Dr. Eugene Strauss

(Das Interview mit Herrn Strauss fand im November 2007 statt; am 22. Mai 2008 ist Herr Strauss, nachdem er am 2. April noch seinen 106. Geburtstag feiern konnte, gestorben. Wir werden ihn nicht vergessen.) 

Ein kleines Appartement in Brooklyn/NewYork ist seit vielen Jahren das Zuhause von Dr. Eugene Strauss, dem mit 105 Jahren ältesten Alumnus der Goethe-Universität. Geboren am 2. April 1902 in Offenbach am Main, begann er 1925 sein Studium an der Universität Frankfurt,  erhielt die Doktorwürde am 30. Oktober 1933 und emigrierte im April 1938 mit dem Schiff in die USA. Dort bildete er sich  im Bereich Accounting weiter und war von 1945 bis 1985 als Accountant tätig.
Er bedauert es noch heute, dass er als jüdischer Mitbürger aufgrund des Nationalsozialismus nicht an der Goethe-Universität bleiben konnte,blickt jedoch ohne Groll auf die vergangene Zeit zurück und hat nach dem Krieg regelmäßig Frankfurt besucht.

Welche Bedeutung hat Ihre Studienzeit in Frankfurt für Sie aus heutiger Sicht?
Sie hatte eine große, lebensumgestaltende Bedeutung. Sie hat mir geholfen, Dinge zu sehen, die ich vorher nicht sah. Vor allen Dingen das Lernen zu denken: das man sich wo hinsetzen und über einen Gegenstand nachdenken kann, die Quellen und Bücher aufsucht, in denen man solche Ideen vorfolgen kann. Das war neu für mich und eine wunderbare Aufgabe.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Das ist sehr schwer zu sagen, weil das furchtbare Ereignis am Ende alles überschattet hat. Wir hatten an der Universität keine speziellen Ereignisse, die irgendwie was Besonderes waren. Es war grundsätzlich aber eine gute Zeit, es war die Weimarer Zeit.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
(Nach etwas Überlegen:) Frauen! Das ist die Antwort (Er lacht). Dass war zwar nicht die einzige Betätigung, aber die liebste, wenn Sie schon so fragen. Es ist die Wahrheit. Und dann gab es natürlich ein schönes Leben, denn wir hatten damals schon ein Auto gehabt. Das war eine Attraktion zu jener Zeit, nicht jeder hatte ein Auto.

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen?
Es gab verschiedene Caféhäuser mit Tanzboden. Das war das schönste, so ein Tanzcafé und da habe ich meine Freundin kennengelernt. Außerdem waren wir auch im Café Laumer, wenn wir von der Universität zum Opernplatz gelaufen sind, an der Bockenheimer Landstraße entlang. Mit dem Auto konnte man außerdem überall hinfahren und da hat sich so manches abgespielt in den Autos (grinst schelmisch).

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums in Frankfurt?
Ich wohnte mit meinen Eltern und meiner Schwester gemeinsam in unserem Haus in Offenbach. Der Unterschied zu Frankfurt, wo wir ein Schuhgeschäft hatten, war aber sehr groß. In Offenbach gab es sehr viele ungeschulte Arbeiter, arme Leute. Deren Kinder sind im Sommer barfuß gelaufen; das war allgemein üblich und darüber hat man sich gar keine Gedanken gemacht.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Das war meine eigene Accouting Practice (Buchführungsgesellschaft). Ich hatte keinen anderen Beruf und habe guten Gebrauch gemacht von dem, was ich hier direkt nach meiner Ankunft gelernt habe.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten, wofür hätten Sie sich entschieden?
Ich wäre nach meiner Promotion im Jahr 1933 liebend gerne an der Universität geblieben.

Was würden Sie heutigen Studierenden raten?
Mäßigung. Wenn man jung ist, geht man oft über das hinaus, was nützlich, praktisch und ratsam ist. Wenn man eine gewisse Mäßigung hat, vermeidet man dieses Darüberhinausgehen. Das ist sehr wichtig, man hat sie aber meistens nicht.