Frobenius, Leo

Leo Frobenius (1873-1938) war eine schillernde, ambivalente und doch faszinierende Persönlichkeit: Abenteurer und Afrika-Entdecker, Ethnologe und Kulturphilosoph, Irrationalist und Antimodernist, Monarchist und Militarist, Schulabbrecher und Autodidakt, Schwärmer und Schwindler. Der Quereinsteiger in die akademische Welt war – wie viele seiner Zeit – getrieben von der Vorstellung, sich mit aller Kraft gegen Modernisierung und Rationalisierung stemmen zu müssen. Und in Afrika schien er all das in den Mythen, Masken und Malereien zu finden, was in Europa an Wert verlor. Frobenius konnte sich gerade deswegen an der exotischen Kunst und Kultur Afrikas berauschen, weil sie weder Zweckdenken noch Wirtschaftlichkeit zu folgen schien.

Trotz seiner umstrittenen fachlichen Reputation setzten die Frankfurter Gegenmodernisten um den Altphilologen Walter F. Otto und den Gräzisten Karl Reinhardt durch, dass Frobenius Mitte der 1920er Jahre einen vergüteten Lehrauftrag an der Universität bekam und – nachdem ein ähnliches Vorhaben in München gescheitert war – seine umfangreichen Sammlungen, erworben während sieben aufwendiger Afrika-Expeditionen, freundliche Aufnahme in der Stadt am Main fanden.

Mit seiner „Kulturmorphologie“ als Methode der Welterklärung befand sich Frobenius in bester Gesellschaft – nicht nur an der Universität Frankfurt. Das griechische Kunstwort Paideuma, im Sinne einer Werden und Vergehen durchlaufenden Kultur-Bildung verstanden, wurde zu seinem Leitbegriff bei dem Bestreben, den Reichtum der Kulturgeschichte auch in den letzten Winkeln der Erde zu dokumentieren. So schrieb er: „Sobald dieses Werk vollendet sein wird, hat die Menschheit das große Werkzeug gewonnen zur Befreiung von der mechanistischen Tatsachenlast, die jetzt auf ihren Schultern ruht.“ Während der Unabhängigkeitsbestrebungen der afrikanischen Staaten galt Frobenius als Ideenspender für ein neues Afrikabild, das auf kultureller Eigenleistung und Eigenwertigkeit gründete.

Frobenius' Vorstellungen bestimmten die deutsche Ethnologie bis in die 1960er Jahre hinein; dann setzten sich auch hier ein rationales Wissenschaftsverständnis und die „soziologische Wende“ durch. Trotz aller Verständnisprobleme, die sich heute auftun, hat Frobenius seinen Platz in der Ahnengalerie der ersten Bürgeruniversität Deutschlands verdient.

(UJ und BS)

Leo Frobenius lebte von 1930 bis 1935 am Untermainkai 4

Untermainkai 4,
60311
Frankfurt am Main,
Innenstadt