Gunvor Schmidt, Projektleiterin Deutscher Buchpreis

Wo arbeiten Sie und wie kamen Sie zu dieser Anstellung?

Ich arbeite seit 2012 beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels und seitdem auch im Bereich Literatur- und Leseförderung bzw. Kulturprojekte.
Ich habe beim Börsenverein ein Praktikum gemacht im Jahr zwischen der Schule und dem Studium. Als dann klar war, dass ich in Frankfurt auch studieren würde, habe ich mich dort wieder gemeldet und als Aushilfe gearbeitet. Das war auch der Moment, als ich zum ersten Mal in die Leseförderung gekommen bin. Dort war ich nur zwei Jahre, dann ging ich ins Ausland. Als ich zurückkam, habe ich eine Aushilfsstelle beim Suhrkamp Verlag angenommen – d.h. ich bin in der Branche geblieben und habe den Kontakt zum Börsenverein gehalten, auch weil dort zweimal im Jahr Aushilfen für Kurzveranstaltungen gebraucht werden.
Damals habe ich mich eigentlich systematisch auf die Buchbranche vorbereitet. Deshalb habe ich auch das Aufbaustudium Buch und Medienpraxis gewählt. Dafür erhielt ich die Zusage, als ich gleichzeitig noch eine Zusage für eine Traineestelle bei der Deutschen Lufthansa bekommen habe. Das hat mich gefreut und ich habe gesagt „gut, ich mach das mal“. Das Aufbaustudium habe ich dann parallel zu meiner Traineeausbildung absolviert.

Was sind Ihre Aufgaben beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels und im Besonderen im Bereich der Veranstaltungsorganisation?

Ich betreue in unserem Team den Deutschen Buchpreis von A bis Z.
Für den Deutschen Buchpreis beginnt das Jahr mit dem Zusammentreffen der Akademie, die die Jury für das Jahr beruft. Die Jury wird kommuniziert, die Verlage werden angeschrieben, senden dann ihre Einreichungen ein und wir bündeln diese. Wir stehen in Kontakt mit der Jury und sehen zu, dass die Jurysitzungen laufen. Wir machen die komplette Veranstaltungsorganisation für die Preisverleihung, die Koordination aller Beteiligten und Partner, die Produktion von Werbemitteln, die Dokumentation und so weiter. Inhaltlich sind wir dabei streng unparteiisch und das ist auch wichtig! Es ist ein wesentlicher Teil des Preises, dass alle Einreichungen komplett gleichwertig behandelt werden. Wir haben keine Meinung zum Programm, wir machen auch keine Vorauswahl – wir leiten einfach alles völlig ungefiltert weiter und überlassen der Jury die inhaltliche Arbeit am Preis.

Generell planen wir am Anfang des Jahres mit unseren Partnern zusammen, wie das Jahr laufen soll und überlegen uns auch, was es an Neuerungen geben könnte. Wir verändern Prozesse und einzelne Projektschritte und wir schauen, was man vielleicht Neues mit dem Budget machen oder was man weglassen kann. Also, von der Entscheidung bis zur Umsetzung ist im Prinzip alles bei uns, in den allermeisten Fällen jedenfalls. Der Punkt ist, dass das Tagesgeschäft sich übers Jahr wirklich jeden Monat ändert. Es geht immer darum, den kompletten Prozess im Blick zu haben und durchzuführen und dabei sowohl die kleinen Details nicht zu übersehen als auch das große Ganze zu beachten. Also auch zu überlegen: Wie war die Presseresonanz? Was sind Rückmeldungen, die wir von Autoren und Verlagen bekommen haben? Ist da irgendetwas dabei, was wir jetzt verändern sollten? Haben wir das Gefühl, dass das Image sich verändert hat – wenn ja, zum Guten oder zum Schlechten? Wie sehen die Verkaufszahlen der nominierten Romane und des Siegertitels aus? Das sind die Sachen, die uns immer umtreiben. Es ist ein motivierendes Gefühl, dass wir selber darüber entscheiden können, welche Änderungen sinnvoll sind oder nicht und ich glaube, deshalb finde ich diese Arbeit auch nach wie vor interessant. Man hat über das Jahr gesehen kaum dieselbe Aufgabe zweimal. Und auch wenn man ein paar Jahre hinter sich hat und denkt jetzt kennt man alles, ändert sich dann doch jedes Jahr wieder etwas.

Was hat das Studium der Kulturanthropologie für Grundlagen gelegt, die weiterhin im Berufsleben für Sie von Bedeutung sind?

Für mich war erstmal das Wichtigste, dass das Studium mich wirklich gefesselt hat und mich motiviert meinen Abschluss zu machen, andere Fächer hätten das nicht gekonnt.

