Narrative der Deponie. Literatur- und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf eine Entsorgungspraxis

Deutsch-Italienische Fachkonferenz am Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik vom 25. bis 27. Oktober 2018

Deponien sollen das, was weggeworfen wurde, anhäufend verbergen, bringen es aber gerade dadurch immer auch wieder zum störenden Vorschein. Jede und jeder in Deutschland und Italien wirft jährlich beinahe 500 Kilogramm an Dingen, Stoffen oder Substanzen weg, weil sie ihrer Funktion, die wir ihnen einmal zugesprochen haben, nicht mehr nachkommen. Trotzdem oder gerade weil wir das nicht mehr Gebrauchte ignorieren wollen, konzentrieren wir einen nicht unerheblichen Teil unserer Energie darauf, das Ausgesonderte mittels spezifischer sozialer Praktiken und technischer Verfahren zu domestizieren. So hat nicht nur jeder Haushalt besonders gekennzeichnete Behälter des Deponierens – Säcke, Kisten, Tonnen – und mehr oder weniger verdeckte Deponie-Orte – Keller, Dachboden, Rumpelkammer, Schublade. In makrosozialer Hinsicht zählt die Deponie als gleichfalls älteste wie einfachste und günstigste Form der Beseitigung neben thermischer Behandlung (Verbrennung, Vergasung oder Verschmelzung) und Verwertung (als systematische Sortierung oder in der Landwirtschaft) spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu den planvollen und zumindest dem Anspruch nach restlos-ordnenden Praktiken des Umgangs mit zu beseitigender Materialität.

Die Deutsch-Italienische Fachkonferenz setzt an dieser Stelle an. Sie fragt nach den kulturell-kreativen wie -problematischen Implikationen der Deponie. Dazu bringt sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zweier bisher eher getrennt voneinander operierender disziplinärer Diskurse miteinander ins Gespräch: deutsche und italienische Forscherinnen und Forscher auf dem Gebiet des Ecocriticism mit solchen der kulturwissenschaftlichen Analyse von Praktiken und Poetiken des Sammelns und Archivierens.

Die Konferenz ist öffentlich. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Die Konferenz wird gefördert vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts (AA) und dem Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften.

Der Flyer (mit Programm) und das Plakat zur Konferenz stehen rechts unter Downloads zur Verfügung.


Veranstaltungsort
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Campus Westend
IG-Gebäude
Raum 1.314 (Eisenhower-Raum)


Konzept und Organisation
Dr. David-Christopher Assmann
Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik
Goethe-Universität Frankfurt

Prof.ʼin Dr. Serenella Iovino
Dipartimento di Lingue e Letterature Straniere e Culture Moderne
Università degli Studi di Torino

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Programm

Donnerstag, 25. Oktober

15:00–15:15 Uhr
Begrüßung und Einführung durch die Veranstalter

15:15–16:45 Uhr
Lis Hansen (Münster): Vom Suchen und Finden im Müll. Die Deponie als Topos der Kontingenz
Carmela Lorella Bosco (Bari): Müllhalde, Sporen, Spuren: die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit in Marcel Beyers Roman „Spione“

16:45–17:15 Uhr – Kaffeepause

17:15–18:45 Uhr
Cesare Giacobazzi (Modena/Reggio Emilia): Ironie als Mittel der Wiederverwertung einer abgenutzten Sprache. Am Beispiel von Thomas Manns Roman Buddenbrooks
David-Christopher Assmann (Frankfurt/Turin): Poetologien des Mülls. Zu den Darstellungsoptionen der Discard Studies

19:30 Uhr – Gemeinsames Abendessen


Freitag, 26. Oktober

9:30–11:00 Uhr
Elena Agazzi (Bergamo): Beleidigte Natur, menschliches Verbrechen. Der italienische Eco-Thriller
Markus Engelns (Duisburg-Essen): Von „Deponia“ bis zum „Fallout“. Die Deponie als vieldimensionaler Ort in Videospielen

11:00–11:30 Uhr – Kaffeepause

11:30–13:00 Uhr
Sarah Schmidt (Berlin): Zwischen Depot und Deponie –  der Text am Rand von Texten und Werken: Randnotizen, Variantenapparat, Paralipomena, Parerga
Christa Grewe-Volpp (Mannheim): Saatenbanken als Orte des Sammelns und Archivierens in amerikanischen Romanen

13:00–14:30 Uhr – Mittagspause

14:30–16:00 Uhr
Benjamin Bühler (Konstanz): Persönliche Betroffenheit und globale Verantwortung: Mülldeponien in Dokumentarfilmen von Candida Brady, Fatih Akin und Lucy Walker
Serenella Iovino (Turin): Primo Levi’s Chewing Gum: Waste and Resistance in the Anthropocene

18 Uhr – Führung durch das Frankfurter Goethe-Haus

19:00 Uhr – Gemeinsames Abendessen


Samstag, 27. Oktober

9:30–11:00 Uhr
Florian Auerochs (Vechta): Pits, Ponds, and Pipes: Visuelle Kulturen der Flüssigdeponie
Martina Wernli (Frankfurt/Main): Vom Kurmittel zum giftigen Rückstand. Poetik des Quecksilbers von Jean Paul bis Minamata

11:00–11:30 Uhr – Kaffeepause

11:30–13:00 Uhr
Silvia Ulrich (Turin): Kafka recyceln
Carmen Concilio (Turin): The Legacy of Kafka: or, Re-cycling Kafka in Anglophone Literatures