Öffentlicher Vortrag im Sommersemester 2003

Christian Bieniek zu Gast im Institut
Ort: Institut für Jugendbuchforschung, IG-Farben-Gebäude, Grüneburgplatz 1, Eisenhowersaal
Freitag, 04.07.2003, 11-13 Uhr


Peinliche Eltern, Annäherungsversuche etc.

Christian Bieniek zu Gast im Institut

Am Ende eines jeden Sommerseme­sters lädt das Institut eine nam­hafte Autor(in) ein, um mit die­ser/m auf eine meist sehr persönli­che Weise über das Schreiben für Kinder und Jugendliche zu sprechen. Dieses Jahr war Christian Bieniek zu Gast - der derzeit meistgelesene Kinder- und Jugendbuchautor in Deutsch­land. Jungen, Mädchen, Achtjährige, Sechzehnjährige – sie alle kennen ihn  bestens. Bieniek hat den Dreh offenbar 'raus: 80 lieferbare Titel, erschienen bei sieben verschiede­nen Verlagen – alle ziemlich erfolg­reich. Und das nicht nur in Deutschland. Oberschnüffler Os­wald, Karo Karotte, Hamster, aber auch „ganz normale“ Jungs und Mädels... Bienieks Protagonisten sind ebenso zahlreich wie unter­schiedlich.

Wer ist nun dieser Christian Bieniek, der es nicht nur versteht, so viele, so unterschiedliche Texte zu produzie­ren, sondern auch noch jährlich fast 300 Lesungen bestreitet? „Christian Bieniek schreibt für Kinder und Erwachsene und lebt in Düsseldorf.“ – Dieser Satz ist in der Regel alles, was der wissbegierige Bieniek-Leser in den Klappentexten der Bücher über den Autor erfährt. „Stimmt ja auch!“ meint Bieniek dazu. Aber zu erfahren gab es dann doch noch ein bisschen mehr...

Im Gespräch mit Hans-Heino Ewers und Adrienne Hinze vom Fischer- Taschenbuchverlag berichtete er am 04. Juli 2003 im Eisenhowersaal vor zahlreich erschienenem Publikum über seine Arbeit als Schriftsteller. So erfuhr man, dass diese 300 Lesereisen die eigentliche Basis für Bienieks erfolgreiche Ar­beit sind. Der enge Kontakt zu sei­nen Lesern ist es nämlich, der ihn immer wieder rückversichert, ob das, was er schreibt, auch ankommt. „Es interessiert mich nicht, was Erwachsene über meine Bücher sagen. Die sind für Kinder und Ju­gendliche, da nehme ich alles ernst. Wie ich mal gesagt habe: Wenn ich Hundefutter mache, möchte ich nicht wissen, ob das den Mäusen schmeckt. Ich weiß, dass Erwach­sene Bücher anders sehen, als Kin­der und Jugendliche.“ So sind Bienieks Lesereisen im Grunde eine perma­nente „Marketing-Tour“, auf der er den Kontakt zu seinen Kunden hält.

Bienieks Bücher sind Unterhaltung. Sie machen Spaß. Sie erzählen von den üblichen Problemen, die man als Jugendlicher eben so hat. Sie erzählen von typischen Familien, peinlichen Eltern, miss­glückten Annäherungsversuchen, ersten Lieben und Küssen. „Ich habe keine Angst, mich zu wiederholen. Das ist ein großer Fehler, immer originell sein zu wollen.“ Bieniek weiß, was seine Leser wollen. Und er gibt es ihnen. Inhaltlich wie formal: „Ich weiß genau, welches Tempo siemögen, das ist ja auch das Tempo, was ich habe.“

Bieniek arbeitete jahrelang als Tex­ter für Funk und Fernsehen: er schrieb Hörspiele, Texte für Juhnke und Hella von Sinnen. Temporeiche Sketch-Dialoge schreiben zu können - das ist natürlich hilfreich, wenn man mit Jugendlichen kommuni­zieren will, die mit temporeichen, unterhaltenden Medienangeboten aufwachsen. „Ich mache immer das, womit ich mich am besten aus­kenne...“ Nun ist es in Bienieks Falle so, dass er sich mit Dingen aus­kennt, die auch seine Zielgruppe beschäftigen.

