Öffentlicher Vortrag im Sommersemester 2005

Prof . Maria Friedrich (München) zu Gast im Institut:
"Erlebte Verlagslandschaft: Erinnerung an Kinder- und Jugendbuchverlage"

Ort: Institut für Jugendbuchforschung, IG-Farben-Gebäude, Grüneburgplatz 1, Casino, R. 1.802
Freitag, 24.06.2005, 11-13 Uhr


Erlebte Verlagsgeschichte: Kinder- und Jugendbuchverlage

Man merkt sie ihr immer noch an: die Freude daran, bei Menschen Fähigkeiten zu wecken und zu fördern, sie für’s Büchermachen zu begeistern und ihnen daneben soviel wie möglich darüber mitzuteilen, welch’ wichtige Rolle bei einem Buch seine äußere Aufmachung, die Titelillustration und der Zusammenklang von Text und Bild spielen. Wer eine betagte Dame erwartet hatte – immerhin ist sie bereits weit in den Achtzigern – wurde angenehm überrascht. Maria Friedrich erschien zu ihrem lange zuvor angekündigten Vortrag im Institut für Jugendbuchforschung trotz anstrengender Bahnfahrt aus München so lebendig, wie sie wohl immer gewesen ist: Zuerst an der Seite ihres Mannes Heinz Friedrich (1922 – 2004), einem der vielseitigsten Kulturschaffenden der Nachkriegszeit und späterem Begründer des dtv Taschenbuchverlags und ab 1971 – die beiden Töchter waren endlich erwachsen – selbst als Gründungsverlegerin von dtv junior.

Das war auch genau der Punkt, an den Professor Hans-Heino Ewers als Einladender mit eigenen Erfahrungen anknüpfen konnte. Denn wie lernt man große Literatur kennen? Am sichersten über anspruchsvolle, aber preiswerte Taschenbücher. Und die gab es damals bereits seit zehn Jahren. Aber nun auch Bücher noch für Kinder? Zehn Verlage aus dem Kinder- und Jugendbuchbreich hatten sich damals zusammengeschlossen und stellten nun große Erwartungen an die immerhin schon 49 Jahre alte Neuverlegerin. Und die tat zunächst etwas ziemlich Ungewöhnliches, indem sie auf Lyrik setzte, einfach aus der Erfahrung heraus, dass Kinder Gereimtes mögen. Und wirklich, das Buch wurde ein großer Erfolg. „Was denkt die Maus am Donnerstag?“ von Josef Guggenmos – die gestalterische Grundkonzeption lag beim  damals sehr gefragten Celestino Piatti – war bereits innerhalb zweier Wochen vergriffen. Als weitere Autoren dieses ersten Jahres folgten dann: Astrid Lindgren, Otfried Preußler, Ursula Wölfel, James Krüss, Janosch, Alfred Hitchcock und Scott O’Dell – heute allesamt Klassiker der modernen Kinder- und Jugendliteratur.

Und zu jeder Station ihres ereignisreichen Lebens, von Ewers immer wieder geschickt vom ehemals schriftlich vorbereiteten Vortragskonzept fortgelockt, wusste Friedrich Amüsantes zu berichten. Auch der Slogan „Lesen macht stark“ stammte aus ihrem Haus und wurde schon lange vor Erscheinen der Pisa-Studie mit Hilfe einer Erstlesereihe in Schreibschrift bzw. großer Druckschrift und comicartigen Bildern von Frantz Wittkamp in die Tat umgesetzt. Es folgten Sachbilderbücher für Kinder und eine eigene Reihe für Jugendliche und Erwachsene zu Themen der Literatur, des Theaters und der Malerei und schließlich ein Band „buch & spiel“ mit dem anspruchsvollen Titel „Kennst du diese Komponisten?“ von Ulrike Schultheis, der Tochter Maria Friedrichs. Eine besonders glückliche Hand bewies Friedrich bei der Übernahme des Titels „Der kleine Hobbit“ von John Ronald R. Tolkien, der bis 1991 eine Auflage von mehr als einer Million erreichte. Und schließlich gilt es noch festzuhalten, dass auch die Reihe dtv pocket für interessierte Leser zwischen 13 und 17 Jahren - Werbeslogan: lesen, nachdenken, mitreden – mit ihrem wohl bekanntesten Titel „Damals war es Friedrich“ von Hans Werner Richter für eine Weile Erfolg beschieden war.

Dass Maria Friedrich auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Verlag im Jahre 1990 noch tätig war, passt ganz zu dem Bild, das sie auch heute noch vermittelt. Denn nun wurde die ursprünglich als Schauspielerin und Dramaturgin ausgebildete Verlegerin auch noch Lehrbeauftragte und begann ihre vielfältigen Erfahrungen als Herausgeberin zuerst an der Akademie der Bildenden Künste in München und später an der Universität Regensburg weiterzugeben. Dass es dabei zu Anmeldelisten mit Höchstzahlen kam, kann sich jeder vorstellen, der sie jetzt in Frankfurt erlebte.

Eine Ausstellung der Bayrischen Staatsbibliothek in München, „Ein Leben im Gegenglück des Geistes“ zeigt noch bis 21. August, wie schwierig der Anfang nach 1945 war, und wie beide, sowohl Heinz Friedrich als auch seine Frau Maria, etwas aufbauten, was heute kaum mehr aus Verlagsgeschichte der Bundesrepublik fort zu denken ist.

Heinke Kilian