Über uns

Schon der Name des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Goethe Universität Frankfurt signalisiert, dass das Institut zwei wissenschaftliche Traditionen in Lehre und Forschung miteinander verbindet: Es betreibt Europäische Ethnologie unter einer anthropologischen Perspektive bzw. Kulturanthropologie in europäischen Forschungsfeldern. Beide Traditionen vereint die Frage, wie Menschen ihr Zusammenleben in modernen Gesellschaften organisieren, welche Beziehungen zu ihrer sozialen wie ihrer natürlichen Umwelt sie eingehen und welche Bedeutungen Menschen diesen Beziehungen zuschreiben.

Im Zentrum unserer Forschungen stehen dabei kulturelle und gesellschaftliche Wandlungsprozesse, die neue Entwicklungen auslösen: Migration und andere Mobilitätsformen vervielfältigen die Möglichkeiten von Kontakten und Konflikten; digitalisierte Kommunikations- und Speichermedien verändern die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, wie sie Neues in die Welt bringen oder Vergangenes im Gedächtnis behalten; rasch fortschreitende Wissensentwicklungen und die Durchdringung aller Lebens-, Arbeits- und Politikbereiche mit wissenschaftlichem Wissen bringen neue Handlungsmöglichkeiten ebenso wie Verunsicherungen und Risiken im Umgang mit Gesundheit und Körperlichkeit, mit Umwelt und mit Formen der Lebensgestaltung.

Diese gesellschaftlichen Wandlungsprozesse untersuchen wir anhand konkreter Forschungen und stellen dabei immer eine Verbindung zwischen empirischer, ethnografischer Forschung und grundlegender Theoretisierung her. Anthropologische Forschung zielt dabei nicht auf generalisierende Erklärungen, sondern problematisiert pauschale Deutungen und bietet Empfehlungen an, die auf unterschiedliche Situationen abgestimmt sind.

Um diese Prozesse zu analytisch zu beschreiben, arbeiten wir mit einem anthropologischen Kulturbegriff, der Kultur als Prozess und Produkt des Alltagslebens gesellschaftlicher Akteure versteht. Dieser Fokus auf Alltagspraxis ist zudem geprägt von Ansätzen, wie sie in den letzten Jahren in den Science and Technology Studies entwickelt wurde, einem interdisziplinären Forschungsfeld, das sich mit der Produktion wissenschaftlichen Wissens, dessen vielfältige Ausbreitung in unterschiedliche Gesellschaftsbereiche ebenso beschäftigt wie mit dem Umgang mit Technik und den Auswirkungen auf Sozialität, politische Prozesse und Formen des Zusammenlebens in gegenwärtigen Gesellschaften.

Entsprechend dieser Schwerpunkte bietet das Institut zwei Studiengänge an: einen BA-Studiengang Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie und einen englischsprachigen MA-Studiengang Science and Technology Studies. Economies, Governance, Life.

Das Institut stellt sich im Video vor

Im Video sprechen ehemalige Professor*innen, Mitarbeiter*innen, aber auch ehemalige Studierende über die Themenschwerpunkte und die Vorteile Kulturanthropologie und Science and Technology Studies hier in Frankfurt zu studieren. Das Video können Sie auf Youtube ansehen.

1974, sechzig Jahre nach der Gründung der Goethe-Universität, erschien ein neuer Name in den Institutslisten der Frankfurter Universität: "Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie“. Der bis dahin geführte Lehrstuhl für Volkskunde wurde aber nicht lediglich umbenannt: mit der Namenänderung gingen tiefgreifende und innovative Veränderungen einher, die durch die neu berufene Professorin Ina-Maria Greverus eingeleitet wurden. Sie führte ein neues Lehr- und Forschungsprogramm ein, das auf dem aktuellen Forschungsstand in der internationalen Sozial- und Kulturanthropologie aufbaute und die vergleichende Analyse moderner Gesellschaften, sowohl innerhalb Europas als auch über den europäischen Kontext hinaus, zum Gegenstand hatte.