Es gibt außerdem ein paar Sachen, die spezifisch für die Kulturanthropologie sind und die mir persönlich zur Entwicklung viel geholfen haben. Man hat kein reines Schreibtisch- und Bibliotheks-Studium, sondern man ist immer wieder gezwungen „rauszugehen“. Man muss mit Leuten in Kontakt treten und diese überzeugen, auch um sich in verschiedenen Situationen behaupten zu können. Denn als Kulturanthropolog*in geht man oft auch absichtlich in Bereiche, in die man sonst nie kommen würde, wo man überhaupt keinen Platz hat – und wo man trotzdem bestehen muss. Man muss Menschen davon überzeugen, dass sie einen „mitmachen lassen“, dass sie mit einem sprechen und dass sie das möglichst offen tun. Und das, finde ich, war einfach eine gute Schule für grundsätzliche Problemstellungen.

Es ist sehr hilfreich, wenn man im Studium bereits lernt herauszufinden: Wie tickt meine Umgebung, wie funktioniert sie? Wie sind deren innere Mechanismen? Das kann, um sich gut in eine neue Stelle einzufügen, helfen.

Stichwort „Jobsuche“: denken Sie, dass die Kulturanthropologie, die ja ein breites Themenfeld abdeckt, viele Ansatzpunkte und Ideen gibt, was man beruflich machen kann?

Es gibt ja durchaus Studenten, die sich in ihrer Forschung in ein Feld begeben, das dann später beruflich für sie interessant wird. Wenn das so funktioniert, ist es natürlich super, aber so kann man natürlich nicht immer forschen.

Ich glaube was eher zum Tragen kommt ist, dass man Wahrnehmen lernt: Wie ist es da? Was läuft da ab? Wie funktioniert das? Das ist sehr hilfreich! Auch um herauszufinden, wie einem etwas persönlich gefällt. Es gibt ja bestimmte Erwägungen, die viele anstellen, beziehungsweise gibt es Vorstellungen, die man von außen heran­getragen bekommt, darüber, was ein „guter Beruf“ ist oder was wichtig ist bei der Berufswahl. Und dann hat man lauter Kriterien, die eigentlich für einen selber vielleicht keine Rolle spielen müssten. Ich glaube, wenn man gelernt hat zu ergründen wie es sich um einen herum anfühlt, dann kann das helfen schneller an eine Antwort zu kommen.

Gibt es weitere Kompetenzen aus Projekten, Veranstaltungen oder anderen Fächern an der Universität, auf die Sie nun zurückgreifen können?

Also, wenn ich jahrelang nur unter Studenten gewesen wäre und dann plötzlich nur noch unter Berufstätigen – rein innerlich hätte mich das nicht vorbereitet. Ich habe während des Studiums einmal ein Praktikum bei einem Radiosender gemacht und dort habe ich einfach nicht hinein­gepasst – und vorher hatte ich gedacht, Radio ist bestimmt total super für mich. Es wäre mir ohne Praktika und Nebenjobs sehr viel schwerer gefallen herauszufinden, was ich machen will.

Für meine inhaltliche Arbeit hat mir auch das Aufbaustudium Buch- und Medienpraxis viel gebracht. Für mich waren gerade die journalistischen Kurse wichtig, dieses schnelle, präzise Redigieren von Texten auf eine bestimmte Zeichenzahl hin. Dadurch habe ich sehr viel über Textarbeit gelernt und dies auch im ersten Jahr im Trainee sehr viel gebraucht.

Welche Empfehlung würden Sie Studierenden der Kulturanthropologie zum Berufseinstieg geben?

Ich glaube, es ist unglaublich wichtig, dass man sehr flexibel in einen Job reingeht und sich ansieht, wie Sachen dort gemacht werden. Ich habe die besten Erfahrungen damit gemacht, erst einmal alles genau so zu machen wie alle anderen. Erfahrungsgemäß gibt es ja viele verschiedene Arten wie man Dinge angehen kann. Wenn eine bestimmte Sache sich bewährt hat, hat das manchmal einen tieferen Sinn, den man erstmal erfassen muss. Ich habe immer versucht mir das zu bewahren, dass ich auf das zugehe was „da so ist“ und dort mal mitmache. Es geht oft eher darum zu wissen: wer weiß das? Wann kann ich jemanden fragen und wann kann ich selbst entscheiden? Das hat dann ein bisschen mit Erfahrung und Bauchgefühl zu tun. Im Zweifel ist ja mehr fragen immer besser!

Was für mich auch wichtig war, in den Stellen die ich hatte, das sind die politischen Erwägungen, also unternehmenspolitische Dinge. Das heißt herauszufinden, wann geht es weniger um die Sache, sondern eher darum, welche Formen gewahrt werden müssen, wofür ein Unternehmen steht, was im Hintergrund passiert. Und das ist auch etwas, wo ich sagen würde, das ist eine ziemlich ausgewogene Mischung aus dem, was man vor Ort lernen muss und dem was man aber auch mitbringen kann. Aber natürlich sind das auch die Dinge, die man in jeder neuen Stelle erneut herausfinden muss.

Das Interview führte, verschriftlichte und editierte Marlen Heislitz, B.A. Das Gespräch fand im Mai 2016 statt.