Ruth Wagner

Als Vizepräsidentin des Hessischen Landtags entscheidet Ruth Wagner (FDP) heute an vorderster Front mit über die Geschicke unseres Bundeslandes, in dem sie  von 1999 bis 2003 bereits stellvertretende Ministerpräsidentin und Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst war. An der Universität Frankfurt studierte sie von 1960 bis 1966 Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft für das gymnasiale Lehramt.

Welche berufliche Position haben Sie momentan inne?
Ich bin Vizepräsidentin des Hessischen Landtags, Mitglied der Enquetekommission Demographischer Wandel. Ich bin ehrenamtliche Stadtverordnete in Darmstadt und dort Vorsitzende des Ausschusses Kunst und Wissenschaft. Darüber hinaus bin ich Mitglied in zahlreichen Kuratorien und Stiftungsräten kultureller und wissenschaftlicher Vereinigungen.

Was waren die wichtigsten Meilensteine Ihrer beruflichen Karriere?
Die wichtigste Entscheidung für meine berufliche Karriere war der Kampf um eine gymnasiale Schulbildung, der mir mit Hilfe von Lehrern in der 10. Klasse einer Realschule im hessischen Ried gelungen ist.

Wann und was haben Sie an der Universität Frankfurt studiert?
Mein Berufswunsch war immer, Lehrerin zu werden. Ich habe an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität von 1960-1966 Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft für das gymnasiale Lehramt studiert.

Was bedeutet für Sie die Universität Frankfurt?
Die Universität Frankfurt ist für mich eine der großen Bürgerengagements an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie ist keine landesfürstliche, sondern eine zivilgesellschaftliche Gründung, und dieser Geist sollte nach meiner Auffassung wieder stärker belebt werden.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Ich habe aus finanziellen Gründen nur diese eine Universität besuchen können. Sie war zu dieser Zeit für mich einer der wichtigen Orte geistiger Auseinandersetzungen, sowohl in der Germanistik, aber auch der Geschichtswissenschaft, der Politikwissenschaft mit Carlo Schmid und Iring Fetscher und dem neu gegründeten Lehrstuhl für Osteuropa. Außerdem war es für mich eine große Freude philosophische Vorlesungen in dieser Zeit hören zu können, u.a. von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. Der neu gegründete Lehrstuhl für Politik, das Filmstudio, die städtischen Bühnen, die großen Museen boten mir die Entdeckung der kulturellen Welt. In diesen Anfängen der 60er Jahre begann auch die Politisierung der Studierenden in der Frage der Freiheit der Presse (Spiegel-Affäre), der gesamten gesellschaftspolitischen Reformen der Bundesrepublik, aber auch der Veränderung der Strukturen an der Universität.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben?
Besondere Vorlesungen von Otto Vossler, Paul Stöcklein, Bertholt Brecht, Josef Fleckenstein, Carlo Schmid und Iring Fetscher, eine Prüfung durch Th. W. Adorno und Max Horkheimer. Eine Reise nach Weimar 1964 mit Studenten aus Ost und West, von Prof. Suckhoff organisiert. Was war Ihr wichtigster wissenschaftlicher oder akademischer Erfolg? Ich habe diese "geistige Welt" wie ein Schwamm aufgesogen. Das Studium an sich war für mich ein Glück, ein Eintritt in eine neue Welt und auch sozialer Aufstieg.

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Hochschullehrer sollten nie vergessen, dass sie auch Lehrer sind, die in pädagogisch anspruchsvoller Weise die Studierenden soweit als möglich optimal fördern. Studierende sollten ein hohes Interesse nicht nur an der schnellen Verwertbarkeit von Wissen bzw. Fertigkeiten haben, sondern auch die Zeit nutzen, eine umfassende Allgemeinbildung auf hohem Niveau zu erhalten.

Was würden Sie heutigen Studierenden Ihrer Fachrichtung raten, um berufliche Erfolge zu erzielen?
Mein Rat an alle Studierenden ist, möglichst grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, nämlich ein Leben lang die Neugierde und die Freude auf Neues zu erhalten. Die Erarbeitung von Techniken zur Wissensermittlung und Wissensvermittlung, soziale Kompetenz, und Flexibilität für Berufssituationen, Offenheit für andere Kulturen und sprachliche Fähigkeiten gehören dazu.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Ich habe mir den Beruf der Lehrerin erkämpft. Politik als Beruf "ergab" sich. Trotzdem waren politische und historische Bildung und dann eigene Gestaltung von Politik soweit nicht auseinander, so dass meine 30 Jahre hauptamtliche politische Arbeit sehr gut auf die erste berufliche Tätigkeit aufgebaut haben. Ich wäre auch gerne Malerin geworden.

Wie lautet heute ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
Meine Grundeinstellung als Abgeordnete und Ministerin war und ist, dass ich mit meiner Arbeit als Volksvertreter dem Volk zu dienen habe. Was ist Ihre größte hochschul- oder bildungspolitische Hoffnung? Dass Deutschland erkennt, dass Investitionen in Bildung unser "Überleben" sichern.

Wieso ist Alumni-Arbeit wichtig?
Alumni-Arbeit ist Teil des Engagements der Zivilgesellschaft, in dem diejenigen, die sich zu ihrer Schule oder Hochschule bekennen, die Begeisterung des Zusammenwirkens von Lehrenden und Lernen auf die nächste Generation übertragen.