Paradiesvorstellungen bei den Wüstenvätern Ägyptens. Semantische und raum-semiotische Untersuchungen zur Inszenierung des Paradieses

Unter dem Begriff „Paradies“ versteht man zuerst den von Gott gepflanzten Garten Eden am Anfang der Schöpfung, irgendwo „gegen Osten“ (Gen. 2,8). Das Wort stammt von dem altiranischen pairidaēza und bedeutet ursprünglich eine Umwallung, runde Umzäunung, oder einen umzäunten Garten.  Für die Juden und Christen wird das Paradies mit dem Ort der irdischen Freude, sogar als Lustgarten (paradisus voluptatis) verstanden, woraus Adam und Eva nach der Erbsünde vertrieben wurden. Im Neuen Testament ist das Paradies eher ein himmlischer Ort, ein Lohn für die Gerechten nach dem Tod (Lk. 23,43, 2Kor 12,4, Apk, 2,7).

Das gleiche Phänomen des scheinend doppelten Paradieses markiert die Glaubensvorstellungen der ersten Christen. Die Wüste Ägyptens war ein Begegnungsort verschiedener Meinungen bezüglich auf das Paradies als Lohn für die Gerechten. Laut Historia Lausiaca und Historia Monachorum in Aegypto, zwei asketischen Schriften vom Anfang des 4. Jhs.,  waren einige Wüstenväter der Meinung, dass sie das Paradies in einer geistigen Art und Weise schon im irdischen Leben erleben können, da die Taufe dies ermöglicht hat. Andere sogar reisten – im Leibe oder außerhalb des Leibes – in das räumlich verschiendenartig definierte Paradies. Einige bauten ihre Klöster als umwallte Gärten inmitten der Wüste. Letztendlich andere dachten, das Paradies sei ein himmlischer Raum, den man durch Gebet und Askese und erst nach dem Tod völlig erhalten kann. Die spät im 6. Jahrhundert versammelten Apophthegmata Patrum stellen den Triumph der asketischen Orthodoxie dar: der paradiesische Raum scheint seitdem mit den  Himmelreich gleich zu sein; trotzdem ist das Vorschmecken der paradiesischen Freude schon im Leben möglich.

Meine Forschung wird eine semantische und raumtheoretische Analyse der asketischen Paradiesvorstellung der ägyptischen Wüstenväter. Trotz der seltenen Erwähnung des Begriffes in der erwähnten Literatur ist die Bedeutung des Paradieses für die Theologie und Lebenspraxis der ersten Generationen der ägyptischen Mönche sehr wichtig. Die Frage dessen Örtlichkeit scheint komplexe Antwort(e) zu bekommen. Das Hauptinteresse meiner Recherche liegt darin, die Inszenierung des paradiesischen Raumes im asketischen Diskurs der drei obergenannten Schriften zu beobachten und möglicherweise zu beschreiben.