Der Wadi Hamar Survey

Surveys (Landschaftsbegehung) dienen der Erkundung und Erforschung von Gebieten und Landschaften einer bestimmten Region. Verschiedene Untersuchungsmethoden können zur Durchführung eines Surveys angewandt werden, mit Ausnahme der Ergrabung des Fundorts. Zu diesen gehören die Erkundung von Regionen zu Fuß oder mit dem Fahrzeug, die Auswertung von Satelliten- und Luftbildern, die Geo-Magnetische Prospektion, sowie die Berücksichtigung von Geologischen und Geomorphologischen Karten. Außerdem können antike Texte bei der Lokalisierung von Fundstellen behilflich sein.

Das ursprüngliche Ziel von Surveys, die bereits seit den 30'er Jahren des 20.Jahrhunderts durchgeführt werden, war die Lokalisation und Voruntersuchung geeigneter Fundorte, verbunden mit der Absicht, diese in zukünftigen Kampagnen zu ergraben. Seit den 70'er Jahren des 20. Jahrhunderts sind sich Forscher jedoch einig, dass zu viele Fundorte existieren, als dass sie alle mit einer Grabung zu untersuchen wären (hierzu fehlen in erster Linie die finanziellen und personellen Mittel). Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei der Auswertung "alter Surveys" auffällt ist, dass nur große Fundorte in der Regel untersucht wurden. Die kleinen Fundorte, welche ebenso zu einen Siedlungssystem beitragen, wurden dabei nicht berücksichtigt.

Das Wadi Hamar (Wadi: saisonal wasserführender Verlauf) entspringt dem im Süden der Türkei gelegenen Taurus-Gebirge und mündet in den Balikh, ein Nebenfluß des Euphrat. Mit seinem verzweigten Verläufen und zahlreichen Neben-Wadis befindet sich das Wadi Hamar somit im Gebiet Nord Syriens zwischen dem Balikh und Habur (siehe Karte).

Anfang des 20. Jahrhunderts leistete Max Freiherr von Oppenheim Pionierarbeit indem er das Gebiet zwischen Balikh und Habur bereiste und sich Fundorte notierte. In seinen Berichten finden sich Beschreibungen einiger dieser Fundplätze, wie z. B. Tell Chuera und Kharab Sayyar. Obwohl hier seit geraumer Zeit regelmäßig Grabungen stattfinden, wurden seit Oppenheims Reisen kaum Untersuchungen zur Lokalisation weiterer Fundorte durchgeführt.

Durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Region wird es in Zukunft immer wahrscheinlicher, dass Fundorte - besonders kleinere - nicht mehr auffindbar sind. Besonders der Anbau von Baumwolle und Wassermelonen, die viel Wasser benötigen, sind für den unwiderruflichen Verlust von archäologischen Spuren und antiken Hinterlassenschaften verantwortlich.

Ziel des Wadi Hamar Surveys ist es einmal, bisher unbekannte Fundorte zu lokalisieren und zu dokumentieren, sowie bereits bekannte Fundorte näher zu untersuchen, da teilweise nur dürftige Angaben vorliegen oder bekannt sind.

Eine Lizenz zur Durchführung des Wadi Hamar Surveys wurde 1997 von der syrischen Antikendirektion erteilt. Diese Lizenz erlaubt es in einem Radius von 10km um den in der islamischen Periode und der Früh-Bronze-Zeit besiedelten Hügel Kharab Sayyar nach Fundorten und antiken Hinterlassenschaften zu suchen.

1997 untersuchte das Survey-Team, welches in der Regel aus 5 Personen bestand, 4 Wochen die Umgebung von Kharab Sayyar. 1998 konnte ein Teil der enormen Menge an Funden bearbeitet werden, insbesondere das Material der Früh-Bronze-Zeit und Eisenzeit. Um die Untersuchungen im begrenzten 10km Radius abzuschließen, fanden in Jahre 2000 weitere Feldforschungen statt, dabei konnten mehr als 65 Fundorte lokalisiert und dokumentiert werden.

Die Position der Fundorte wurde mittels eines GPS Empfängers auf eine Genauigkeit von +/- 15m bestimmt, was für Orte dieser Größe mehr als ausreichend ist. Aufgrund der hohen Konzentrationen an Funden - in der Regel Scherben - beschränkte man sich beim Einsammeln auf Rand- und Bodenfragmente sowie Kleinfunde. Diese wurden in das Grabungshaus von Tell Chura transportiert, um dort weiter bearbeitet zu werden. Einige Fundorte wurden zusätzlich topographisch vermessen.

Etwa 50% der Fundorte konnten vom Survey Team gesichtet werden, 40% wurden mit Hilfe von Befragung der einheimischen Bevölkerung ermittelt, 10% wurden während der Vorbereitungszeit auf Satellitenkarten entdeckt.

Unter den 65 Fundorten sind nahezu alle Perioden des Vorderasiatischen Altertums vertreten. Die Angaben in der Tabelle weichen von der Anzahl der Fundorte ab, da viele Fundorte in mehreren Perioden besiedelt waren.

Perioden   Datierung   Anzahl der Fundorte
Pre-Keramisches Neolithikum   12000-7000 v. Chr.   2
Halaf-Zeit   6000-5400 v. Chr.   9
Ubaid-Zeit   5400-4000 v. Chr.   6
Spät-Chalkolithikum / Uruk-Zeit          4000-3000 v. Chr.   -
Früh-Bronze-Zeit   3000-2000 v. Chr.   11
Mittel-Bronze-Zeit   2000-1600 v. Chr.   2
Spät-Bronze-Zeit   1600-1200 v. Chr.   10
Eisenzeit   1200-300 v. Chr.   23
Hellenistisch / Römisch   330 v. Chr-235 n.Chr.         3
Früh-Islamisch   600-800 n. Chr.   43

Da das gesamte Material noch nicht vollständig bearbeitet ist, wurde auf voreilige Interpretationen verzichtet. Ein ausführlicher Bericht in Bezug auf Größe, Datierung und Funde der einzelnen Orte wird in Zukunft folgen.

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Jan-Waalke Meyer