Environment, Culture and Society of the Southern Urals in the Bronze Age: A Multi-disciplinary Investigation in the Karagaily-Ayat Microregion, Russia

Antragsteller: Prof. Dr. Rüdiger Krause, Prof. Dr. Heinrich Thiemeyer, Dr. Astrid Stobbe, in Kooperation mit Frau Prof. Dr. Ludmila Korykova, Staatliche Akademie der Wissenschaften, Ekaterinburg

Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Russische Stiftung für Geistes- und Sozialwissenschaften (RGNF) seit 2008.

Wissenschaftliche Mitarbeiter: Priv.-Doz. Dr. Jochen Fornasier

Kooperationspartner:

Institut für Pflanzen- und Tierökologie der Russischen Akademie der Wissenschaften, Ekaterinburg
Institut für Mineralogie der Russischen Akademie der Wissenschaften, Miass
Staatliche Universität Tscheljabinsk
Dendrochronologisches Labor des Deutschen Archäologischen Instituts, Berlin
Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin
Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Ekaterinburg
Prof. Dr. h. c. Reinhold Würth, Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe in Künzelsau


Seit dem Jahr 2008 arbeiten russische und deutsche Archäologen sowie Naturwissenschaftler der Akademie der Wissenschaften in Ekaterinburg und der Goethe-Universität in Frankfurt in einem interdisziplinären Projekt zur Erforschung befestigter Siedlungen der bronzezeitlichen Sintašta-Kultur im Trans-Ural (Russische Föderation). Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Russischen Stiftung für Geistes- und Sozialwissenschaften (RGNF) unterstützte Vorhaben verfolgt Fragen zum Wechselverhältnis des Menschen und der ihn umgebenen Landschaft sowie zur gesellschaftlichen Entwicklung eines bemerkenswerten Kulturraums.

 

Lokalisierung

An der Trennlinie zwischen Europa und Asien, dem Ural, ist an seinem südöstlichen Ende ein hügeliges Land vorgelagert, das als Trans-Ural bezeichnet wird. Hier lokalisiert die Forschung im Zentrum des Eurasischen Steppengürtels zwischen den Wasserläufen von Ural und Tobol außergewöhnliche Denkmäler der sog. Sintašta- und Petrovka-Kulturen. Mindestens 21 Siedlungen vergleichbaren Typs aus der Zeit um 2000 v. Chr. erstrecken sich über ein vergleichsweise kleines Gebiet von etwa 250 x 300 km Ausdehnung. Das Untersuchungsgebiet des Forschungsprojektes liegt am Übergang von Steppe zur sog. Waldsteppenzone und umfasst thematisch im Wesentlichen die drei Siedlungen Kamennyj Ambar, Žurumbaj und Konopljanka, die im Abstand von jeweils nur ca. 10 km entlang des kleinen Flüsschens Karagajly-Ajat liegen (Oblast’ Čeljabinsk, Kartalinskij Rajon).

 
 

Forschungsgeschichte

Archäologisch ist das gesamte Gebiet im Trans-Ural durch eine Vielfalt an kulturellen Hinterlassenschaften gekennzeichnet, unter denen die Denkmäler der sog. Sintašta- und Petrovka-Kulturen aus dem Ende des 3. und zu Beginn des 2. Jts. v. Chr. einen besonderen Stellenwert einnehmen: große befestigte Siedlungen mit regelhafter, funktionaler Innengliederung und systematisch angeordneten Häusern, die wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen. Dabei war man sich bei den ersten Felduntersuchungen in der eponymen Siedlung Sintašta in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts des immensen Potentials sowie der Verbreitung dieses Kulturphänomens noch gar nicht bewusst. Erst durch umfangreichere Ausgrabungen in den Siedlungen und Nekropolen von Sintašta und in der Folgezeit auch von Arkaim begann die archäologische Forschung allmählich, den außerordentlichen Wert und die spezifischen Charakteristika dieser Denkmäler wahrzunehmen. Den eigentlichen Durchbruch für die Forschung markierten aber tatsächlich erst die Forschungen Ija M. Bataninas, die vor rund 20 Jahren durch die Auswertung von Luftbildern die beachtliche Anzahl der Siedlungsstrukturen offenbarte.

Seit ihrer spektakulären Entdeckung wurden archäologische Ausgrabungen bislang in sieben Siedlungen durchgeführt, wobei die Anlagen von Sintašta, Arkaim und Ust’e die größte wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich zogen. Diese Ausgrabungen ermöglichen es, grundlegende Aussagen zur spezifischen Siedlungsstruktur der befestigten Siedlungen zu treffen, die gleichsam auch den Ausgangspunkt für das neue deutsch-russische Forschungsprojekt bildeten.

