Selbstverständnis

Das Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie hat sich als Ziel gesetzt, Denken und Wissen zu fördern, mit deren Hilfe in aktuellen Prozessen medialer, sozialer, ökonomischer und politischer Selbstorganisation beratende Beteiligung auf hohem Niveau möglich ist.

Was sind unsere Schwerpunkte?

Wir befassen uns vorrangig mit Fragen, wie Menschen sich auf natürliche und von ihnen erfundene, entworfene, gestaltete oder experimentell „gemachte“ Mit- und Umwelten beziehen. Damit beziehen wir uns auf die prinzipiell offenen und form-ungebundenen Fähigkeiten des Menschen, „mit sich“, „aus sich“ und mit seinen materiellen Umwelten „was zu machen“. Die Kunst des Menschen, sein Leben als eigenwillige und eigenwertige Zusammenhänge zu organisieren, ist unsere wissenschaftliche Grundlinie.

Die Varietät menschlichen Lebens erfordert immer wieder neu, sich den Dynamiken menschlicher Selbstorganisation zu stellen, ganz gleich, ob uns die Formen und Bedeutungen überzeugen, uns gefallen oder von uns „gerne gesehen werden“. Erforscht werden von uns Codierungen (bildlich, zahlig, schriftlich), Regeln (verabredete oder gesetzte Nutzungsweisen von Codes und Codierungssystemen), Normen (verbindliche, Zusammenhänge eingrenzende Freiheitsgrade der Regeln), Formalisierungen (vom einzelnen Menschen abgesetzte „unpersönliche“ Verfahren zur Verständigung), Praktiken (die durch Regeln und Normen ermöglichten und begrenzten Handlungsweisen, die situativ entwickelt werden), Institutionen (von Blutsbande, Sippenpflichten oder Kollektiven abgesetzte „allgemein verbindliche“ Formationen), Artefakte (materielle Hervorbringungen von Geräten über Konsumartikel bis hin zu Stadtarchitekturen), Wissensrealitäten (vom instrumentellen körperlichen Wissen bis zu komplexen Wissenschaftssystemen), Technologien (von Gedankentechniken bis zu digitalen Prozesstechnologien) und Medialitäten (zeit-räumlich nicht begrenzte Zeichen, Darstellungs- und Verständigungssysteme unterschiedlichster Materialität und sensorischer Bindung).

Vier wichtige Orientierungen.

Vier grundlegende Eingrenzungen, die unsere Erkenntnisbereiche bestimmen, sind damit verbunden:

  • Selbstorganisation: Wir gehen davon aus, dass jede Menschengruppe, die Art und Weise ihrer Lebenszusammenhänge und internen Regeln selbst organisieren. Dies schließt mit ein, ständig zu berücksichtigen, was „woanders“ geschieht, aber auch zu bedenken, wohin die Gruppe, die soziale Ordnung, die Wissensanforderungen usw. sich entwickeln sollen. Neben der Struktur einer solchen Selbstorganisation interessiert uns auch die Sinnsetzung, die Fülle oder die Einfachheit von Erwartungen.
  • Gegenwartsbezug: Aus diesem Verständnis heraus begründet sich ein Forschungseinstieg in Gegenwart. Ausgeschlossen ist damit Ableitung von Aussagen aus irgendwelchen großartigen Ordnungsbegriffen; ausgeschlossen ist aber auch eine Herleitung heutiger Lebensverhältnisse aus vermeintlich historischen „Gründen“.
  • Universalität: Unser Menschenverständnis beruht auf der Überzeugung, dass der Homo sapiens sapiens durch Wanderungen der zurückliegenden 150 000 Jahre sich überall auf dem Globus anwesend gemacht hat. Die Menschengruppen erfuhren und erzeugten Veränderungen, erfanden sich in sehr unterschiedlichen Weisen ihre Lebenszusammenhänge, machten sich regional ansässig und erzeugten das, was wir universale Varietät nennen.
  • Wechselwirkungen: die drei zuerst genannten Bereiche sind einem Erkenntnismodell verbunden, das an dynamischen (rückbezüglichen) Wechselwirkungen orientiert ist. Hierdurch wird es uns möglich, ohne eine vorschnelle, evtl. arrogant wirkende Bewertung von Wirtschafts-, Produktions-, Wohn- oder Regierungsweisen, die Prozesse und Programme jeweiliger Lebensrealität zu untersuchen. Hierdurch wird es auch möglich, die Veränderungen von agrarischen, urbanen, technologischen, wissenschaftlichen oder medialen Umwelten wissenschaftlich zu beschreiben und zu erklären.

Das komplette Selbstverständnis des Frankfurter Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie: Download als PDF-Datei
Stand: Sommersemester 2008