Hans Sarkowicz

Geboren 1955 in Gelnhausen. Von 1974 bis 1979 studierte er Germanistik und Geschichte an der Goethe-Universität. Seit Ende 1979 arbeitet er beim Hessischen Rundfunk in verschiedenen Positionen, immer mit dem Schwerpunkt Kultur. Er leitet zur Zeit das Ressort Kultur, Bildung und künstlerisches Wort in der Kulturwelle hr2. Daneben ist er Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft des Hessischen Rundfunks (hr media) und Vorstand der Stiftung Zuhören, die zusammen mit Lehrern und Erziehern u.a. rund 2000 Hörclubs an Schulen und Kindergärten eingerichtet hat. Seit 2004 schlägt er mit Lehraufträgen an der Goethe-Universität die Brücke von der Theorie zur Praxis.

Beim Hessischen Rundfunk ist Hans Sarkowicz u. a. Mitinitiator des institutionsübergreifenden Projekts „Literaturland Hessen“, des Literaturkanals im ICE („Kanal 4“), des „Hörkanons“ von Marcel Reich-Ranicki, der hr2-Hörbuch-Bestenliste und des größten Hörspiels der deutschen Radiogeschichte („Otherland“).

Allein oder zusammen mit Kollegen (vor allem mit Heiner Boehncke) hat er eine Reihe von Büchern zu historischen, kulturgeschichtlichen, aktuell-politischen und regionalen Themen verfasst. Er ist Mitherausgeber der Werke von Erich Kästner und Mitautor von Biografien über Heinz Rühmann, Erich Kästner und die Geschwister von Georg Büchner. Zuletzt (2010) erschien mit „Störtebeker und Konsorten“ (wieder zusammen mit Heiner Boehncke) eine Geschichte der Seeräuberei in Nord- und Ostsee.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Ich habe während meines Studiums, vor allem in der älteren Germanistik und der neueren Geschichtswissenschaft, Misstrauen gelernt, nämlich sehr kritisch mit Quellen und gedruckten Büchern umzugehen und überhaupt an nichts zu glauben, sondern immer genau nachzufragen, warum jemand etwas so geschrieben hat, also welche Intentionen er damit verfolgte. Und das gerade bei Texten, die einen sachlichen und objektiven Eindruck machen. Das hilft mir in meinem Beruf als Journalist bis heute.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Das waren die politischen Diskussionen in den Seminaren. Ich bin zwar kein 68er mehr, aber wir hatten damals vor allem bei den Historikern, aber auch in der Germanistik starke kommunistische Gruppierungen. Ich erinnere ich mich gut, auf welch geniale Weise die politisierten Studenten von manchen Professoren in ihre Seminare eingebunden wurden. Sie durften ihre Überzeugungen äußern, mussten sie aber auf die Seminarthemen beziehen und wissenschaftlich unterfüttern. Das führte vor allem in den Seminaren von Prof. Gall über 1848 und 1918 zu spannenden Auseinandersetzungen.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Ich habe gelesen und für den Hessischen Rundfunk erste Rezensionen geschrieben. Die Mitarbeit beim hr hatte sich aus einem Praktikum ergeben und war für mich damals etwas Ungeheuerliches. Stand ich doch mit vollem Namen in der „Hör zu“. Erst mit der Zeit merkte ich, dass das außer mir und der dazu genötigten Verwandtschaft niemand zur Kenntnis nahm. Allerdings verdiente ich damit auch Geld und konnte dann mit meinen KommilitonInnen …

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen außerhalb der Universitäts-Veranstaltungen?
...zum Beispiel ins Café Bauer gehen oder in das kleine Restaurant nebenan, das es noch immer gibt, wie ich neulich bei einem Besuch feststellen konnte. Dort waren die servierten Gerichte in der Menge so, dass sie meine einsneunzig in Bewegung hielten, und außerdem schmackhaft – was ich von der damaligen Mensa nicht immer behaupten kann. Und natürlich gingen wir ins Theater, wo es (auch heute noch, glaube ich) billige Karten für Studenten gab. Und das Mitbestimmungstheater in Frankfurt mit seinem anspruchsvollen Spielplan und großartigen Schauspielern (wie Rosemarie Fendel) sorgte für eindrucksvolle Erlebnisse, die nebenbei die hoffnungslos überfüllten Seminare in der Germanistik vergessen ließen.

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums? Wenn es eine WG war – mit wem lebten Sie zusammen?
Da ich Bafög-Empfänger war, der mit jedem Pfennig rechnen musste, wohnte ich zunächst weiter in meiner Heimatstadt, später dann (den Honoraren des hr sei Dank!) in einer winzig kleinen, möblierten Dachwohnung in der Juliusstrasse.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Dass ich mit einem Lehramtsstudium „Deutsch und Geschichte“, von dem mir alle abgeraten hatten und von dem mich noch während des Studiums einige Professoren mit beschwörenden Worten abbringen wollten, sofort nach dem Examen ein Volontariat beim hr bekam.

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Hochschullehrer sollten über den Rand ihres Fachgebiets hinausblicken können und den Studierenden (vor allem in den Geisteswissenschaften) das Gefühl vermitteln, dass sich mit Gelernten später etwas Sinnvolles anfangen lässt. Sie sollten also etwas Optimismus verbreiten, dabei aber auch Rücksicht auf die Studierenden nehmen, die sich ihr Studium (wie ich einst) erst verdienen müssen.

Was würden Sie heutigen Studierenden raten, um beruflich erfolgreich zu sein?
Wenn man einen Beruf im Blick hat, sollte man sich schon während des Studiums darum kümmern, zum Beispiel Praktika machen oder Jobben. Im Journalismus zum Beispiel ist es definitiv zu spät, sich erst nach dem Studium und ohne praktische Erfahrungen zu bewerben.

Wie sieht für Sie die Universität der Zukunft aus?
Ich glaube, dass die Universität immer das Kraftzentrum wissenschaftlicher Forschung bleiben wird, weil Forschung Freiräume benötigt, die Firmen schon aus ökonomischen Gründen nicht zur Verfügung stellen können. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass sich die Universität stärker zur Berufsorientierung hin öffnet. Denn gerade der Übergang von der akademischen Ausbildung in ein festes oder freies Beschäftigungsverhältnis bereitet vielen Studierenden heute große Probleme.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Ich hätte keinen anderen Beruf gewählt. Ich wollte Journalist werden. Und nach 30 Jahren hat sich daran nichts geändert.

Wie lautet heute ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
Wahlspruch (natürlich von Goethe):
„Es irrt der Mensch, so lang er strebt.“

Arbeitsmotto:
„Wat mutt, dat mutt.“