neue Aktualität verliehen.

Eine ähnliche Kontinuität weist das Misteri d'Elx, ein Singspiel mit katalani­schem Text über die Himmelfahrt Maria, aus dem südlichen Land València auf: seit dem 15. Jahrhundert wird es bis zum heutigen Tag (das ist in Europa einmalig) an jedem 14. und 15. August in Elx in der eigens dafür erbauten Kirche aufgeführt — ein beeindruckendes Erlebnis.

Im späteren Mittelalter nahm das Kloster Montserrat, das bis heute eine be­deutende Rolle für die katalanische Musik spielt, eine herausragende Stellung ein. Hier entstand das berühmte Llibre vermell (rotes Buch) de Montserrat, ein Kodex, der neben mehreren lateinischen und zwei katalanischen Gesängen die einzige in Europa erhaltene choreographische Niederschrift von Sakraltänzen aufweist. Des weiteren wurde hier das Collegium musicum gegründet., ein Knabenchor, der bis heute als Escolania de Montserrat weitergeführt wird und internationalen Ruhm genießt. Durch die Jahrhunderte hindurch brachte die Schule von Montserrat bedeutende Musiker hervor; als Komponisten sind hier im 17. Jahrhundert der Mönch Joan Cererols (1618 - 1680) und im 18. Jahrhundert Narcís Casanoves (1747 - 1799) zu nennen. Auch Antoni Soler (1729 - 1783) aus Olot (unweit der Pyrenäen), der Kapellmeister in Lleida und später im Escorial wurde, erhielt in Montserrat seine Ausbildung. Er war ein ungewöhnlich fruchtbarer Komponist: an die 300 Kompositionen für Chor und Musikbegleitung und über 100 Cembalo-Sonaten sowie Kammermusik und auch musiktheoretische Schriften stammen aus seiner Feder.

Auf dem Gebiet der Orgelkompositionen war der Valencianer Joan Baptista Cabanilles (1644 - 1712) der bedeutendste Komponist jener Zeit. Außergewöhnlich ist seine komplexe Kontrapunktik und die gewagte Verwendung von Dissonanzen. Ein anderer Valencianer, Vicent Martín i Soler (1754 - 1806), war ab 1780 als Opernkomponist am Hof von Neapel und ab 1785 am Hof in Wien tätig. Große Erfolge unter seinen zahlreichen Opern hatte Una cosa rara, ossia belleza ed onestà (Eine seltene Sache oder: Schönheit und Ehrbarkeit, 1786). Eines der Themen dieser Oper verarbeitete Mozart in Don Giovanni. 1788 ging Martín nach Petersburg, wo er (abgesehen von einem Zwischenaufenthalt in London) bis zu seinem Tode blieb.

Im 18. Jahrhundert führte Manuel Garcia, genannt El Pare Basili, die Gitarre in den Kreis der Aristokratie ein. Sein berühmtester Schüler war Josep Ferran Sors (Barcelona 1778 - Paris 1839), oft als Ferran (oder »Fernando«) Sor zitiert, der ebenfalls in Montserrat ausgebildet wurde. Seinen großen Durchbruch als Gitarrist und Komponist hatte Sors in London; in Paris veröffentlichte er 1830 sein berühmtes Buch Méthode pour la guitarre. Sors galt zu seiner Zeit als bester Gitarrist der Welt und auch heute noch wird er, als hervorrangender Vertreter der katalanischen Romantik in der Musik, insbesondere für seine Gitarrenkompositionen hochgeschätzt.

Ein anderer wichtiger Komponist für Gitarre war Francesc Tàrrega (1852 - 1909), der aus dem Land València nach Barcelona kam. Auch seine Kompositionen gehören noch heute zum internationalen Repertoire für Gitarre.

