Die Grüneburg

Das Areal, auf dem sich heute der Campus Westend und der „Grüneburgpark“ befinden, lag im 18. und 19. Jahrhundert weit außerhalb der Frankfurter Stadtgrenzen. Bereits im Mittelalter galt das Gebiet, ein fruchtbarer Ausläufer der Wetterau, als charmanter Rückzugsort für Frankfurter Patrizierfamilien, die hier ihre Sommerresidenzen errichteten. Bis in die Frühe Neuzeit unterschied man drei Areale: Das Affensteiner-, das Knoblauchs- und das Friedberger Feld.

Der Gutshof, den der Frankfurter Juwelenhändler Matthias Riese damals auf dem Affensteiner Feld errichtet hatte, hieß „hoff auf der Stein Kauth im affen Stein“ und war nach den nahegelegen Basaltbrüchen benannt worden.[1] Ein Dokument aus dem Jahre 1777 gibt die Größe des Geländes zu dieser Zeit mit rund 10 Hektar an, auf denen  sieben Kühe gehalten wurden. Zum Vergleich: der heutige Campus Westend umfasst, zwischen Fürstenbergstraße, Bremer Straße und Hansaallee, Miquelallee sowie Grüneburgpark, rd. 28 Hektar (inkl. 33 Hektar Reserveflächen).[2]

Der Bankier Peter Heinrich von Bethmann-Metzler erwarb das Gelände 1789 und vergrößerte es auf die doppelte Fläche. Er benannte den Hof in „Grüne Burg“ um und ließ ihn zu einem befestigten Wohnhaus ausbauen. Seinen Nachbarn, der Familie Goethe (den Großeltern des berühmten Schriftstellers), kaufte er hierfür zwei Obstgärten ab.[3] Der Hof blieb nach Bethmann-Metzlers Tod zunächst im Familienbesitz. Seine Tochter Sophie führte mit ihrem Mann auf der Grünen Burg ein im bürgerlichen Sinne respektables Leben und initiierte auch einen literarischen Salon, den namhafte Personen wie Sophie de la Roche, Bettina von Brentano, Achim von Arnim, Karoline von Günderode sowie Johann Wolfgang von Goethe und seine Mutter besuchten. Goethe selbst schien von dem Besuch entzückt und schrieb über die Residenz:

„Es liegt sehr angenehm, eine starke halbe Stunde vor der Stadt, vor dem Eschenheimer Tor, auf einer sanften Anhöhe, von der man vorwärts die Stadt und den ganzen Grund, worin sie liegt, und hinterwärts den Niddagrund bis an das Gebirge übersieht.“[4]

Im Jahre 1837, knapp 50 Jahre nach dem Kauf durch Bethmann-Metzler, erwarb der Bankier Amschel Mayer von Rothschild (1773–1855) das mittlerweile als „Schloss Grüneburg“ bekannte Anwesen. Es sollte als Geschenk und neuer Wohnsitz für seinen Neffen und dessen Ehefrau dienen. Das Paar ließ 1844/1845 westlich des vorhandenen Wohnhauses ein neues Anwesen errichten und funktionierte den bestehenden Bau wieder zum Wirtschaftshof um. Das „Neue Palais an der Grünen Burg“ der weit verzweigten Familie wurde, nach französischem Vorbild, in einem für Frankfurt eher ungewöhnlichen Stil errichtet. Der 1850 vor den Toren angelegte Park mit Weiher, Pavillons und Vogelvolliere war wohl nach dem Muster existierender Gärten im Umfeld von Paris angelehnt.

Durch einen Stahlstich des Malers und Kupferstechers Friedrich Wilhelm Delkeskamp aus dem Jahre 1864, der einen Stadtplan der Stadt Frankfurt darstellt,[5] haben wir eine grobe Vorstellung von dem Anblick, der sich den damaligen Besuchern geboten haben muss und der wie folgt beschrieben wird:

Der Malerische Plan von Delkeskamp zeigt 1864 ein dreistöckiges Gebäude im Bereich der Wirtschaftsgebäude, auf das eine Allee zuführt, regelmäßig gepflanzte Bäume und in Reihen aufgestellte Kübelpflanzen. Westlich davon liegt ein Herrenhaus mit Seitenflügeln, Terrasse, einem großen, parkartigen Garten mit weit schwingenden Wegen, Schmuckbeeten, Laubengängen, Pavillons und einem langgestreckten Teich, in dem sich ein chinesisch anmutendes Gartenhaus spiegelt.“[6]

Ende der 1870er Jahre ging das Grundstück in den Besitz Wilhelm Carl von Rothschild und seiner Frau über, die den Landschaftsarchitekten Heinrich Siesmayer damit beauftragten, den Park in einen Garten im Stil der englischen Landschaftsgärten umzuwandeln.[7] Im Zuge der Umbauarbeiten wurde das Wirtschaftsgebäude, die einstmalige Grüneburg, im Jahre 1880 abgerissen. Unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wurde die Familie Rothschild durch die Belastung mit enormen Sondersteuern quasi zwangsenteignet. Der Frankfurter-Zweig floh 1938/39 nach Frankreich. Der durch Bethmann-Metzler geprägte Name „Grüneburg“ blieb.[8] Das Neue Palais wurde bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg jedoch so stark zerstört, dass die Ruine nach dem Krieg abgetragen wurde.

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Literatur und Links:


[1] Drummer/Zwilling 2007, 12.
[2] Planungsamt der Stadt Frankfurt. Nach einem Grundstückstausch im Februar 2017 kann die Universität den dritten Bauabschnitt beginnen und hat Planungssicherheit für das Gesamte Gelände (siehe auch Uni Report 1/17).
[3] Ebd.
[4] J. W. Goethe, zitiert bei Blecken 1993, 99.
[5] F. W. Delkeskamp, Malerische Plan von Frankfurt am Main und seiner nächsten Umgebung, nach der        Natur aufgenommen und aus geometrischer Vogelschau gezeichnet, Frankfurt am Main 1864.
[6] Blecken 1993, 99.
[7] Ebd.
[8] Ebd.