Panel 1: Kontexte der Normenproduktion - Muslime und islamische Theologie als soziale Konstruktionen

Panelleitung: Bekim Agai, Frankfurt/Ertuğrul Şahin, Frankfurt

Dieses Panel hat zum Ziel, die Auswirkungen der jeweiligen Kontexte auf die Produktion der in muslimischen Gemeinschaften auf verschiedenen Feldern wirksam werdenden Normen genauer zu beleuchten.

Normen sind stets kontextuell bedingt. Muslime sind in soziale Kontexte und vielschichtige Bedeutungszusammenhänge eingebunden und auch islamische Theologie produziert ihr Wissen innerhalb dieser Kontexte. Die Bedingungen der Normenproduktion in muslimisch geprägten Gesellschaften wie auch im Kontext der Minderheitensituation variierten durch Zeit und Raum und unterlagen vielfältigen sozialen Dynamiken.

Am Beispiel Deutschlands sehen wir zeitnah, wie Zuschreibungen muslimische Identitäten beeinflussen und wie auch die Wissensproduktion auf neue Bedürfnisse und Anforderungen antwortet, indem sie z. B. neue Wissensfelder wie die islamische Religionspädagogik oder die islamische Seelsorge hervorbringt. Der gesellschaftliche und religionsrechtliche Kontext Deutschlands führt des Weiteren zu neuen Formen von Vergemeinschaftung unter Muslimen und schafft nebst neuer Bedingungen für die Konstruktion religiöser Autorität auch neue Formen und Geltungsbereiche religiöser Normativität. Der Minderheitenstatus und die Heterogenität der Muslime im heutigen Deutschland ergeben sich somit nicht nur aus den historisch gewachsenen - kulturellen, ethnischen, theologischen, etc. - Unterschieden, sondern werden maßgeblich auch vom gegenwärtigen Kontext mitbestimmt und konstituiert. 

Diese aktuellen Entwicklungen in Deutschland, aber auch im restlichen Europa können dazu anregen, historische Kontexte der Normenproduktion genauer zu hinterfragen und ein kritisches Bewusstsein für die soziale Konstruiertheit des Konzepts „Muslim“ und der Produktion islamischen Wissens zu gewinnen.

Referenten

Kathrin Eith (Halle)
Organisation des Religiösen am Übergang vom Osmanischen Reich zur Türkischen Republik: Ist Staat Religionssache oder Religion Staatssache?

Felix Engelhardt (Münster)
Akademisierung des muslimischen Feldes: Die universitären Theologien

Mahmud El-Wereny (Göttingen)
Wandel der Fatwa am Beispiel von Yūsuf al-Qaraḍāwīs Theorien zum „muslimischen Minderheitenrecht“ (fiqh al-aqallīyāt al-muslima)

Ertuğrul Şahin (Frankfurt)
Normativität und Faktizität: Kontextualität des religiösen Wissens

Markus Wriedt (Frankfurt)
Christliche Wahrheit auf dem Markt religiöser Möglichkeiten: Theologie als diskursive Wissenschaft im interreligiösen Dialog