1. Die Kaukasiologie
gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in
wenigen Sätzen vor.
Die Kaukasische Sprachwissenschaft oder Kaukasiologie ist
eine Disziplin, die sich mit den Kaukasischen Sprachen und den im Kaukasus
entstandenen und bis heute existierenden Kulturen beschäftigt. Zu den
Kaukasischen Sprachen gehören ca. 40 Sprachen, die in drei Gruppen eingeteilt
werden: Westkaukasische, Südkaukasische und Ostkaukasische Sprachen. Einige von
ihnen, wie z.B. das Ubyschische, sind bereits ausgestorben, viele sog. „kleine“
Sprachen wie das Udische, Batsische oder Chinalugische sind stark bedroht. Im Rahmen
der Kaukasiologie beschäftigen wir nicht nur mit den Sprachen, die
jahrhundertlange schriftliche Traditionen haben und sehr gut dokumentiert sind,
wie z.B. das Georgische, sondern auch mit den Sprachen, die vor dem Aussterben
stehen und dringend dokumentiert werden müssen, wie z.B. im Falle des Udischen
oder Batsischen. Unser Schwerpunkt bietet den Studierenden die Möglichkeit,
nicht nur Sprachkurse zu belegen (z.B. Georgisch, Altgeorgisch, Megrelisch, Svanisch,
Udisch, Kaukasisches Albanisch, Avarisch), sondern veranstaltet auch typologisch
relevante Seminare wie Spezialprobleme der Kaukasiologie, Einführung in der
Kaukasische Sprachwissenschaft, Vergleichende Kartvelologie, Ergativität,
Grammatische Kategorien in den Kaukasischen Sprachen (Negation, Modalität), Sprachdokumentation
usw. Unsere Studierenden erhalten auf
diese Weise nicht nur Kenntnisse in Einzelsprachen, sondern auch allgemein-linguistische
Kompetenz in Vergleichender Sprachwissenschaft.
2. Was
zeichnet Ihr am Standort Frankfurt besonders aus?
Die Goethe Universität in Frankfurt ist die einzige Universität in
Deutschland, die die Kaukasiologie auf einen zeitgemäßen Lehr- und
Forschungsstand gebracht hat. Wir stehen dafür ein, moderne Technologien für
die Erforschung und Verarbeitung digitaler Ressourcen zu entwickeln, die an die
Morphologie und Syntax der Kaukasussprachen angepasst sind. Seit mehreren
Jahrzehnten bemühen wir uns intensiv um die Entwicklung einer digitalen
Kartvelologie. Der größte Teil unserer Arbeit wurde im Rahmen internationaler
Kooperationsprojekte geleistet. Seit 1999 haben wir mit verschiedenen
Einrichtungen in Georgien zusammengearbeitet, wie der Staatlichen Universität
Tbilisi, der Staatlichen Universität Batumi, der Ilia-Universität, dem
Nationalen
Kekelidze-Handschriftenzentrum, der Nationalen Parlamentbibliothek
Georgiens, der Georgischen Wissenschaftsbibliothek, dem Chikobava-Institut für
Sprachwissenschaft, dem Georgischen Nationalmuseum und anderen. Ein wichtiger
Aspekt der digitalen Entwicklung der Kartvelologie ist auch die Einbindung von
Nachwuchswissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftlern in die oben genannten Aufgaben. Zu diesem
Zweck haben wir seit 2012 in Zusammenarbeit mit der Universität Batumi
internationale Sommerschulen zu folgenden Themen durchgeführt: Digitale
Geisteswissenschaften, Korpuslinguistik und spezielle Probleme der
Kartvelologie, Dokumentation von Sprachen und Kulturen, Digitale Kartvelologie,
Digitale Kaukasiologie. Die Entwicklung einer digitalen Kaukasiologie umfasst
in unseren Augen drei wesentliche Komponenten: die Erstellung von "Big
Data" für die „Caucasian Studies“, die Entwicklung moderner Technologien
für die Verarbeitung der Kaukasischen Sprachen und die Vorbereitung einer
jüngeren Generation von Wissenschaftlern, die die Digitalisierung der Caucasiologie
fortsetzen werden. Federführend haben z.B. wir das Georgische Nationalcorpus
entwickelt (gnc.gov.ge), das mit 220 Mio. Wörtern eines der umfangreichsten
Textcorpora weltweit ist.
