Paläontologie - Eine Zeitreise

Phasen der Evolution des Systems Erde: Es gibt keinen Stillstand

In der geologischen Vergangenheit befand sich das System Erde in verschiedenen Zuständen: Krisenzeiten, in denen es zu gewaltigen, oft katastrophalen Umgestaltungen kam, wechselten mit Zeiten, in denen sich Veränderungen nur allmählich vollzogen. Klimatische Verhältnisse (z.B. Treibhaussituation, Dichte der Atmosphäre), Chemismus der Ozeane (z.B. Soda-Ozean, Abnahme der Salinität) und Lage der Kontinente (z.B. Superkontinent Pangaea im Gegensatz zu vielen Mikrokontinenten) unterschieden sich zum Teil entscheidend von der heutigen Situation und beeinflußten die Evolution und Ausprägung der Ökosysteme. Durch die umfassende Analyse ausgewählter Zeitabschnitte können "Störungen" und "Erhohlungsphasen" des Systems Erde exemplarisch untersucht und dargestellt werden. Die paläogeographischen Karten wurden von C. Scotese zusammengestellt.

Phasen der Evolution des Systems Erde


Beginn der Biomineralisation: Spätes Präkambrium

Im späten Präkambrium (vor ca. 900-540 Millionen Jahren) fand eine fundamentale Umgestaltung der Biosphäre statt. Multizelluläre Organismen wurden entwickelt und die biochemischen Prinzipien der Hartteilbildung erfunden. Vereisungsphasen im Zusammenspiel und Rückkopplung mit dem globalen Aufblühen des Phytoplankton (Acritarchen) prägen diesen Zeitraum. Extreme Schwankungen des atmosphärischen CO2 sind die Folge. Die Bildung weitverbreiteter Phosphathorizonte und die Entwicklung erster biogener Hartteile (Small Shelly Fauna) stellen weitere markante Kennzeichen dieses Zeitabschnitts dar. Die Ökosysteme waren geprägt von Biofilmen und -matten, die für die Entwicklung der Biosphäre eine wesentliche Rolle spielten und dem Sedimentationsgeschehen einen anaktualistischen Charakter verliehen. Die Entwicklung der Biosphäre in diesem für die Lebensgeschichte so wichtigen Abschnitt läßt sich nur in Verbindung mit der Rekonstruktion der geochemischen Kreisläufe verstehen.

Paläogeographie des späten Präkambriums. Das Aufblühen des Phytoplankton in den Ozeanen führte zu einer starken CO2-Abnahme in der Atmosphäre und verursachten eine langanhaltende Vereisung.
Für das Präkambrium typische Mikroben-Riffe (Stromatolithe).

Die Eroberung des Festlandes: Silur und Devon

Im frühen und mittleren Paläozoikum (vor ca. 440-360 Millionen Jahren) entwickelten sich in den marinen Lebensräumen eine Fülle von spezialisierten Organismen, während die Festländer noch weitgehend "leblose Wüsten" darstellten. Neben altpaläozoischen Organismen, deren Bedeutung zunehmend schwindet, treten nun viele weiterentwickelte Formen auf, deren eng verwandte Nachkommen heute noch existieren (Abb. 7). Die erste Besiedlung des Festlandes durch "höhere" Organismen erfolgte im Silur durch die Pflanzen und die Gliederfüsser. Den Wirbeltieren gelang dieser Schritt erst im Oberdevon. In diese Zeit fällt somit der Übergang von einer rein aquatischen zu einer aquatisch und terrestrischen Biosphäre. Dadurch ergeben sich erheblich ausgeweitete und komplexere Stoffkreisläufe und Wechselwirkungen als vorher. Insbesondere die Verwitterung und der Wasserhaushalt haben sich durch den "Eingriff" der Pflanzen grundlegend geändert, was aber bislang nur im Ansatz verstanden ist.

Verteilung der Ozeane und Kontinente im Unter Devon vor etwa 380 Millionen Jahren. In dieser Zeit etablierten sich auf den Kontinenten erstmalig weit verbreitete Wälder.
Der Arthropode Mimetaster aus dem Unter-Devon des Hunsrückschiefers als Vertreter der ursprünglichen "kambrischen Fauna", die mit dem Ende des Devons weitgehend ausstirbt.

