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Theodor Herzls dramatisches Werk. Eine kommentierte Edition seiner Stücke

Forschungs- und Editionsprojekt von Dr. Heike Breitenbach

Theodor Herzl, der Begründer des politischen Zionismus, war im Hauptberuf Journalist und Schriftsteller. Als Feuilletonredakteur, Paris-Korrespondent der Wiener Neuen Freien Presse und schließlich als Feuilletonchef der Neuen Freien Presse in Wien, zu dieser Zeit die führende überregionale Tageszeitung des Habsburger Reiches, war Herzl äußerst erfolgreich. Besonders mit seinen Feuilletons konnte er sich einen Namen machen.

Seine große Leidenschaft galt jedoch dem Theater und seiner Tätigkeit als Theaterschriftsteller. Diese Seite Herzls ist heute nahezu vergessen. Zwischen 1880 und 1901 verfasste Herzl 20 Theaterstücke und mehr als zehn Entwürfe für weitere Stücke. Die meisten von ihnen sind Komödien, angesiedelt im bürgerlichen Familienmilieu um 1900. In einigen seiner Dramen setzte sich Herzl aber auch mit der »Judenfrage« auseinander, die um 1900 vermehrt und zunehmend aggressiv-polarisierend diskutiert wurde. Seine früheste Beschäftigung überhaupt mit der Situation der Juden in seiner Zeit und damit auch mit seiner eigenen jüdischen Identität fand in einem Drama, Das neue Ghetto, statt.

Herzls Erfolg als Theaterdichter war wechselhaft. Etliche seiner Stücke waren durchaus erfolgreich und wurden auf Bühnen in Deutschland, Österreich und anderen Teilen des Habsburger Reiches aufgeführt, darunter an so prestigeträchtigen Theatern wie dem Burgtheater in Wien, dem Deutschen Theater in Berlin und dem Deutschen Theater in Prag. Mit ihnen erlangte Herzl durchaus Ruhm und Popularität als Bühnenschriftsteller, vor allem in Wien. Andere Stücke hingegen wurden von Theateragenturen oder Theaterdirektoren abgelehnt.

Herzls Stücke repräsentieren hauptsächlich sein vor-zionistisch literarisches Wirken in der Ära des sogenannten Jung Wien. Seine Bedeutung als eine führende Persönlichkeit in den künstlerischen Kreisen Wiens war beträchtlich. Herzl war es zum Beispiel, der als erster das Talent des jungen Stefan Zweig bemerkte.

Unter seinen letzten Werken finden sich einige Stücke, die Herzls erwachtes politisches und soziales Bewusstsein im Allgemeinen und seine Beschäftigung mit der »Judenfrage« im Besonderen reflektieren. Damit geht ein Reifeprozess in Herzls Schreiben einher, das teilweise auch bereits die Gattung des zionistischen Lustspiels antizipiert. Mit Ausnahme von zwei »zionistischen« Stücken sind Herzls Theaterstücke der Wissenschaft oder einem breiteren Publikum heute nicht mehr zugänglich, da sie nach seinem Tod nicht wieder aufgelegt wurden und heute zerstreut in verschiedenen Bibliotheken und Archiven in Israel und Deutschland liegen. Somit ist ein Kernstück von Herzls Werk noch unentdeckt.

Die kommentierte Ausgabe der Theaterstücke Theodor Herzls versammelt erstmals das gesamte dramatische Werk Herzls in einer Ausgabe. Eine allgemeine Einleitung führt in Herzls literarisches Schaffen ein mit dem Ziel, eine neue und andere Sicht auf seinen Charakter zu eröffnen, als nur die des Begründers des politischen Zionismus, während sie gleichzeitig bestrebt ist, die Wechselbeziehung zwischen Theodor Herzl dem Dramatiker und dem Politiker herauszuarbeiten. Die Einführung nimmt dabei u.a. eine Zusammenfassung und Einordnung des schriftstellerischen Lebens Theodor Herzls vor, untersucht Herzls Selbstverständnis als Theaterschriftsteller und betrachtet die Rezeption des Bühnenautors Theodor Herzl; zum Abschluss widmet sich die Einleitung der Frage einer theatralischen Begegnung zwischen dem Komödienautor Theodor Herzl und der Gründung der zionistischen Bewegung auf dem Ersten Zionistenkongress in Basel 1897. Der auf die Einleitung folgende Hauptteil der Edition bietet die Stücke Herzls nach dem Erstdruck. In einem dritten Teil wird jedes Stück in einem Kommentar erläutert, der hauptsächlich die Entstehungsgeschichte, Aufführungsgeschichte und Rezeptionsgeschichte der Stücke analysiert.

Theodor Herzls Theaterstücke:

Compagniearbeit. Lustspiel in einem Act, Wien: Wallishauersche Buchhandlung 1880.
Die causa Hirschkorn. Lustspiel in einem Act, Wien: Im Selbstverlag 1882.
Die Enttäuschten. Komödie in vier Acten, 1883.
Tabarin. Schauspiel in einem Act. Frei nach Catulle Mendès, Berlin: Felix Bloch Erben 1885 [1884].
Muttersöhnchen. Lustspiel in vier Acten, Wien: Im Selbstverlag 1885.
Seine Hoheit. Lustspiel in drei Acten, Wien: Im Selbstverlag 1886.
Der Flüchtling. Lustspiel in einem Aufzug, Leipzig: Philipp Reclam jun. (Universalbibliothek Nr. 2387) 1887.
Der Schwanenhals. Lustspiel in drei Acten, 1888.
Wilddiebe. Lustspiel in vier Acten, anonym gedruckt, Berlin: Felix Bloch Erben 1889.
[gemeinsam mit Hugo Wittmann]
Was wird man sagen? Lustspiel in vier Acten, Wien: Gabor Steiner 1890 [1889].
Des Teufels Weib. Phantastisches Singspiel in drei Acten und einem Vorspiel. Musik von Adolf Müller jun. [Text] frei nach Meilhac und Mortier, bearb. von Theodor Herzl; Hamburg: Musik-Verlag von August Cranz 1890.
Die Dame in Schwarz. Lustspiel in vier Acten, Berlin: A. Entsch 1891 [1890].
[gemeinsam mit Hugo Wittmann]
Prinzen aus Genieland. Lustspiel in vier Acten, Wien: A. Entsch 1891.
Die Glosse. Lustspiel in einem Act, Dresden, Leipzig u. Wien: E. Pierson’s Verlag 1895 [1894].
Das Neue Ghetto. Schauspiel in vier Akten, Wien: Verlag der Welt 1897 [1894].
Unser Käthchen. Lustspiel in vier Acten, Wien: Im Selbstverlag (Administration »Die Welt«) 1899 [1898].
Gretel. Schauspiel in vier Acten, Berlin: Felix Bloch Erben 1900 [1899].
I love you. Lustspiel in einem Act, Wien: Im Selbstverlag 1900.
Im Speisewagen. Ein elegischer Schwank, Jüdischer Almanach, Berlin 1902.
Solon in Lydien. Ein Schauspiel in drei Acten, Wien u. Leipzig: Wiener Verlag 1904 [1901].