Helene (Hel) Braun (1914 – 1986)

Die Mathematikerin Helene Braun gehört zu den ersten Frauen, die auf eine Professur für Mathematik berufen wurden – allerdings erst mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrer Habilitation.

Helene Braun, gerufen Hel, wurde am 3. Juni 1914 in Frankfurt geboren. Sie beschreibt sich als eigensinniges Mädchen, das sich lieber zu Hause mit Büchern selbst etwas beibrachte, als in der Schule zu glänzen. Ihre mathematische Begabung fiel dennoch auf. Das Universitätsstipendium, für das sie ein Lehrer vorgeschlagen hatte, bekam sie jedoch nicht. Deshalb schrieb sie sich 1933 an der Goethe-Universität für das Fach Versicherungsmathematik ein – ein Kurzstudium. Die Studentin wollte möglichst bald auf eigenen Füßen stehen, denn das bescheidene Familieneinkommen, der Vater war Turnlehrer, die Mutter Hausfrau, musste noch für fünf Geschwister reichen. Wegen der „Fleißzeugnisse“, die sie jedes Semester für zusätzliche Prüfungsaufgaben erhielt, wurden ihr die Studiengebühren erlassen.

An der Universität geriet Helene Braun bald in Konflikt mit der NS-Studentenschaft. Sie engagierte sich für den Boykott der Vorlesungen eines, wie sie in ihren Lebenserinnerungen schreibt, „sehr linientreuen“ Dozenten. Nach einer Verwarnung ging sie 1935 an die Universität Marburg, kehrte aber schon nach kurzer Zeit zurück, als ihr Carl Ludwig Siegel, bei dem sie in Frankfurt Zahlentheorie gehört hatte, eine Doktorarbeit anbot. 1937 promovierte sie mit 23 Jahren „Über die Zerlegung quadratischer Formen“. Ihr Doktorvater war vor dem Zweiten Weltkrieg der in Frankfurt alles überragende Mathematiker.

Carl Ludwig Siegel war aber nicht nur ihr Förderer, sondern wurde wenig später für einige Zeit auch ihr Lebensgefährte. 1938 folgte Hel Braun ihm an die Universität Göttingen, wo sie sich als 27-Jährige auf dem Gebiet der analytischen Zahlentheorie habilitierte. Zunächst als Assistentin angestellt, wurde sie 1947 zur Professorin ernannt. Es folgten Forschungsaufenthalte in Princeton und Kopenhagen, bis sie Anfang der fünfziger Jahre an die Universität Hamburg ging. Dort wurde sie 1965 auf eine außerordentliche und drei Jahre später schließlich auf eine ordentliche Professur berufen. Anders als Ruth Moufang, die 1957 die erste Lehrstuhl-Inhaberin für Mathematik in Deutschland an der Universität Frankfurt war, fühlte sich Helene Braun von Kollegen stets als gleichwertig akzeptiert. Über einen Austausch mit ihrer sieben Jahre älteren Kollegin während der gemeinsamen Frankfurter Zeit schreibt Helene Braun: „Ich erinnere mich an ein längeres Gespräch mit ihr – heute würde man sagen: über die Diskriminierung der Frau. Mich hat das nie auf die Barrikaden getrieben.“

Kristina Vaillant

Helene Braun lebte 1937 in der Merianstr. 42

Merianstraße 42,
60316 Frankfurt am Main,
Innenstadt