Die bekanntesten katalanischen Komponisten für Klavier sind Isaac Albéniz (1860 - 1909) und Enric Granados (1867 - 1916), beides Schüler des großartigen katalanischen Musikpädagogen Felip Pedrell (1841 - 1922). Albéniz, der aus Camprodon am Fuß der Pyrenäen stammte und in Barcelona aufwuchs, reiste schon mit acht Jahren als pianistisches Wunderkind durch viele katalanische Städte. Granados, aus Lleida, im Landesinneren, gründete 1899 in Barcelona die Klassische Konzertgesellschaft und 1901 die Acadèmia Granados, in der er seine außergewöhnliche pianistische Technik vermittelte (bis heute werden hier Pianisten ausgebildet). Granados’  Kompositionen sind vom Spät-Romantizismus geprägt: obwohl er nur wenige Jahre früher geboren wurde als Schönberg oder Bartók, ist er noch ganz dem Jugendstil und der Wagnerbegeisterung verschrieben.

Anders verhielt es sich mit seinem Schüler Robert Gerhard (1895 - 1970), ein Katalane Schweizer Abstammung, der heute als der bedeutendste moderne Komponist Kataloniens gilt. 1923 - 1925 war Gerhard Assistent bei Arnold Schönberg in Berlin und komponierte als erster auf der Iberischen Halbinsel Zwölftonmusik. 1931 wurde er als Professor an die Escola Normal der Generalitat berufen und arbeitete in der Musikabteilung der Biblioteca de Catalunya. Auf seine Anregung kam Schönberg 1931 - 32 nach Barcelona, wo dieser auch den 3. Teil von Moses und Aaron schrieb; Schönbergs in dieser Zeit geborene Tochter, die später Luigi Nono heiratete, bekam einen typisch katalanischen Namen: Núria. Zur selben Zeit wie Schönberg waren übrigens auch Anton von Webern und Alban Berg in Barcelona. 1939 ging Robert Gerhard ins Exil nach Cambridge, wo er bis zu seinem Tod blieb, und arbeitete in der Abteilung für Musik im King’s College. Sein reiches kompositorisches Werk geht von Kammermusik und Symphonien über Oper und Balettmusik bis zur Bearbeitung katalanischer Volkslieder.

Die anderen drei herausragenden katalanischen Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind Frederic Mompou (1893 - 1987), der hervorragende Lieder und Klavierstücke komponierte, Eduard Toldrà (1895 - 1962), Geiger, Dirigent und Komponist von Kammermusik, Liedern und einer Oper, sowie Manuel Blancafort (1897 - 1987), Komponist von Klavierwerken, Symphonien und Liedern.

Wesentliche Beiträge zu den verschiedensten Strömungen moderner katalanischer Musik leisten auch Joaquim Homs (1906), Xavier Montsalvatge (1912), Joan Comellas, Manuel Valls (1920 - 1984), Josep Casanovas, Josep Cercós, Jaume Padrós, Josep M. Mestres Quadreny, Joan Guinjoan, Xavier Benguerel, Narcís Bonet, Salvador Pueyo, Josep Soler usw.

Der berühmteste katalanische Musiker ist ohne Zweifel der in Vendrell bei Tarragona geborene Pau Casals (1876 - 1973, span. »Pablo«; Pau im Katalanischen kann sowohl »Paul« heißen wie auch »Frieden«). Seine große Solistenkarriere begann 1899 mit einem durchschlagenden Konzerterfolg in Paris. In Katalonien wirkte Casals als Cello-Lehrer – man kann sagen, daß er der eigentliche Schöpfer der modernen Cello-Technik ist – und spielte in einem Trio zusammen mit Thibaud und Cortot. Von entscheidendem Ein­fluß auf das musikalische Leben Kataloniens der zwanziger und dreißiger Jah­re war die Gründung der Orquesta Pau Casals und der Arbeiter-Konzertgesellschaft. In den vierziger Jahren wurde Pau Casals, dessen moralische Haltung nicht nur in Katalonien den Protest gegen die Franco-Diktatur symbolisierte, zum Mythos. Er brach seine internationale Konzertkarriere ab und ging in den freien, in Frankreich gelegenen Teil Kataloniens ins Exil. 1950 - 1966 trat er nur noch bei seinen Musikfestivals in Nordkatalonien in Prada de Conflent (frz. »Prades«) auf. 1960 komponierte Casals seine Friedens­botschaft an die Welt: das Oratorium El Pessebre (Die Krippe) mit einem Text des katalanischen Schriftstellers Joan Alavedra. 1971 schrieb er die Friedenshymne für die Vereinten Nationen.

