Wandel von Schule

Laufzeit:
2000-2016 

Leitung:
Prof. Dr. Andreas Gruschka 

Mitarbeit:
Dr. Johannes Twardella

Beschreibung:
Die Beliebtheit und Eindringlichkeit, mit der öffentlich der Wandel von Schule diagnostiziert wird, sei es als Fortschritt begrüßt oder als Rückschritt beklagt, als Stagnation oder Stabilität des Systems bewertet, steht in keinem Verhältnis zu den Möglichkeiten der systembetreuende Disziplin, objektivierende Urteile über den Wandel zu treffen. Einzelergebnisse der Schulforschung werden genauso schnell hochgerechnet zu Gesamtaussagen wie Einzelbeobachtungen der Betroffenen. Das Projekt verfolgt das Ziel, auszuloten, inwiefern überhaupt Schule als System in Begriffen des Wandels begriffen werden kann. Damit geht es langfristig um nichts weniger als eine empirisch gehaltvolle Theorie der Schule in der fortgeschrittenen bürgerlichen Gesellschaft.

Ohne eine der Sache entsprechende Objekttheorie und Methodologie erscheint es nicht möglich zu sein, die Aufgabe zu begründen. In Abgrenzung zu der heute weitverbreiteten wissenssoziologisch oder testtheoretisch fundierten Schulforschung soll das Paradigma dialektischer Sozialforschung am Gegenstand erprobt werden. Dieses setzt voraus, dass die Vermittlung von objektiven und subjektiven Momenten (etwa in der Form von Deutungsmustern) studiert wird an den Widersprüchen in der Sache, die sich wiederum aus der Vermittlung von Wesen und Erscheinung sowie Anspruch und Wirklichkeit der Schule ergeben. Schule wird orientiert und fundiert sowohl durch pädagogische Normierungen wie Allgemeinbildung oder Mündigkeit als auch gesteuert durch Mechanismen der Selektion und Qualifikation. Das eine steht nicht allein für das Sollen, das andere für das Sein der Schule, sondern beide haben eine Wirklichkeits- und eine Anspruchsdimension. In der gegenseitigen Vermittlung, so die Grundfigur der Studien, soll das Wesen der Sache erkannt werden.

Erste Studien haben das Ziel, eine möglichst sachhaltige Beschreibung der Dimensionen zu ermöglichen, die in der Schule relevant werden: Erziehung, Bildung und Lehr-/Lernformen, aber auch Schule als politisch, juridisch und kulturell bestimmter Ort. Schließlich geht es um das Verhältnis von Schule als Lebensort zur nicht pädagogischen Lebenswelt der Schüler (Download)

Am Beispiel von exemplarischen Ausdrucksformen der zeitgenössischen Schule in diesen Bereichen und in der Rekonstruktion von vergleichbaren Situationen der Schule vor der Phase der Bildungsreform sollen Lehrer und Schüler über den Wandel befragt werden. Heutigen Lehrern wird die Situation der Schule der 50er Jahre vorgelegt, pensionierten Lehrern der Schulkonflikt der heutigen Schule. An den Reaktionen soll abgelesen werden, wie sich die Deutungen auf das jeweils als anders Unterstellte zur Schule selbst verhalten. Eine entsprechende Befragung soll mit Schülern erfolgen. Auf diese Weise werden Phänomene der Kontinuität und des Wandels in den Deutungsmustern der Betroffenen ausgemessen.


Dieser Spiegelung des Wandels an den Deutungsmustern soll sich ein struktureller Deutungsvorgang anschließen.

Das Material von Situationen und Deutungen wird auf den strukturellen Hypothesenrahmen bezogen, mit dem die soziallogische Bestimmung der Schule in der Tradition des Strukturfunktionalismus (Dreeben) genutzt werden kann. Hat sich der Kern der Leistungen und Aufgaben der Schule für die Gesellschaft geändert? Geht es weiter um die Inkorporierung von "Unabhängigkeit, Leistung, Universalismus und Spezifität" oder haben sich mit der als verändert angesehenen Schule diese Aufgaben gewandelt?

Die retrospektiv gerichteten Studien sollen sodann ergänzt werden durch Studien, die auf die gegenwärtigen "Wandelprogramme" und Prognosen reagieren:
  • Verändert sich die Schule als Ort der Vermittlung qualitativ durch den Einzug der neuen Medien?
  • Verändert sich die Schule durch das "Veralten" der zu vermittelnden Inhalte und die "Entwertung" der von ihr erteilten Berechtigungen?
  • Verändert sich die "verwaltete Schule" (Becker) durch die Gewährung von erweiterter Schulautonomie? Verändert sich das staatliche Handeln gegenüber der Schule durch die neuen Steuerungsmodelle?

Dem das Unternehmen begründenden und erläuternden Text "Wandel von Schule" (Teil I und II) sind weitere Informationen zum Vorhaben zu entnehmen.

Zur Frage der Veränderung von Schule durch neue Steuerungsmodelle und ein Mehr an Teilautonomie existiert ein spezielles Forschungsprojekt (Download), in dessen Rahmen rekonstruiert werden soll, wie sich Schule durch das verordnete Reforminstrument "Schulprogrammarbeit" verändert.