Vom "Icehouse" zum "Greenhouse": Karbon-Perm

Im Karbon (360-290 Millionen Jahre vor heute) erreichen die Landökosysteme zum ersten Mal in der Erdgeschichte eine Verbreitung, die der gegenwärtigen Situation entspricht in der Biomasse aber möglicherweise weit darüber liegt. Als Folge dieser gewaltigen Ausdehnung der Biosphäre auf dem Festland und der Speicherung von organischem Kohlenstoff in riesigen Kohlelagerstätten erreichen die atmosphärischen CO2-Konzentrationen im Verlauf des Karbon sehr niedrige, mit heute vergleichbare Werte. Der Sauerstoffgehalt und der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre waren dagegen wesentlich erhöht. Ab dem Oberkarbon kommt es deshalb zu einer ausgedehnten Vereisung der Südkontinente (Australien, Indien, Antarktis, Afrika und Südamerika). Im Laufe des Perm (vor 290-250 Millionen Jahren) bildet sich durch Verschmelzung der einzelnen Kontinentplatten der Superkontinent Pangaea. Parallel dazu erfolgt ab dem Oberperm ein kontinuierlicher Übergang von dem typischen Kühlhaus-Klima des Oberkarbon und Unterperm zu global warmen Treibhaus-Verhältnissen. Der Zeitabschnitt Karbon-Perm erlaubt somit die Analyse des Übergangs von einem Kühlhaus- zu einem Treibhaus-System, eine einmalige Situation innerhalb der letzten 450 Millionen Jahre der Erdgeschichte.

Paläogeographie von Pangäa im späten Karbon. Die gewaltigen Wälder des Karbons verursachten durch den CO2-Entzug eine großflächige Vereisung der Südhalbkugel.
Der Schachtelhalm Annularia (links) als Florenelement der Nordhemisphäre und der Nacktsamer Glossopteris (rechts) als Florenelement der Südhemisphäre.

Planet im Umbruch: Trias-Jura

In diesen relativ langen Zeitabschnitt (250-140 Millionen Jahre vor heute) fällt die tiefgreifende Umgestaltung von Pangaea durch ihren beginnenden Zerfall. Damit steht der Zeitabschnitt vermittelnd zwischen der festlandbestimmten Zeit des Perm mit seinen starken Klimakontrasten und der meerbestimmten Zeit der Kreide mit ihrem Supertreibhaus-Klima. Dies drückt sich aus im Wandel der Biosphäre, in der Ökosysteme mit paläozoischem Charakter (z.B. Schwammriffe oder Crinoiden s. Abb. 7) zunehmend von modernen Systemen (z.B. Korallenriffe oder Mollusken) abgelöst werden. Diese Organismen besiedeln erstmals oligotrophe Flachwasserregionen mit hoher Diversität und tragen entscheidend zur Karbonatproduktion bei. Der relativ hohe Kenntnisstand über die fossilen Organismen und die hohe biostratigraphische Auflösung erlauben, unter weiterem Ausbau der Datenbasis, die globale Umweltdynamik detailliert zu rekonstruieren, insbesondere das Klima, die Strömungssysteme, die Dynamik mariner und terrestrischer Ökosysteme sowie die Auswirkungen von Meeresspiegelschwankungen.

Der Zerfall von Pangäa im Zentral-Atlantik began im Mittleren Jura.
Zu dieser Zeit sind "paläozoische Faunenelemente" wie z.B. Crinoiden (Pentacrinites) noch weit verbreitet.

Die Erde im Treibhausklima: Apt bis Maastricht

Die Kreide (Apt bis Maastricht: 125-65 Millionen Jahre vor heute) ist durch die Bildung neuer Ozeane geprägt, die zur Auflösung des Superkontinentes Pangaea führen. Die hohe Aktivität der jungen ozeanischen Spreizungs-Zonen verursachte ein Meeresspiegelmaximum für das Meso- und Känozoikum mit einer hohen CO2óKonzentration in der Atmosphäre. Das Ergebnis ist ein warmes, bis in hohe Breiten ausgeglichenes Klima. Die Zirkulation im Ozean wird durch den geringen Temperaturkontrast und ausgedehnte Superschelfe sehr träge, was durch die geringen Umwälzungen immer wieder zu weitverbreiteten ozeanischen Schwarzschieferbildungen führte. Detaillierte Untersuchungen der diagnostischen Gruppen (z.B. Korallen, Mollusken, Rotalgen, planktische und benthische Foraminiferen und Radiolarien) sollen die Ursachen und Folgen dieser signifikanten Wechsel im marinen Ökosystem klären. Größere Umgestaltungen lassen sich insbesondere in terrestrischen Ökosystemen nachweisen. Hierher gehört vor allem die verstärkte Entwicklung der Angiospermen, die die Verwitterung und Pedogenese nachhaltig beeinflussen. Im Zuge der Angiospermenentwicklung gewinnen die Insekten zunehmend an Bedeutung.