In der Tradition Casals’ gibt es eine Reihe katalanischer Cellisten; zu den bedeutendsten gehören Gaspar Cassadó (1897 - 1966), der ab 1958 als Profes­sor in Köln tätig war, und Lluís Claret, der auch oft in Deutschland konzer­tiert. Auch auf anderen Gebieten hat Katalonien international bekannte Soli­sten hervorgebracht: Montserrat Caballé (1933) und Victòria dels Àngels (1923) zählen zu den besten Sopransängerinnen der Welt, Josep Carreras (1946) zu den großen Tenören. Alícia de Larrocha (1923) und Rosa Sabater (1929 - 1983) – letztere wirkte als Professorin für Klavier an der Musikhochschule Freiburg –  wurden als überragende Pianistinnen bekannt. Unter den Geigern treten Gonçal Comellas (1945) und Gerard Claret hervor, als Gambist und Spezialist für alte Musik Jordi Savall, der in Basel lehrt. International bekannt geworden sind außerdem die Organistin Montserrat Torrent (1926), die Gitarristen Gracià (1892 - 1973) und Renata Tarragó (1927), der Dirigent Antoni Ros-Marbà (1937) und der Pianist und Spezialist für Musikaktionen und -happenings, Carlos Santos (1940).

Einen großen Platz im katalanischen Musikleben nahmen seit jeher, und besonders im letzten Jahrhundert, die Chöre ein. Josep Anselm Clavé (1824 - 1874), Sozialpolitiker und Musiker, war es, der breite Schichten und beson­ders Arbeiter für die Chormusik begeisterte. Bald entstanden überall in den Katalanischen Ländern Gesangsvereine (bis 1861 gab es schon 85) und auch Orchester. Clavé schrieb und arrangierte selbst Texte und Melodien des neu­en katalanischen Liedrepertoires; seine vielleicht schönste Komposition ist die Serenade Goigs i planys (Lob- und Klagelieder). Als Clavé 1862 den Marsch aus dem Tannhäuser aufführte, bedeutete das den Anfang der katalanischen Begeisterung für Wagners Musik, eine Begeisterung, die im Laufe der folgen­den Jahrzehnte stetig zunahm und auch heute noch deutlich zu spüren ist. 1901 wurde die Associació Wagneriana gegründet, und bald erschienen alle Wagnerpartituren in zweisprachiger, deutsch-katalanischer Ausgabe. Ein Hö­hepunkt des katalanischen Wagnerismus ist die Aufführung des Parsifal 1913 in Barcelona, die erste legale Aufführung außerhalb Bayreuths. Die Katalanen hatten die 30jährige Sperrfrist abgewartet –  und keine Minute länger: am Sylvesterabend öffnete sich im Liceu der Vorhang zum Parsifal.

