Raub oder Ritual? – Zur Nachnutzung frühbronzezeitlicher Gräber in Syrien

Aktivitäten an Gräbern, die lange nach den eigentlichen Bestattungsriten, aber dennoch in vormoderner Zeit stattgefunden haben, werden in der Archäologie meist als Störungen empfunden, welche wichtige Informationen über die Vergangenheit unwiederbringlich vernichtet haben. Oftmals werden solche späteren Aktivitäten von den Ausgräbern in Publikationen pauschal als Grabraub klassifiziert. Das Wort Grabraub impliziert eine Aktion, welche das Ziel hat, wertvolle Objekte wie beispielsweise Schmuck oder Metallobjekte auf illegale Weise aus dem Grab zu entnehmen, um sich selbst zu bereichern. Als Hinweis auf Grabraub wird in der Regel angesehen, wenn Teile des Skelettes bewegt, die Grabbeigaben in Unordnung gebracht worden sind oder ein späterer Zugang zum Grab sichtbar ist. Diese späteren Aktivitäten grenzen sich durch ihren größeren zeitlichen Abstand eindeutig von Handlungen, die zu den ursprünglichen Bestattungssitten gehören, aber nach der eigentlichen Bestattung stattgefunden haben, wie Riten zum Gedenken an die Verstorbenen, Opferungen oder aber auch die kontinuierliche Belegung eines Kollektivgrabes über einen längeren Zeitraum hinweg, ab.

In den letzten Jahren sind vor allem für das mittelalterliche Europa zunehmend wissenschaftliche Arbeiten erschienen, die verdeutlichen, dass eine simple Deutung späterer Aktivitäten an Bestattungen als Grabraub unzureichend ist und nicht der komplexen Realität in der Vergangenheit entspricht (Kümmel 2009; van Haperen 2010; Klevnäs 2013). Daher müssen andere Erklärungen für Nachweise von späteren Aktivitäten in den archäologischen Hinterlassenschaften von Gräbern gefunden werden. Spätere Störungen sind nicht pauschal als Grabraub abzutun, sondern besitzen eigenständig wertvolle Information, um den Umgang mit Grabstätten und damit auch die sozialen Strukturen innerhalb einer Gesellschaft besser zu verstehen. Durch die Reduzierung späterer Aktivitäten auf Grabraub und Störungen wurde dieses Potential jedoch bislang für den Vorderen Orient nicht ausgeschöpft. Der Umgang mit Grabstätten in der Region ist in einer langfristigen Perspektive unbekannt.

Ziel des von der Alexander von Humboldt-Stiftung geförderten Forschungsvorhabens ist es, durch die systematische Untersuchung späterer Aktivitäten an Gräbern im Vorderen Orient festzustellen, wie diese im Detail aussahen und welche Motive ihnen zu Grunde lagen. Dadurch soll ein umfassendes Bild der Nachnutzungen von Gräbern in der Region rekonstruiert werden. Dabei beschränken sich die Untersuchungen auf eine Fallstudien innerhalb des Vorderen Orients konzentrieren. Dies ist die Frühbronzezeit in Syrien von ca. 3100 bis 2000 v. Chr..

 

Ansprechpartnerin: Stephanie Döpper