Projektleitung/Antragsstellung: Jun. Prof. Dr. Birgit Brandt
Projektmitarbeiterin/Ansprechpartnerin: Gyde Höck (Kontakt: ghoeck@t-online.de)


Kooperative und kollaborative Lernformen haben sich in vielen Studien als förderlich sowohl für soziales Lernen als auch für fachliches Lernen erwiesen. In den Bildungsstandards wird dieses Ineinandergreifen sozialer und fachlicher Aspekte zum Beispiel durch die übergeordneten Kompetenzen „Kommunizieren“ und „Argumentieren“ betont. Auch im Mathematikunterricht der Grundschule ist daher das Lernen auf eigenen Wegen und im eigenen Tempo zu verknüpfen mit Lernen in kommunikativ-kooperativen Arbeitsprozessen. Im Unterrichtsalltag ist jedoch häufig gerade im Mathematikunterricht eine Konzentration auf ein individualisiertes Aufgabenangebot zu beobachten, das den Austausch und die Verständigung über Mathematik im Klassenzimmer erschwert. Da jedoch allein die Methode kooperativer Arbeitsformen noch keine konstruktiven Verständigungsprozesse unter Lernenden garantiert, setzt sich das Projekt Kollektive Problemlösestile in strukturierten kooperativen Lernformen im Mathematikunterricht der Primarstufe“ mit einem gezielten Einsatz verschiedener Arbeitsformen auseinander. In diesem Zusammenhang interessieren insbesondere die Ermöglichungsbedingungen mathematischer Gespräche unter Peers.

  • Wann entstehen im Rahmen strukturierter kooperativer Lernformen intensive mathematische Gespräche unter den Lernenden?
  • Wie gestaltet sich die individuelle Partizipation an kollektiven Problemlösegesprächen?
  • Worin unterscheidet sich ein ko-konstruktiver Problemlöseprozess von individuellen Aufgabenbearbeitungen?

Forschungsdesign

Das Projekt ist als longitudinale Videostudie im unmittelbaren Unterrichtskontext konzipiert. Insgesamt vier Unterrichtsbausteine mit arithmetischem Schwerpunkt sind in Kooperation mit den Mathematiklehrerinnen erarbeitet und im Unterricht zur Umsetzung gekommen. Es wurden verschiedene Kooperationsformen berücksichtigt, die jeweils durch den gezielten Wechsel zwischen den Sozialformen der Einzelarbeit, der Partnerarbeit und der Gruppenarbeit den Gesprächsbedarf unter den Lernenden anregen sollten (vgl. Brandt & Nührenbörger 2009).

Erhebungsplan

In der ersten Hälfte des Projekts (3. Schuljahr) wurde jeweils mit einer individuellen Startphase begonnen, wohingegen in der zweiten Hälfte (4. Schuljahr) direkt mit einer kollektiven Arbeitsform in die Aufgabe eingestiegen wurde.

 

Lernpartnerschaften als Grundlage für erfolgreiche Kooperationsprozesse

Einen besonderen Schwerpunkt bildete im gesamten Projektverlauf die Beibehaltung fester Lernpartnerschaften zwischen jeweils zwei Schülerinnen bzw. Schülern (vgl. Nührenbörger 2009; Edwards 2007), die in der Regel über den gesamten Zeitraum konstant im Rahmen der Bausteine miteinander arbeiteten. Es wurde damit intendiert, durch eine Gewöhnung der beiden Lernpartner/innen den Aushandlungsprozess auf mathematische Momente zu konzentrieren, indem z. B. Grundsätzliches in der Gestaltung des Arbeitsprozesses nicht mehr diskutiert werden muss und die Lernenden Sicherheit in der festen Beziehung entwickeln (vgl. Edwards 2007). Weiter wurden in jedem Baustein auch spezifische Momente eines bewussten Lernens von- und miteinander in die Arbeitsaufträge und die Reflexionsphase eingebaut (vgl. Projekt „Talking and ThinkingTogether“; s.a. Mercer& Hodgkinson 2008).

Kollektive Lernumgebungen bieten im Fach Mathematik für alle Lernende die Möglichkeit, an Entdeckungen teilzuhaben und so zu neuen mathematischen Einsichten zu gelangen – gerade auch für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten. Dies erfordert einerseits den Aufbau eines Lernklimas mit gegenseitiger Verantwortungsübernahme im Unterricht, andererseits aber auch die gezielte Berücksichtigung der Heterogenität in der Gestaltung der Arbeitsaufträge. Ein mögliches Beispiel aus dem Kontext des Forschungsprojektes „Kollektive Problemlösestile“ findet sich hier.

Im Anschluss an den letzten Baustein wurde mit allen Kindern ein Interview zur Reflexion der Unterrichtsbausteine durchgeführt – insbesondere, um sozio-emotionale Aspekte der längerfristigen Lernpartnerschaften zu erfassen. Dabei haben sich alle Kinder positiv über ihre Zusammenarbeit ausgesprochen und würden diese gerne in ihrem Mathematikunterricht fortsetzen.

 

Finanzierung: Das Projekt wurde von Februar 2009 bis Januar 2010 durch das Zentrum für Lehrerbildung und Schul- und Unterrichtsforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main finanziert und läuft aktuell über Mitarbeiterstellen am IDMI der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Fachbereich Informatik und Mathematik).


Literatur

Edwards, J. (2007): The language of friendship: Developing sociomathematical norms in the secondary school classroom. Proceedings of CERME 5 (S. 1190– 1200). Lanarca, Cyprus: ERME.

Mercer, N. & Hodgkinson, S. (2008): Exploring talk in school. London: Sage.

Nührenbörger, M. (2009): Interaktive Konstruktionen mathematischen Wissens - Epistemologische Analysen zum Diskurs von Kindern im jahrgangsgemischten Anfangsunterricht. Journal für Mathematikdidaktik, 30(2), S. 147–172.#

Ausgewählte Publikationen

Brandt, B. und Nührenbörger, M. (2009): Strukturierte Kooperationsformen im Mathematikunterricht der Grundschule. Ein Materialheft. Die Grundschulzeitschrift 222/223. (24’seitige Beilage)

Brandt, B. und Höck, G. (2011): Ko-Konstruktion in mathematischen Problemlöseprozessen - partizipationstheoretische Überlegungen. In: Brandt, B., Vogel, R. und Krummheuer, G. (Hrsg.) (2011): Die Projekte erStMaL und MaKreKi. Mathematikdidaktische Forschung am „Center for Individual Development and Adaptive Education“ (IDeA) (S. 245-284). Münster: Waxmann.

Brandt, B. und G. Höck (2012): Mathematical Joint Construction at Elementary Grade - A Reconstructionof Collaborative Problem Solving in Dyads. Proceedingsof CERME 7. Rzeszów, Polen (09.-13.02.2011).