Der Zerfall von Pangäa schreitet rasch voran und bildet in der Kreide ein vielfältiges Kontinentmosaik.
Auf den ausgedehnten tropisch-subtropischen Schelfbereichen wurden von großwüchsigen Muscheln (Rudisten), die z.T. in Symbiose mit phototrophen Einzellern lebten, weitverbreitete Riffe gebildet.

Umstrukturierung des globalen Ökosystems: Eozän-Oligozän

Der Übergang vom Eozän zum Oligozän (ca. 34-27 Millionen Jahre) ist durch eine deutliche Abkühlung gekennzeichnet, die die marinen wie terrestrischen Ökosysteme entscheidend verändert hat. Geodynamisch wird dieser Prozeß durch die Öffnung der Dreakepassage eingeleitet, die zur ozeanographischen Isolierung der Antarktis führte. Dadurch nahmen die Temperaturen des ozeanischen Tiefenwassers merklich ab, und es kommt zum Aufblühen kieseligen Planktons im zirkum-antarktischen Ozean, das als "Opalrevolution" in den Tiefseesedimenten überliefert wird. Vielerorts wurde das terrestrische Klima trockener, kühler und stärkeren jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen. Der Aufbau des Antarktischen Eisschildes führte zu einer Zunahme der Amplitude der Meeresspiegelschwankungen, auf die die Riffkorallen mit verstärkten linearen Zuwachsraten reagierten. Die großen Ursachen der globalen Abkühlung sind inzwischen gut bekannt, ebenso wie ihre Auswirkungen auf die Biosphäre mit einem ausgeprägten Aussterben wärmeliebender Taxa. Das Muster des Klimawechsels, der global als Übergang von einer Treibhaus- zu einer Kühlhaus-Situation zu verstehen ist, und die Rückkopplungseffekte die zu Aussterbephasen (insbesondere unter den terrestrischen Säugetieren) geführt haben, sind noch ungeklärt.

Durch die Trennung von Australien und Antarktis im Eozän begann die Bildung von kaltem ozeanischen Tiefenwasser.
Das führte zum Aufblühen des kieseligen Phytoplanktons, wie z.B. der Diatomeen .

Schlüssel zur Gegenwart: Neogen

Das Neogen (vor ca. 23 Millionen Jahre bis heute) bietet exzellente Rahmenbedingungen, um grundsätzliche Prozesse und Wechselwirkungen zwischen Geo- und Biosphäre in hochauflösenden Zeitscheiben zu untersuchen. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Frage nach der anthropogenen Einflußnahme auf Klima- und Umweltveränderungen besitzt dieser Zeitabschnitt eine besondere Relevanz. Die Lage der Kontinente und Meere war in großen Zügen ähnlich wie heute. Die Unterschiede im Detail erlauben aber Sensitivitätsstudien zum Einfluß der Paläogeographie auf Evolution, Diversität und Klima. Das Schließen der Meeresstraße von Panama vor 4,2 Mio. Jahren ist ein eindrückliches Beispiel. Dadurch wurde der verdunstungsbedingte Transport von Feuchte durch die Ablenkung des Golfstromes nach Norden in Gang gesetzt und führte in hohen Breiten zu verstärktem Schneefall. Erst die Position der Erdachse vor ca. 3 Mio. Jahre ermöglichte es, Winterschnee den Sommer über zu halten, so daß der Aufbau des Nordhemisphären-Eisschildes verzögert einsetzte. Die Zunahme der globalen Eismassen verstärkte die Meeresspiegelschwankungen (Abb. 14) und das Windregime. Als Folge zeigten die Korallen eine deutliche Beschleunigung ihres Wachstums und es traten bevorzugt Leichtbaukonstruktionen auf, die ihrerseits eine Änderung des Korallenfischgebisses bewirkten: das Pflasterzahngebiß wurde durch das Beißzangengebiß ersetzt.

 

Im Pleistozän waren weite Bereiche der Polkappen vereist
Sedimentkerne aus der Tiefsee des Nordmeeres zeigen deutlich die Pasen der Vereisungsperioden (dunkle Sedimente).

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