Die römische villa rustica "Haselburg" bei Hummetroth (Gemeinde Höchst im Odenwald) in ihrem Umland

Michael Müller M.A.

Die römische Villa Rustica „Haselburg“ bei Hummetroth, Gemeinde Höchst (Odenwaldkreis) stellt als wahrscheinlich größte bekannte Villa Rustica in Hessen ein besonderes Bodendenkmal dar: Nur die erste Bauphase ist in der in den römischen Nordwestprovinzen verbreiteten Risalit-Bauweise errichtet. Danach verband eine dreiseitige Porticus das Hauptwohngebäude mit dem Bad und dem sog. "Wirtschaftstrakt". Die gesamte Anlage nimmt mit einer Größe von 183,5 x 185,5 m eine Fläche von 3,4 ha ein und dürfte damit die größte Anlage ihrer Art im römischen Hessen darstellen. Die Verbindung dieser prachtvollen Bauweise mit den Ausmaßen der Anlage und der Wirtschaftsfläche verleiten zu der Annahme, dass sich hier ein führendes Mitglied der provinziellen Oberschicht oder zumindest ein Mitglied des ordo decurionum der civitas (Hauptort Dieburg) niedergelassen hat.

Während die Bedeutung des Bodendenkmales seit längerem bekannt ist, ist die Forschung an dem Objekt nicht gerade glücklich verlaufen. 1979-1985 wurde die Haselburg ausgegraben, da sie im Bereich einer Gastrasse lag. Es kam im Verlauf der Ausgrabungen zu persönlichen Differenzen der maßgeblich beteiligten Wissenschaftler. Dies hat dazu geführt, dass sich bislang kein Fachwissenschaftler an die Publikation eines Objektes gewagt hat, das doch offenkundig ein Desiderat der provinzialrömischen Forschung sein sollte. Die Haselburg ist zwar in den Denkmallisten vorhanden und bekannt, aber kaum zitierfähig publiziert. Nachdem dieser Zustand nunmehr fast zwanzig Jahre anhält, erscheinen die Probleme mit unzureichender Grabungs- und Fund­dokumentation gering im Vergleich mit den Fragen, welche die Wis­sen­schaft an dieses herausragende Bodendenkmal stellt. Trotz umfangreicher Grabungen können wir bis heute nicht sagen, warum sich eines der prachtvollsten Gebäude seiner Art im römischen Hessen gerade auf einem vergleichsweise wenig ertragreichen Boden auf einer Hochfläche im Odenwald befindet. Es muss daher vorrangiges Ziel der Promotion sein, eine zitierfähige wissenschaftliche Gesamtbearbeitung des Objektes zu erbringen.

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Abb. 1: Blick von Osten
über das rekonstruierte
Hauptgebäude der Hasel-
burg im Oktober 1992.
Foto: A. Schäfer


Abb. 2: Plan der Hasel-
burg.
(LfD Hessen, mit freund-
licher Genehmigung)

Die Methoden der archäologischen Feldforschung haben sich in den letzten zwanzig Jahren sehr stark gewandelt. Zu der klassischen Feldgrabung traten neue Möglichkeiten wie Geophysik, Luftbildarchäologie oder Survey-Methoden, die es erlauben würden, das nähere Umland des Bodendenkmals archäologisch zu erfassen. Auch sind wir bislang nur wenig über die Funktion der weiteren zugehörigen Gebäude des Hofes informiert. Darüber hinaus bildet die Wirtschaftsfläche eines so gewaltigen Hofes ein Feld, über das die archäologische Forschung bisher nur wenig weiß.

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Abb. 3: Blick von der öst-
lichen Apsis über das
Hauptgebäude.
Foto: M. Müller


Abb. 4: Grundrissplan des
Hauptgebäudes mit dem Badetrakt unten links.
(LfD Hessen, mit freund-
licher Genehmigung)

Auf einer Hochfläche über den Tälern der Mümling und Gersprenz gelegen, umfasste das von der römischen Villa „Haselburg“ bewirtschaftete Areal mehrere Kilometer, die markante Rodung auf dieser Hochfläche könnte vielleicht einen Zusammenhang mit der Nutzfläche der Haselburg haben. Darüber hinaus befindet sie sich am Übergang vom sogenannten Sandstein- zum Granit-Odenwald an einem der wenigen Kalkvorkommen der Region. Die Haselburg liegt in einem Gebiet, das Vorkommen der verschiedensten Bodenschätze aufweist. Mittelalterlicher und neuzeitlicher Eisenbergbau ist im oberen Kinzigtal nur wenige Kilometer von der Haselburg belegt, im weiteren Umfeld besonders in verschiedenen Zuflüssen der Mümling und im Mümlingtal selbst. In Sichtweite der Haselburg befindet sich südlich des Hofgeländes eine neuzeitliche Ziegelei.

Die oben genannten Aspekte sind wichtiger Teil einer modernen ar­chä­o­logischen Bearbeitung des Objektes, die umgekehrt neue Erkenntnisse über die Haselburg erbringen können. Aus dem Grabungsbefund des sehr imposanten Hauptgebäudes allein wird sich die Funktion der gesamten Anlage kaum erschließen. Umso mehr gilt es, das Gebäude in Bezug zur übrigen Hoffläche und vor allen Dingen dem umgebenden Naturraum zu bringen. Neben der klassischen Feldgrabung und Prospektionen sind dazu besonders naturwissenschaftliche Methoden, speziell Materialanalysen des Fundmaterials, geeignet und stehen gleichzeitig für einen modernen Umgang mit den archäologischen Quellen.

Wie der Name der Fundstätte belegt, war diese durch das Mittelalter und die Neuzeit hindurch sichtbar. Das heute zu besichtigende Monument hat also die Landschaft um die Ortschaften Hummetroth, Hassenroth, Ober-Kinzig, Gum­persberg und Annelsbach nachhaltig geprägt.  Die Kenntnis der antiken Siedlungsstruktur könnte auch Rückschlüsse auf die Funktion einer regional bedeutenden Anlage wie der Haselburg zulassen. In einem ersten Arbeitsschritt werden deshalb Fundstellen kartiert, die bereits erfasst oder publiziert sind. Zeitgleich werden die Funde der bisherigen Grabungen nochmals bearbeitet.

Literatur:

  • F.-R. Herrmann, Die villa rustica „Haselburg“ bei Hummetroth. Archäologische Denkmäler in Hessen 55² (Wiesbaden 2001).
  • Ders./D. Baatz (Hrsg.), Die Römer in Hessen² (Stuttgart 1989), 360-362.

Veröffentlichungen M. Müller:

  • Luxuriöses Landleben in den Provinzen. Die Villa Rustica Haselburg: Historisches Rätsel und Aufgabe für die Wissenschaft. In: UniReport 1/2006.
  • Vorgeschichte und Römerzeit in Höchst und Umgebung. Beiträge zur Geschichte von Höchst im Oden­wald (Höchst i. Odw. 2006) 9 – 20.
  • Denkmal: Villa rustica Haselburg. Römische Lebensart in zugiger Höhe. In: Archäologie in Deutschland 6/2006.

Weitere Informationen und viele Impressionen von der "Haselburg" erhalten Sie auf der Internetseite des Haselburgvereins unter http://www.haselburg.de