Bieniek weiß nicht nur, wer Eminem ist, sondern hat auch 2Pac in seinem Discman. Er schreibt nicht nur von Fußball­freaks, er ist auch selbst einer. Die Nähe zu seinen Lesern stellt Bieniek nicht her, indem er versucht, ihre Sprache zu imitieren oder die neuesten Boy-Groups zu erwähnen. Jugendsprache zu benutzen, findet Bieniek, ist „unterstes Niveau der Anbiederung“. „Nicht in meinen Büchern. Das ist wichtig für die Lesereisen. Da wollen die Jugendli­chen wissen: Der schreibt über uns, was weiß der überhaupt von uns? Ich kenne auch jeden Manga. Aber nicht deshalb, weil ich darüber schreibe, sondern weil es mich interessiert.“ Es kann vorkommen, dass seine Protagonisten nachmit­tags „musizieren“ gehen oder klas­sische Gedichte lesen. Das möchte Bieniek aber nicht als pädagogische Impulse verstanden wissen. Er lässt seine Figuren das machen, was er kennt. Und als ehemaliger Student der Düsseldorfer Musikhochschule musiziert Bieniek nun einmal gerne: „Warum soll ich jemanden sich mit Atomphysik beschäftigen lassen? Da habe ich keine Ahnung von. Ich nehme Sachen, die ich kenne, in meine Bücher rein. Und das kenn ich halt am besten!“ Außerdem kennt Bieniek auch seine Leser: Die haben es nämlich überhaupt „nicht nötig, dass ich sie hinweise auf Bücher und auf Musik, weil sie sowieso aus so einer Schicht kommen. Wenn ich Leserbriefe bekomme, ist das aus einem Akademikerhaushalt oder der gehobenen Bildungsbürger­schicht. Es ist nicht so, dass ich meine Bücher für die schreibe, aber die lesen sie halt am meisten, weil die einfach teuer sind.“

Eine weitere wichtige Rolle spielt die Komik in Bienieks Büchern. Von außergewöhnlich komischen Situationen und außer­gewöhnlich schrulligen Figuren und das mit einem ebenso außerge­wöhnlichen Humor. „Nicht für Düs­seldorfer Verhältnisse! Das darf man nicht vergessen. Das ist ja nicht meine Komik, in Düsseldorf liegt das auf der Straße. Immer ein lustiger Spruch und auf eine bestimmte Art hemmungslos. Und so sind meine Figuren auch. Die würde ich nicht ansiedeln können in der Oberpfalz. Die sind auch lustig, aber auf eine andere Art. Das ist Heimatliteratur. ‚Wieso sind die in deinen Büchern immer so komisch?’ werde ich häu­fig gefragt. Natürlich auch deshalb, weil ich niemanden langweilen will, indem ich eine langweilige Figur einführe!“

Wichtig sind für den Schriftsteller neben seinen Lektorinnen auch einige langjährige Fans. Da gibt es einige, die jede Zeile von ihm ken­nen und ihn erbarmungslos darauf hinweisen, wenn er sich mal irrt: „Das ist ganz wichtig, weil ich weiß, dass auch Bücher von mir genom­men würden, die nicht so doll sind, einfach weil mein Name sich gut verkauft.“ Seine Funktion als Schriftsteller für Kinder und Ju­gendliche sieht Bieniek pragma­tisch: „Niemand fängt mit achtund­dreißig an zu sagen: Ich les jetzt Lyrik! Wer mit fünfzehn nicht liest, der liest auch nicht mit fünfund­vierzig, das ist so!“ Er will also Men­schen zum Lesen bringen, sie unter­halten... und auch ein kleines biss­chen die Welt verbessern!