Annegret Reinhardt-Lehmann

Annegret Reinhardt-Lehmann war über dreißig Jahre – und als erste Frau – als Prokuristin bei der Fraport AG beschäftigt. Nach dem Abschluss ihres Bachelorstudiums an der Jamestown University in den USA studierte sie an der Goethe-Universität Frankfurt Amerikanistik und Anglistik sowie Romanistik und Lateinamerikanistik. Nach ihrem Magisterabschluss 1980 begann sie zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung um die Startbahn 18 West ihre Karriere in der Kommunikationsabteilung des Frankfurter Flughafens. Sie übernahm die Marketingabteilung und das Lobbying und wurde Mitte der 90er Jahre mit dem Aufbau des internationalen Geschäfts der Fraport beauftragt. In diesem Zusammenhang betreute sie sieben Jahre lang das Athen-Projekt – einen 50 Millionen-DM-Beratungsauftrag zum Bau und zur Inbetriebnahme des neuen Athener Flughafens.

Danach wurde ihr die Strategieentwicklung und die Gremienarbeit der Fraport übertragen. Zuletzt war sie für die Entwicklung der Business-to-Consumer-Strategie verantwortlich. Zugleich übernahm Reinhardt-Lehmann auch Verantwortung in mehreren Aufsichtsräten im Luftverkehr und schrieb zahlreiche Veröffentlichungen zur Liberalisierung des Luftverkehrs und ihre Chancen für Flughäfen.

Seit 2007 ist die gebürtige Frankfurterin zudem Geschäftsführerin der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain, einem Netzwerk von 140 Wirtschaftsunternehmen, das sich für die strategische Profilierung und Positionierung der Metropolregion FrankfurtRheinMain engagiert. Sie unterstützt auf regionaler Ebene zahlreiche Initiativen und Kuratorien, wie zum Beispiel das Museum für Weltkulturen.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Meine Studienzeit war entscheidend für meine internationale Ausrichtung. Ich habe gelernt diszipliniert zu arbeiten, schnell wesentliche Zusammenhänge zu erkennen und abstrahieren zu können.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
In besonderer Erinnerung habe ich die intensiven Seminare der letzten Studienphase bei Professor Kühnel im Fach Amerikanistik und die anregenden Vorlesungen im Fach Romanistik und Lateinamerikanistik bei Professor Garscha.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Trotz BAföG-Unterstützung habe ich viel gejobbt, hauptsächlich als Dolmetscherin und Übersetzerin auf Messen – mein uralter Käfer und meine Reisen im Rahmen des Studiums mussten finanziert werden. Darüber hinaus war keine Zeit, mein Studium war auch mein Hobby.

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen außerhalb der Universitäts-Veranstaltungen?
Wir trafen uns gerne freitagmittags nach dem Amerikanistik-Seminar und der Examensvorbereitung zum Essen in einer Kneipe in der Adalbertstraße. Danach ging es zu unserem Professor oder einem von uns nach Hause und wir haben über den Stoff diskutiert und manchmal auch Risiko »Welteroberung« gespielt.

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums? Wenn es eine WG war – mit wem lebten Sie zusammen?
Ich wohnte während eines Großteils meines Studiums an der Goethe-Universität zu Hause, während des USA-Studiums dort auf dem Campus. Gegen Ende des Studiums zog ich in eine WG nach Eppstein, unter anderen mit meinem späteren Mann.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Mein wichtigster akademischer Erfolg war, dass ich sowohl mein Bachelorstudiums in den USA als auch mein Magisterstudium an der Goethe-Uni mit Auszeichnung abschloss. Meine Magisterarbeit hatte den Umfang einer Doktorarbeit. Mein wichtigster beruflicher Erfolg war, dass mein Studium mich befähigte und ich mir das zutraute, mich in eine völlig andere Materie, nämlich den Luftverkehr, schnell und umfassend einzuarbeiten und ich dort reüssieren konnte.

Sie haben eine 22-jährige Tochter. Würden Sie ihr empfehlen an der Goethe-Universität zu studieren? Zu welchem Studium würden Sie raten?
Ich habe meiner Tochter nach ihrem sehr guten Abitur nahegelegt, an der Goethe-Universität zu studieren – bei einem so schönen Campus muss man dort eigentlich studieren ;-) Ich empfahl ihr unabhängig davon, das zu studieren, wofür sie »brennt«. Sie hat sich schließlich für eine Laufbahn im gehobenen Polizeidienst entschieden und wird ihr Studium an der Akademie im Herbst als Polizeikommissarin mit einem Bachelor abschließen.

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Hochschullehrer sollten nicht nur in ihrem Fach exzellent und auf dem neusten Stand sein, sondern auch gute Kommunikatoren. Sie sollten Studierende begeistern können. Studierenden empfehle ich, das zu studieren, was sie wirklich interessiert und den Mut zu haben, auch neue Wege zu gehen, deren Ende sie gegebenenfalls noch nicht absehen können. Es geht dabei darum, Durchsetzungs- und Umsetzungsvermögen zu entwickeln, das sie für den Beruf benötigen.

Wie sieht für Sie die Universität der Zukunft aus?
Eine Universität sollte nicht verschult sein. Sie sollte den Studierenden Freiraum bieten, kreativ zu sein und Ideen zu entwickeln. Erst kommen die Ideen, dann die »Business-Case Rechner«. Ich wünsche mir, dass Studierende sich »breiter aufstellen« und auch in benachbarte Fachbereiche reinschnuppern können. Sicherlich wird die Universität der Zukunft neue E-Learning-Möglichkeiten bieten, aber die Freude am direkt ausgetragenen persönlichen Diskurs untereinander sollte nicht verloren gehen. Ein Streitgespräch ist eine andere Dimension als eine Streit-E-Mail.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Da ich in der Schule in den naturwissenschaftlichen Fächern auch gut war und Chemie sehr spannend fand, hatte ich mich zuerst für ein Studium der Lebensmittelchemie entschieden und von der ZVS einen Studienplatz in Lebensmittelchemie in Gießen zugeteilt bekommen. Dann gewann ich durch den Cosmopolitan Club in Frankfurt ein Stipendium für ein Bachelorstudium in den USA und begann auch dort mit Chemie und Informatik, bevor mich die Geisteswissenschaften völlig in ihren Bann zogen und mein ganzes Berufsleben begleiteten.

Wie lautet heute Ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
When the going gets tough, the tough get going!

(Stand: 14.10.2015)