Von der immensen Bedeutung der Musik im Leben der Katalanen zeugen vor allem zwei Gebäude: das (eben erwähnte) Gran Teatre del Liceu und der Palau de la Música Catalana. Das Liceu wurde 1847, direkt an der Rambla, der Flanierstraße Barcelonas, erbaut: mit 3500 Plätzen war es das größte Opernhaus seiner Zeit und auch heute noch gehört es zu den größten und bedeutendsten der Welt. Der Palau de la Música Catalana, in der Tat ein »Palast« der Musik, wurde 1905 - 1908 von dem Architekten Domènech i Montaner erbaut und bekam 1908 den Preis der Stadt Barcelona für das schönste neuerstellte Gebäude. Noch heute wird man schwerlich ei­nen schöneren Konzertsaal in der Welt finden. Alle Gattungen und Objekte des Jugendstilhandwerks haben zur Außen- und Innen-Dekoration beigetragen: Kacheln, Reliefs, Keramik, Mosaik, Glasfenster, Email, Plastiken, Male­reien, Leuchter, Balustraden, Gipsbüsten (von Beethoven und Clavé auf der Bühne), Ziegelornamente, Marmor usw.; bis ins kleinste Detail ist hier der Jugendstil verwirklicht. Der Palau ist Eigentum des (1891 von Lluís Millet gegründeten) Orfeó Català, dem katalanischen Gesangs- und Musikverein par excellence (mit Musikbibliothek und Archiven).

 

Das Neue Katalanische Lied: die Nova Cançó Catalana

Neben der klassischen und modernen Musik hat Katalonien ein besonderes Phänomen zu bieten: die Nova Cançó Catalana, eine Liedbewegung, die Ende der 50er Jahre entstand, in enger Verbindung mit dem Befreiungskampf der Katalanen gegen die franquistische Repression. Durch Lieder gelang es, die von Franco verbotene katalanische Sprache erstmals wieder einer breiten Öf­fentlichkeit zugänglich zu machen. Als ab 1959 eine Reihe jüngerer Katalanen begann, neue katalanische Lieder im Stile französischer Chansons zu kompo­nieren und in kleinen Konzerten öffentlich vorzutragen, ahnte noch niemand, wie schnell sich das katalanische Lied durchsetzen würde. 1962 schlossen sich die ersten Sänger und Musiker zur Gruppe Els setze jutges (Die 16 Richter) zu­sammen, 1963 wurde die erste katalanische Plattenfirma gegründet, 1964 fanden bereits 118 Konzerte (z. T. mit mehr als 4000 Zuschauern) statt, und 1965 trat man bereits im Ausland auf. Bis 1968 erschienen 350 katalanische Schallplatten, von denen einzelne in 100.000 Exemplaren verkauft wurden. Die Texte der Lieder, anfangs harmlos und unverfänglich, wurden jetzt direkter, schärfer in ihrer politischen Aussage: die Nova Cançó entwickelte sich mehr und mehr zum antifranquistischen Protestsong; Konzerte wurden zu Manifestationen gegen die Diktatur.

Die großen Sänger der ersten Jahre waren Raimon (geb. 1940) aus Xàtiva südlich València und Joan Manuel Serrat (1943) aus Barcelona; auch Francesc (oder: Quico) Pi de la Serra war von Anfang an dabei. Später traten Maria del Mar Bonet (1947) aus Mallorca und Lluís Llach (1948) aus dem Empordà an der nördlichen Costa Brava hinzu, die heute die beiden bedeutendsten katala­nischen Sänger sind. Eine Fülle weiterer Sänger, darunter besonders Marina Rossell, Ovidi Montllor, Pere Tàpias und die Gruppe La Trinca, geben einen Ein­druck von der großen Bandbreite des Neuen Katalanischen Liedes. Meist handelt es sich um Liedermacher im eigentlichen Sinn: Melodien und Texte schreiben sie selbst. Ein besonderes Anliegen vieler Sänger war aber auch, ka­talanische Literatur (Gedichte) durch Vertonung bekannt zu machen: viele katalanische Dichter der Vergangenheit und der Gegenwart bekamen so erst­malig ein Massenpublikum. Bis zum Tod Francos hatte die Nova Cançó immer wieder mit der spanischen Zensur zu kämpfen, die durch Konzertverbote und Geldstrafen oder gar Verhaftungen einzelner Sänger der Lage wieder Herr zu werden suchte – vergeblich: die große Bewegung der Nova Cançó hatte eine Bresche geschlagen, die nicht mehr zu schließen war. Die katalani­sche Sprache und die katalanische Kultur standen wieder im Licht der Öffent­lichkeit. Heute zeigt die Nova Cançó ein Qualitätsniveau, das z. B. dem heu­tigen modernen deutschen Lied deutlich überlegen ist. Wenn Sie die Gele­genheit haben, besuchen Sie einmal ein Konzert! (Literaturhinweis: Diguem no - Sagen wir nein! Lieder aus Katalonien, Berlin: Rotbuch, 1979, zweisprachig katalanisch-deutsch.)

