Textgerede. Interferenzen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der deutschsprachigen Literatur der Jahrtausendwende

Tagung am Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik vom 9. bis 11. März 2017

So viel Gerede war selten: Mit Blick auf Entwicklungen im deutschsprachigen literarischen Feld der Jahrtausendwende hat die Forschung verschiedentlich eine Aufwertung akustischer und performativer Dimensionen festgestellt. Ablesen lassen sich diese Tendenzen an einer Hochkonjunktur öffentlicher Lesungen und Literaturfestivals, die Autorinnen, Autoren und deren Texte als zeitlich begrenzte Großereignisse in Szene setzen, und an einer Vielzahl von kleineren Lesungs- und zahlreichen literarischen Wettbewerbsformaten. Doch auch die individuelle, konventionell ,stille‘ Lektüre steht mit dem Boom von Hörbuch und Hörspiel verstärkt im Zeichen einer veränderten Relevanz akustischer Performanz.

Neben diesem auf mündliche Äußerungsformen ausgelegten Veranstaltungsbetrieb und der Hochkonjunktur des Hörbuchs ist es aber auch die Literatur selbst, die in vielfältigen Hinsichten ihre akustisch-performative Dimension in Szene setzt. Wird der deutschen Gegenwartsliteratur nach 2000 von Teilen des Feuilletons nicht ganz wertungsfrei ein „Plapperton“ attestiert, verweist dies auf ein unmittelbar Verbales, das offenbar durch die Texte selbst inszeniert wird.

Die Tagung setzt an dieser Stelle an und interessiert sich erstens für die konkreten Verfahren, mit denen literarische Texte um 2000 Effekte des Mündlichen erzeugen. Zweitens nimmt sie die literaturbetrieblichen Praktiken mit akustisch-performativer Ausrichtung in den Blick, die das literarische Feld der Jahrtausendwende prägen. Und drittens fragt sie nach den Rückkopplungen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, die sich aus den Textverfahren einerseits und den Literaturbetriebspraktiken andererseits ergeben. Abgerundet werden die Vorträge und Diskussionen durch eine Performance von Christian Uetz am Freitag, 10. März um 18:30 Uhr.

Die Tagung ist öffentlich. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Die Tagung wird gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung und von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität.

Den Flyer (mit Programm) und das Plakat zur Tagung finden Sie rechts unter Downloads.


Veranstaltungsort
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Campus Westend
IG-Gebäude
Raum 1.314 (Eisenhower-Raum)


Konzept und Organisation
Dr. David-Christopher Assmann / Nicola Menzel, M.A.
Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik
Goethe-Universität Frankfurt
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Programm

Donnerstag, 9. März

13:00–13:15 Uhr
David-Christopher Assmann (Frankfurt/Main) / Nicola Menzel (Frankfurt/Main): Begrüßung und Einführung: Zum Textgerede der Jahrtausendwende

13:15–14:45 Uhr – Felder und Formen (Moderation: David-Christopher Assmann)
Heribert Tommek (Regensburg): Medien literarischer Präsenz. Aufstieg und Grenzen von Mündlichkeitsformen im literarischen Feld der Gegenwart
Leonhard Herrmann (Leipzig): Kleine Narratologie des ,Loslaberns‘. Fiktive Mündlichkeit in Erzähltexten der Gegenwart

14:45–15:15 Uhr – Kaffeepause

15:15–16:45 Uhr – Zum Beispiel: Peter Kurzeck (Moderation: Torsten Hoffmann)
Jörg Döring (Siegen): „Schlaflos in Staufenberg“. Zum Verhältnis von erzähltem und schriftlichem Werk Peter Kurzecks
Nicola Menzel (Frankfurt/Main): „Diktiert mir […] und jedem, der mitmacht“. Peter Kurzecks Textdiktat im Frankfurter Literaturhaus

16:45–17:00 Uhr – Kaffeepause

17:00–18:30 Uhr – Interviews: Geredet wie gedruckt? (Moderation: Nicola Menzel)
Torsten Hoffmann (Frankfurt/Main): „geredewärts“. Mündlichkeitseffekte in Interviewromanen
Eckhard Schumacher (Greifswald): „Ich wählte ein großes Mikrophon...“. Interview und Protokoll als literarische Verfahren

19:30 Uhr – Abendessen

Freitag, 10. März

9:30–11:00 Uhr – Mediale Werkentgrenzungen (Moderation: Heinz Drügh)
Thomas Wegmann (Innsbruck): Zwischen Youtube, Bühne und Buch: Das Werk im Zeitalter seiner medialen Hybridisierbarkeit
Stephan Porombka (Berlin): DAS AUDIO PAPER. Konzeptuelle Überlegungen

11:00–11:30 Uhr – Kaffeepause

11:30–13:00 Uhr – Vortragskunst in Frankfurter Poetikvorlesungen (Moderation: Kevin Kempke)
Monika Schmitz-Emans (Bochum): Oralität, Performanz und Zeitlichkeit im Spiegel Frankfurter Poetikvorlesungen
Natalie Binczek (Bochum): Textgerede im Hörsaal. Die Frankfurter Poetikvorlesung von Thomas Meinecke

13:00–14:30 Uhr – Mittagspause

14:30–16:00 Uhr – Theatertöne (Moderation: Susanne Komfort-Hein)
Norbert Otto Eke (Paderborn): Tönende Texte. Verfahren sekundärer Oralität im Gegenwartstheater
Kai Bremer (Gießen): Wir reden und wissen nichts. Zur Renaissance des Kammerspiels im Gegenwartstheater

16:00–16:30 Uhr – Kaffeepause

16:30–18:00 Uhr – Zum Hören geschrieben (Moderation: Lena Vöcklinghaus)
Eva Fauner (Graz/Gießen):  Wenn die Schrift gehört gehört. Fingierte Mündlichkeit und inszenierte Schriftlichkeit am Beispiel der Slam Poetry von Markus Köhle
Fabian Wolbring (Bonn): „Für mich ist das Schwerste beim Schreiben ’n leeres Blatt zu finden“ – Fingierte Schriftlichkeit in deutschsprachigen Raps

18.30 Uhr – Performance von Christian Uetz

20 Uhr – Abendessen

Samstag, 11. März

9:30–11:00 Uhr – Eigenart Stimme (Moderation: David-Christopher Assmann)
Simon Aeberhard (Basel): Spoken Script. Mundartliteratur zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Vera Mütherig (Münster): Akustisch, Aural, Authentisch? Die Autoren-Stimme als Stimm-Text

11:00–11:30 Uhr – Kaffeepause

11:30–13:00 Uhr – Gedruckt wie geredet (Moderation: Nicola Menzel)
Thomas Boyken (Tübingen): „Kooooonzentrieren – Ruuuuuuu-u-huig sein“. Typographische Mündlichkeit im deutschsprachigen Gegenwartsroman
David-Christopher Assmann (Frankfurt/Main): Sekundäre Schriftlichkeit: Nora Gomringers „Recherche“