Bezeichnend für den Neuanfang, der sich deutlich von der alten Volkskunde abgrenzte, war die Betonung von Reflexivität und Kulturkritik in der eigenen Gesellschaft, die immer “die kulturellen Chancen der Menschen in Relation zu ihrer Kulturfähigkeit und -abhängigkeit, deren gesellschaftlich historischer Dimension und den konkreten Handlungsräumen“ analysierte.

Diese Ansätze konnten seit 1998 mit der Berufung von Gisela Welz als Nachfolgerin von Ina-Maria Greverus weitergeführt und -entwickelt werden; die internationale Kooperation in Forschung und Lehre wurde ausgebaut. Die Berufung von Manfred Faßler im Jahr 2000 auf die zweite Professur am Institut eröffnete dem Institut die Chance, einen Lehr- und Forschungsschwerpunkt Medienkulturen neu einzuführen und aufzubauen

Wegweisend war seit Gründung des Instituts das Motto des "forschenden Lernens", das bis heute zentrales Element der hier praktizierten Lehre ist. Dabei ging es von Beginn an darum, Studierende möglichst frühzeitig in laufende Forschungsprojekte zu integrieren und gemeinsam wissenschaftliche Fragestellungen zu entwickeln. Auf dieser Basis entstanden eigene empirische Untersuchungen der Studierenden, die von Lehrkräften intensiv betreut wurden und in einem mehrsemestrigen Projektrahmen integriert waren. Aus diesen Anfängen entstand ein über die Jahre gereiftes didaktisches Instrumentarium, das einen Forschungsprozess Schritt für Schritt von der ersten Problemstellung bis hin zum als wissenschaftlichem Artikel veröffentlichten Abschlussbericht anleitet und begleitet.

Neue Themen sind über die Zeit hinzugekommen: aktuelle Fragestellungen zu Globalisierung, Migration, Stadtentwicklung, europäischer Integration oder zur Nutzung digitaler Medien und den Informationspraktiken medizinischer Laien sind in den letzten Jahren bearbeitet worden. Die Ergebnisse wurden in Aufsatzbänden, in denen Studierende ihre ersten Veröffentlichungen publizieren, der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Reihe "Kulturanthropologie Notizen" umfasst mittlerweile über 80 Bände, viele davon entstanden im Kontext der mehr als einhundert Lehrforschungsprojekte, wie die Lernform des forschenden Lernens heute heißt.

Seit dem Jahr 2021 erscheinen die Kulturanthropologie Notizen unter open access-Bedingungen und knüpfen an aktuelle Forschungsthemen an, insbesondere an der Schnittstelle zwischen der Kulturanthropologie und Europäischen Ethnologie mit dem interdisziplinären Forschungsfeld der Science and Technology Studies.

Der Wissenstransfer zwischen Universität und Öffentlichkeit, der von Beginn an integraler Bestandteil der Ausbildung der Studierenden war und neben den Veröffentlichungen auch Podiumsdiskussionen, Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen und Radiosendungen umfasste, konnte mit dem verstärkten Engagement der Hochschule in außeruniversitären gesellschaftlichen Umsetzungsbereichen (der sogenannten "Third Mission" der Universität) wieder stärker in den Vordergrund rücken.

Ein wichtiger weiterer Schritt in der Neuausrichtung des Forschungsprogramms und insbesondere in der Lehre des Instituts gelang im Jahr 2017 mit der Einführung eines neuen MA-Studiengangs Science and Technology Studies. Economies, Governance, Life, der in enger Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Humangeografie und der Soziologie entwickelt wurde und angeboten wird. Mit diesem besonderen Schwerpunkt auf interdisziplinäre Forschung zu wissenschaftlicher Wissensproduktion und Technologieentwicklung und Nutzung konnte zum einen an die bestehende langjährige Expertise des Instituts in diesen Bereichen angeknüpft werden; und zum anderen können so wichtige aktuelle Impulse aufgegriffen werden, die international von der Schnittstelle zwischen Science and Technology Studies und Anthropologie ausgehen.