 
   

 

Charakteristika der Siedlungsstrukturen

Die Siedlungen der Sintašta-Kultur offenbaren eine beachtliche Komplexität und lassen sich anhand ihres Grundrisses in drei architektonische Grundtypen (rund, oval, rechteckig) unterteilen. Der durch ein Fortifikationssystem (Holz-Erde-Konstruktion) umschlossene Siedlungsraum beträgt dabei zwischen 6.000 m2 und 35.000 m2. In den Siedlungen waren die Häuser in der Regel entlang der Fortifikationsanlagen errichtet und stießen mit ihren Langseiten häufig direkt an die benachbarten Gebäude sowie mit einer Stirnseite an die Umfassungsmauer. Je nach Größe des Siedlungsareals konnten zudem im Inneren weitere Häuserreihen errichtet werden. Die rechteckigen oder trapezförmigen Häuser korrelieren in ihrer Größe mit den Ausmaßen der jeweiligen Siedlung und können eine Grundfläche zwischen 100 m2 und 250 m2 aufweisen. Von diesen Flächen diente allerdings nur ein kleinerer Teil als eigentlicher Wohnbereich, da sich innerhalb der Gebäude regelhaft ein, in vielen Fällen sogar mehrere Brunnen fanden, neben denen sich zusätzlich Reste von Kuppelöfen mit Spuren von metallurgischen Tätigkeiten zeigten.

Im Umkreis der befestigten Siedlungen liegen häufig zeitgleiche Gräberfelder mit Kurganen. Spektakulär für die Steppe sind Nachweise der frühesten zweirädrigen (Streit)Wagen mit Speichenradtechnologie, die nach Ausweis von Radiocarbondatierungen die ältesten der Welt sind und in den Zeitraum um 2000 v. Chr. datieren. Dazu kommen als Beigaben spezifische Pferdegeschirre mit scheibenförmigen Trensenknebeln, die ihre Verbreitung bis an die untere Donau und in die bronzezeitlichen Schachtgräber von Mykene fanden.

 
   

Ziele des deutsch-russischen Forschungsprojektes

Seit dem Jahr 2008 führen russische und deutsche Wissenschaftler verschiedener Disziplinen gemeinsam Forschungen im Untersuchungsgebiet durch. Dabei spielen die eigentlichen archäologischen Felduntersuchungen und die begleitenden geophysikalischen Prospektionen die zentrale Rolle, da sie gemeinsam neue, für eine Mikroregion erstmals systematisch erfasste Informationen zur tatsächlichen Gestalt und Struktur der einzelnen Siedlungen liefern. Daneben bilden geomorphologische, bodenkundliche sowie vegetationsgeschichtliche und archäobotanische Untersuchungen einen weiteren Forschungsschwerpunkt des Projektes. Ihr Ziel ist ein besseres Verständnis von Landschaft und dem Wirtschaften des Menschen in einer Region, die das Phänomen der befestigten Siedlung erst hervorbringen konnte. Grundsätzlich steht die Frage in dieser Vegetations- und Klimazone im Vordergrund, inwieweit die Vieh- und Herdenwirtschaft durch Ackerbau und den Anbau von Nahrungspflanzen ergänzt wurde. Ebenso geht es um die Rolle der Metallurgie in einem Raum, der seit Jahrhunderten für seinen Erzreichtum berühmt ist. Auf der Basis eines zentralen Datenpools aller Teildisziplinen werden umfassende Grundlagen für die Erforschung von vorgeschichtlichen Gesellschaften der Bronzezeit im Trans-Ural erarbeitet.

 
   

Erste Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse der interdisziplinären Untersuchungen machen deutlich, dass die Errichtung der befestigten Siedlungen der bronzezeitlichen Sintašta-Kultur eine organisierte und planmäßig durchgeführte Gemeinschaftsleistung darstellt. Sie ermöglichen erste Überlegungen bzgl. der Populationsgrößen der Siedlungen, die Raum für ca. 200 und 300 Personen geboten haben dürften. Die Resultate der archäologischen Feldforschungen belegen dabei eine bewusst strukturierte und in dieser Form bislang nicht nachgewiesene Aufteilung in einen Arbeits- und Wohnbereich größerer Hauseinheiten, die unzweifelhaft von einer funktionalen Gliederung des Siedlungsterritoriums zeugen und damit Aufschluss über einen Spezialisierungsgrad innerhalb der Gemeinschaften geben. Zudem lassen sich nun Fragen zur Größe und architektonischen Ausgestaltung der einzelnen Hauseinheiten exemplarisch durch das vollständig freigelegte Haus 5 in Kamennyj Ambar konkretisieren.

Die archäobotanischen Untersuchungen zeigen an, dass im Forschungsgebiet seit dem Boreal eine Steppenvegetation vorherrschte, die sich bis heute nicht entscheidend verändert zu haben scheint. Auch konnte für die Bronzezeit bislang noch keine auffallende anthropogene Beeinflussung der Vegetation festgestellt werden, so dass in dieser Zeit offenbar kein Ackerbau betrieben wurde – ein Schlussfolgerung, die auch durch die bodenkundlichen Untersuchungen bekräftigt wird.  Erst Ergebnisse zur Genese der Metallurgie im Untersuchungsgebiet zeigen an, dass die befestigten Siedlungen und ihr Umland offenbar Zugriff auf unterschiedliche eigene Erzquellen hatten und die Produktion auf der Grundlage eines gemeinsamen Formenschatzes erfolgte. Dies lässt konkretere Rückschlüsse auf kulturelle Verbindungen als auch auf wirtschaftliche Vernetzungen zu.