 

Die Sardana

Als katalanischer Volkstanz, der bis ins 19. Jahrhundert auf den Norden Kataloniens (Empordà, Selva, Rosselló) begrenzt war, hat sich die Sardana zum katalanischen Tanz par excellence entwickelt. Besonders viel tanzt man sie in Zentral- und Nordkatalonien (auf den Balearen und im Land València sind andere Tänze, wie z. B. Boleros, populärer). Die Sardana wird in beliebig gro­ßen Kreisen getanzt (auch die Bildung einer oder mehrere Kreise innerhalb größerer Kreise ist üblich), wobei man sich seitlich an den Händen faßt. Im Nonnalfall stellen sich Männer und Frauen immer abwechselnd; Paare ord­nen sich so ein, daß links der Mann und rechts die Frau steht. Die Musik der Sardana wird von einem speziellen Orchester, der sogenannten Cobla, ge­spielt; sie besteht aus 11 Musikern. Einer dieser Musiker spielt 2 Instrumente — und zwar gleichzeitig: im Vorspiel einer jeden Sardana bläst er den Flabiol, eine einhändig gespielte Piccoloflöte, und schlägt eine am linken Unterarm befestigte kleine Trommel, das Tamborí. Unter den anderen 10 Musikern sind 4 Holzbläser – zwei spielen Tibles (eine Art Oboe) und zwei Tenores (tiefere Oboen, etwa wie das Englischhorn) –, 5 Blechbläser – zwei spielen Trompetes (Trompeten), zwei Fiscorns (kleine Hörner) und einer den Trombó (Posaune) – sowie l Streicher mit einem Contrabaix (Kontrabass). Pep Ventura aus Figueres legte Mitte des 19. Jahrhunderts diese Orchesterzusammensetzung fest und vereinheitlichte auch, gemeinsam mit dem Tänzer Miquel Parda, die Schrittfolge der Sardana. Ihre zwei Grundschritte, die sehr schnell erlernbar sind, sind der Curt (kurze Schritt) und der Llarg (langer Schritt). Das Raffi­nierte an der Sardana ist das sogenannte Schrittauszählen (Comptar) und Schrittverteilen (Repartir) –  es gibt jeweils zwei Serien kurzer und zwei Serien langer Schritte –, das selbst geübten Tänzern volle Aufmerksamkeit abver­langt. Die Sardana ist ein ausgesprochen demokratischer und nichtsexistischer Tanz: das traditionelle Paarprinzip der vom Mann »geführten« Frau ent­fällt und jeder, gleich welcher Gesellschaftsschicht oder welchen Alters, kann mittanzen. Auch Nichtkatalanen, die den Grundschritt beherrschen, werden gerne in die Sardana »aufgenommen«.

