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Feb 6 2013
11:10

Podiumsdiskussion des Frankfurter China-Instituts und des Exzellenzclusters „Normative Orders“ am 13. Februar 2013

Was ist mit den Menschenrechten in China?

FRANKFURT. Die Volksrepublik China erkennt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte offiziell an. Gleichwohl ist in der Presse immer wieder zu lesen, dass etwa Bundeskanzlerin Merkel oder Präsident Obama bei einem Staatsbesuch die Einhaltung der Menschenrechte anmahnen. Auf die wirtschaftlichen Beziehungen scheint das Thema gleichwohl keinen Einfluss zu haben. Die Frage jedoch bleibt: Macht sich China „objektiv“ einer Verletzung der Menschenrechte schuldig, oder interpretieren „der Westen“ und die kommunistischen Machthaber, unter Berufung auf eine spezifische chinesische Tradition, diese Rechte auf verschiedene Weise? Dann wäre vielleicht nichts mehr anzumahnen. Man müsste sich aber womöglich von der Universalität der Menschenrechte verabschieden. Auf die Erörterung dieser Gemengelage darf man gespannt sein bei der Podiumsdiskussion zum

Thema: „Menschenrechte in China“
am: Mittwoch, dem 13. Februar 2013, um 18.00 Uhr
Ort: Campus Westend der Goethe-Universität,
Gebäude „Normative Ordnungen“,
Lübecker Straße / Ecke Hansaallee

Veranstalter der Podiumsdiskussion, zu der die interessierte Öffentlichkeit herzlich eingeladen ist, sind der Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität und das China-Institut an der Goethe-Universität. Als Diskutanten konnten zwei renommierte Kenner Ostasiens gewonnen werden: Prof. Harro von Senger ist emeritierter Professor für Sinologie am Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung, Prof. Heiner Roetz lehrt Geschichte und Philosophie Chinas an der Ruhr-Universität Bochum. Komplettiert wird das Podium durch zwei profilierte Wissenschaftler der Goethe-Universität, die auch die Moderation übernehmen. Vom Exzellenzcluster Normative Ordnungen, in dessen Räumlichkeiten die Diskussion stattfindet, kommt Prof. Rainer Forst, Professor für politische Philosophie und einer der Sprecher des Clusters. Der Sinologe Prof. Iwo Amelung ist stellvertretender geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums für Ostasienstudien der Goethe-Universität.

Die Menschenrechte sind zu einer zentralen „normativen Ordnung“ der Moderne geworden. Im Westen verbindet man mit ihnen häufig einen universellen und kulturübergreifenden Geltungsanspruch. Ein Umstand wird dabei leicht übersehen, der in den Forschungsarbeiten des Exzellenzclusters zur Herausbildung normativer Ordnungen immer wieder Betonung findet: Während die westliche Welt die Menschenrechte vor dem Hintergrund eines Rechtfertigungsnarrativs versteht, das sich vor allem auf den Zivilisationsbruch durch den Nationalsozialismus bezieht, werden sie in anderen Weltregionen eher im Horizont der negativen Erfahrungen mit westlichem Kolonialismus, dem Streben nach ökonomischer Hegemonie und Ausbeutung, gewaltsamer Verbreitung einer vermeintlich höheren Zivilisation, behaupteter kultureller Überlegenheit und Paternalismus wahrgenommen. Was die Gewichtung und Interpretation einzelner Rechte anbelangt, scheinen unterschiedliche Auffassungen – so eine weitverbreitete These – auch daran zu liegen, dass beispielsweise China den Fokus auf die Entwicklung des Wohlstands und der Lebensqualität der Bevölkerung legt. Der Westen hingegen sieht in den Menschenrechten primär den Schutz des Einzelnen vor Übergriffen des Staates.

Der Schweizer Sinologe Harro von Senger, der auch promovierter Jurist ist, lenkt in seinen Veröffentlichungen zur Menschenrechtsdiskussion und zu den Menschenrechten in China den Blick auch auf die Position der Volksrepublik: In China herrsche, so von Senger in einer Studie, zumindest von offizieller Seite der Eindruck, dass „der Westen zwar unter dem Banner des Universalismus scheinbar neutral und unparteiisch für ‚die’ Menschenrechte eintrete. In Wirklichkeit instrumentalisiere er aber insgeheim die Menschenrechtsfrage zur moralischen Verbrämung einer beinharten partikulären Interessenpolitik“. Von Senger selbst spricht westlichen Politikern das alleinige Auslegungsrecht zu Inhalt und Tragweite von Menschenrechten ab. Man müsse sehen und anerkennen, dass in China andere Rechte im Mittelpunkt stünden, beispielsweise soziale Rechte und das Recht auf Entwicklung.

Auch Heiner Roetz von der Ruhr-Universität weiß, dass die chinesische Führung eine Umsetzung von Menschenrechten vor allem damit verbindet, die nationale Entwicklung durch den Staat zu organisieren, um die materielle Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. „Mit dem Fokus auf das Kollektiv wird der ursprüngliche Gedanke der Menschenrechte allerdings ausgehöhlt, denn die Entwicklungspolitik ist ihrerseits nicht mehr an Standards des individuellen Rechtsschutzes kontrollierbar“, so Roetz in einem Aufsatz. Eine ähnliche Aushöhlung finde aber statt, „wenn Menschenrechte auf Freiheitsrechte reduziert werden und die soziale Gerechtigkeit außer Acht bleibt.“ Der Sinologe sieht im Konfuzianismus Anknüpfungspunkte für ein modernes Menschenrechtsdenken. Und schließlich: „Entscheidend ist nicht, wer die Menschenrechte auf seinem historischen Konto verbuchen zu können meint. Entscheidend ist, wer ohne Anmaßung überhaupt in ihrem Namen sprechen kann.“

Informationen: Prof. Iwo Amelung, Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien, Tel.: 069-798-22897, Amelung@em.uni-frankfurt.de, www.izo.uni-frankfurt.de, www.china-institut.info; Prof. Rainer Forst, Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, Tel.: 069-798- 31540, Sekretariat.Forst@soz.uni-frankfurt.de, www.normativeorders.net