Religiöse Praxis bezieht sich auf Handlungsschemata, als deren Grundlage gewöhnlich schriftlich fixierte Texte oder aber der Wissensbestand religiöser Experten unterstellt wird. In der Umsetzung solcher (Prä-)Skripte eröffnen sich jedoch häufig weitere Gestaltungsspielräume: die Performanz weist über das Skript hinaus.
Unterschiedliche Realisierungen der (Prä-)skripte und darin eingebettete Kommunikate verweisen zum einen auf religiöse Haltungen, Traditionslinien und theologische Bezugspunkte, zum anderen aber auch auf die alltägliche Lebenswelt religiöser Akteure, etwa dort, wo bestimmte ästhetische Vorlieben und kulturelle Prägungen aus vermeintlich nicht-religiösen Lebensbereichen für die Formgebung relevant werden. Solche Varianzen können insbesondere im Zuge des Transfers von Praktiken aus einem geographischen und/oder sozio-kulturellen Kontext in einen anderen auftreten. Aber auch in Fällen, in denen die Praxis konstant bleibt, verändern sich nicht selten ihre Erklärungen und Interpretationen im Laufe der Zeit.
Das Panel nimmt die Varianzbreite religiöser Praktiken im Islam, deren performative Ausgestaltung und damit verbundene Reflexions- und Aushandlungsprozesse unter den Gesichtspunkten der Handlungsmacht (agency) der Akteure, der Rahmung (framing), der religiösen Sprache, der ästhetischen Dimension, der Erfahrungsdimension und der Bedeutungszuschreibung in den Blick. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Kritik der (Ritual-)Praxis zu, die zu einer die Praxis legitimierenden Gegenargumentation herausfordert.
Referenten
Max Stille (Heidelberg)
Sermon as Prayer and Prayer as Sermon: duʿāʾ and Bengali waʿẓ maḥfils
Jan Scholz (Heidelberg)
Islamic Sermons in Egypt: Rhetoric and Ritual between the Mosque and New Media
Paula Schrode (Bayreuth)
Sacrifice per Money Transfer: Transformations of an Islamic Tradition
Richard Gauvain (Dubai)
The Devil Is in the Detail: The Significance of Iblis to Salafi Performances of wuḍūʾ