Bedeutend bei der Sardana ist auch die Seite der Komposition. Es gibt kaum einen katalanischen Komponisten, der nicht Sardanes komponiert hätte. Zu den bedeutendsten gehören der bereits erwähnte Pep Ventura, des weiteren Vicenç Bou, Josep Vicenç Xaxu, Josep und Joaquim Serra, Enric Morera, Eduard Toldrà und Juli Garreta. Die bedeutendsten Cobles, also Sardanaorchester sind: La Principal de la Bisbal und die von Barcelona, die Montgrins, die Selvatana, die der Ciutat de Barcelona und der Ciutat de Girona. Die Obra del Ballet Popular (Adresse: Montcada 20, 08003 Barcelona, Tel. 3198058) ist der Dachverband, wo Sie alle weiteren Informationen erhalten können, z. B. den Terminkalender aller Sardanaveranstaltungen. Literaturhinweis: Hans Schmidt, Die Sardana, Tanz der Katalanen, 1985 (Dissertation Univ. Hamburg). Schallplatten mit Sardanes finden Sie bei Columbia, Discophon, Edigsa usw.

 

Katalonien - ein Land der Sommer-Musikfestivals

Der große sommerliche Strom von Touristen nach Katalonien – und beson­ders der hohe Anteil Deutscher –  hat es mit sich gebracht, daß das traditio­nelle Musikinteresse der Katalanen sich in einer beeindruckenden Zahl von Musikfestivals vornehmlich klassischer Musik kristallisiert hat, die – meist in Zusammenarbeit mit der Musikabteilung des Katalanischen Kultusmini­steriums und der örtlichen katalanischen Delegation von Jeunesses Musicales – von einzelnen Städten und Kreisen über ganz Katalonien verstreut veran­staltet werden. Die Einnahmen aus dem Tourismus erlauben, die besten Künstler zu finanzieren und die Qualität vieler Konzerte verschafft dem Be­sucher, mitten im Feriensommer, oft ungeahnte Musikgenüsse, dazu meist in einer Umgebung (romanische Kreuzgänge, blühende Gärten, herrliche Kirchenräume), die zu einem unvergeßlichen Erlebnis beiträgt. Katalonien ist mit Österreich und Deutschland das Land mit dem dichtesten Sommer-Musikfestival-Programm: 60-70 Festivals bieten rund 600 Konzerte! Jeder Musik­freund sollte sich zu Beginn seines Katalonienbesuchs in den Oficines de Turisme (oder beim weiter unten genannten Servei de Música) das Übersichtsprogramm (Aquest estiu: música a Catalunya / This summer: music in Catalonia) besorgen und sich eventuell Konzertkarten reservieren lassen. Die Anfahrt kann man mit einem Besuch der entsprechenden Gegend Kataloniens verbin­den und so ein landschaftlich-architektonisch-musikalisches Gesamterlebnis planen. Auf eine spätnächtliche Rückfahrt muß man sich allerdings gefaßt machen, es sei denn, man schließt eine Übernachtung am Ort an.

Eigens hervorzuheben ist eine Reihe von etwa 30 Orgelkonzerten, die jedes Jahr im Juli und August in den verschiedensten Gegenden Kataloniens statt­finden. Bei freiem Eintritt können Sie Konzerte auf den klangvollsten Orgeln Kataloniens – meist von dem deutschen Orgelbauer Gerhard Grenzing, der in Papiol bei Barcelona lebt, hervorragend restauriert bzw. rekonstruiert – miterleben. Es gibt dazu ein eigenes Büchlein, in dem die Orgeln beschrieben und die Solisten vorgestellt werden: Els orgues de Catalunya; Auskunft beim Servei de Música des katalanischen Kultusministeriums, Rambla Santa Mónica 8; 08002 Barcelona, Tel. 3 18 50 04. Auch eine eigene Broschüre der etwa 30 Cursos de música a Catalunya, die jährlich von Juli bis Oktober stattfinden, können Sie bei der gleichen Adresse erhalten. Diese Musikkurse, ebenfalls oft in schöner Umgebung, bieten sich für alle Interessenrichtungen von Musik­freunden oder Musikstudenten an. Zusammengefaßt finden Sie alle diese Ak­tivitäten in dem jährlich erscheinenden Buch: Música a Catalunya (bei der glei­chen Adresse): ein beeindruckendes Musikpanorama.