 
   

Kooperation

Die Gesamtleitung des interdisziplinären Forschungsprojektes obliegt auf deutscher Seite Herrn Prof. Dr. Rüdiger Krause (Universität Frankfurt/Main) und auf russischer Seite Frau Prof. Dr. Ludmila N. Korjakova (Institut für Geschichte und Archäologie, Russische Akademie der Wissenschaften, Ekaterinburg).

Herr Prof. Dr. Heinrich Thiemeyer leitet das Teilprojekt zur Physischen Geographie, Frau Dr. Astrid Stobbe das archäobotanische Teilprojekt (beide Universität Frankfurt/Main)

 

 

Literatur

Krause/Koryakova 2013

R. Krause/L. N. Koryakova (Hrsg.), Multidisciplinary investigations of the Bronze Age settlements in the Southern Transurals (Russia). Frankfurter Archäologische Schriften 23 (Bonn 2013).

Krause u. a. 2013

R. Krause/J. Fornasier/L. Korjakova, Die befestigten Siedlungen der Sintašta-Kultur im Transural. In: Th. Stöllner/Z. Samašev (Hrsg.), Unbekanntes Kasachstan. Archäologie im Herzen Asiens. Katalog der Ausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum vom 26. Januar bis zum 30. Juni 2013 (Bochum 2013) 201–210.

Федорова/Носкевич 2012

Н. В. Федорова/В. В. Носкевич, Реконструкция планировки укрепленных поселений эпохи бронзы на Южном Урале (Ольгино и Коноплянка) по результатам детальной магнитной съемки. Уралький геофизический вестник 2012, 1(19), 25–32.

Krause/Fornasier 2012b

R. Krause/J. Fornasier, Environmental factors of cultural variability – a case study in the Trans-Urals. Вестник Новосибирского государственного университета. Серия: История, филология. Том 11, 2012, 3, 119–129.

Krause/Fornasier 2012a

R. Krause/J. Fornasier, Innovation vor 4000 Jahren in der Eurasischen Steppe. Forschung Frankfurt 1, 2012, 32–36.

Kalis/Stobbe 2012b

A. J. Kalis/A. Stobbe, Archaeopalynological Investigations in the Trans-Urals (Siberia). Вестник Новосибирского государственного университета. Серия: История, филология. Том 11, 2012, 3, 130–136.

Kalis/Stobbe 2012a

A. Stobbe/A. J. Kalis, Archaeobotanical Investigations in the Trans-Urals (Siberia): The Vegetation History. eTopoi, Journal for Ancient Studies, Special Vol. 3, 2012, 297–303.

Корякова 2011

Л. Н. Корякова/Р. Краузе/А. В. Епимахов/С. В. Шарапова/С. Е. Пантелеева/Н. А. Берсенева/Й. Форнасье/Э. Кайзер/И. В. Молчанов/И. В. Чечушков, Археологическое исследование укрепленного поселения Каменный Амбар (Ольгино). Археология, антропология и этнография Северной Евразии 2011, 4, 61–74.

Krause u. a. 2010

R. Krause/L. N. Korjakova/J. Fornasier/S. V. Šarapova/A. V. Epimachov/S. E. Panteleeva/N. A. Berseneva/I. V. Molčanov/A. J. Kalis/A. Stobbe/H. Thiemeyer/R. Wittig/A. König, Befestigte Siedlungen der bronzezeitlichen Sintašta-Kultur im Trans-Ural, Westsibirien (Russische Föderation). Eurasia Antiqua 16, 2010, 97–129.

Krause/Koryakova 2010

R. Krause/L. N. Koryakova, Nomaden oder Bauern als frühe Streitwagenfahrer? Archäologie in Deutschland, 2010, 1, 14–19.

Fornasier/Krause 2010

J. Fornasier/R. Krause, Archäologische Spurensuche in Westsibirien. Frankfurter Wissenschaftler initiieren neues Forschungsprojekt zur Bronzezeit. UniReport 1, 2010, 3 f.

Корякова u. a. 2010

Л. Н. Корякова/Р. Краузе/А. В. Епимахов/С. В. Шарапова/И. Форнасье/С. Е. Пантелеева/Н. А. Берсенева/В. В. Носкевич/В. В. Зайков/И. В. Молчанов/П. А. Косинцев/А. Ю. Росадников, Новейшие исследования поселений эпохи бронзы в долине р. Каргалы-Аят. In: Материалы XVIII Уральского Археологического Совещания (Уфа 2010)145–148.