3. Womit
beschäftigen Sie sich aktuell in Ihrer Forschung?
Unsere Studierenden sind schon
beim Studium stark in die Forschung involviert. Als Beispiel dafür kann das laufende
studentische Projekt „Rustaveli goes digital“ genannt werden – gemeinsam mit
den Studierenden unseres Instituts haben wir ein prototypisches Parallelkorpus
der Übersetzungen von Shota Rustavelis Epos „Der Recke im Tigerfell“ in 17
Sprachen angelegt. Dieses Korpus, das das Epos in 55 Sprachen umfassen wird,
stellt die Grundlage für eine digitale Rustvelologie dar und eröffnet neue
Perspektiven für die Internationalisierung der Kartvelologie. Um die neue
Generation im Hinblick auf die Digitale Kaukasiologie weltweit zu betreuen,
haben wir bei der Volkswagen-Stiftung das Projekt „Summer Schools in Digital
Caucasiology“ eingeworben. Den ersten Abschnitt dieses Projekt haben wir in
Zusammenarbeit mit der Staatlichen Universität Batumi vor wenigen Wochen erfolgreich
in Batumi abgeschlossen (1.-8. Oktober,
62 Teilnehmer). Der zweite Abschnitt wird nächstes Jahr an der Goethe-Universität
in Frankfurt stattfinden. Wir beabsichtigen, diese Sommerschule mit einer wissenschaftlichen
Konferenz „Digital Caucasiology – new ways and methods of research“ zu
kombinieren. Parallel arbeiten wir an dem Aufbau des Subkorpus „Politische
Texte“ für das Georgischen Nationalkorpus, um die Möglichkeit für thematische Untersuchungen
in diesem Spezialgebiet zu schaffen.
4.
Was erwartet diejenigen, die sich für ein Studium der Kaukasiologie entscheiden?
Die Studierenden der Empirischen
Sprachwissenschaft mit dem Schwerpunkt Kaukasische
Sprachwissenschaft können breites Wissen über die kaukasischen Sprachen und
Kulturen sowie und tiefgreifende wissenschaftliche Kompetenz erwerben, die sie in vergleichenden
und typologischen Untersuchungen einsetzen. Die Vielfalt der grammatischen
Kategorien, durch die die kaukasischen Sprachen gekennzeichnet sind, wie z.B.
morphologisch markierte organische und nichtorganische Possessivität, Involuntativität,
Polypersonalität, Klassen- und Personalkongruenz usw., sind in vielerelei
Hinsicht einzigartig und wertvoll für die Allgemeine und Vergleichende
Sprachwissenschaft.
5.
Nennen Sie uns drei Gründe, warum es aus Ihrer Sicht eine gute Entscheidung ist,
Kaukasiologie zu studieren.
- Kaukasiologie ist ein kleines,
aber exotisches Fach, das für die vergleichende und typologische Sprachwissenschaft
von großer Bedeutung ist.
- Der Kaukasus stellt sowohl
sprachlich als auch kulturell eine höchst interessante Region dar, die zwischen
Europa und Asien liegt und mentale und kulturelle Züge des Orients wie auch des
Okzidents in sich trägt. Die hier beheimateten Sprachen und Kulturen bilden einen
Schmelztiegel, dessen Erforschung ein wichtiges Objekt interdisziplinärer
Forschung sein kann.
- Die Kaukasiologie ist sehr gut ausgestattet für die
moderne Forschung: wir haben „Big data“ und moderne technologische Verfahren
entwickelt und veranstalten regelmäßig Sommerschulen in Digital Humanities und Digital
Caucasiology, Wir sind sehr gut mit den Wissenschaftlichen und Akademischen
Institutionen im Kaukasus vernetzt, was die Mobilität der Studierenden
ermöglicht. Zur Zeit befindet sich z.B. eine von unseren Doktorandinnen als DAAD Stipendiatin in Georgien, an der
Staatlichen Universität Tbilisi.