Übersicht der Projektseminare 2022

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Kult oder Kunst? Religion(en) im Museum
Ist eine russische Ikone ein Kunstwerk oder ein Kultgegenstand? Entweiht man ein Ritualobjekt durch eine Ausstellung im Museum oder besitzen religiöse Objekte eine unantastbare sakrale Aura? Wie wird Religion genutzt, um im Museum Narrative vom Eigenen und Fremden zu erzeugen?
Mit solchen und ähnlichen Fragen werden wir uns im Laufe des Semesters in die Frankfurter Museumslandschaft stürzen. Jeder Themenblock (u.a. Kult-Ästhetik, religiöse Identität, koloniales Erbe) wird mit einer Exkursion in eine passende Ausstellung abgeschlossen. Als persönliches Projekt wählen die Studierenden ihr „Lieblingsobjekt“, das sie in seinen Facetten erforschen und zum Abschluss des Semesters präsentieren
Einführung in die vgl. Nordafrika- und Westasien-Forschung: Staat, Zivilgesellschaft und internationale Akteure - Selbst- und Fremdkonstruktionen einer geopolitisch wichtigen Region

Die Revolutionen der Jahre 2010 und 2011 in den Ländern Nordafrikas und Westasiens waren mit großen Hoffnungen auf Veränderung der Lebensumstände der Menschen verbunden. Nach mehr als zehn Jahren ist heute klar, dass die meisten Revolutionen vorerst zum Stillstand gekommen sind: Autoritäre Strukturen bleiben erhalten, Staaten zerfallen, neue nicht-staatliche Akteure, die ihr Handeln mit einer ultra-konservativen Lesart des Islams legitimieren, treten vermehrt in Erscheinung und über allem schweben die geostrategischen Interessen externer Akteure.

Während die Menschen vor Ort ihre Aufstände als Revolutionen feierten, sich in sozialen Bewegungen und Netzwerken organisierten, herrschte in hiesigen Diskursen zwar Anteilnahme und Begeisterung, zugleich jedoch auch Überraschung über die gesellschaftliche Dynamik angeblich verkrusteter Gesellschaften, die seit Jahrzehnten unter autoritären Strukturen leiden. Es dauerte nicht lange, da wurde diese Begeisterung mit der Angst vor einem „Arabischen Herbst“ und einer „Islamisierung“ der Aufstände konterkariert.

Dieses Seminar will einen Einstieg in die Regionalforschung geben und zugleich wichtige Konzepte der Sozialwissenschaften einführen. Dabei will es die Komplexitäten der sozio-politischen Realität dieser wichtigen Region reflektierend in die Analyse einbeziehen und etablierte, eurozentrische Narrative über den „Nahen Osten“, „den Islam, die angebliche Demokratieunfähigkeit dieser Staaten etc. einreißen. Dazu ist es notwendig, die historische Gewordenheit staatlicher Strukturen, (zivil)gesellschaftlicher Entwicklungen sowie internationaler Interessen zusammen zu denken.

Wichtiges Element dieses Seminars wird deshalb eine kontinuierliche Arbeit am Begriff sein, das Hinterfragen scheinbar unverrückbarer Wahrheiten über die „orientalischen Anderen“ und die Frage nach Möglichkeiten der Veränderung.

Grenzen des Selbst
Wer bin ich? Wer sind die anderen um mich herum? Inwiefern bedingen wir uns gegenseitig? Gäbe es mich, wenn es die anderen nicht gäbe? Und bin auch ich ihre Voraussetzung? Welche Bedeutung hat es dabei, dass ich ein körperliches Wesen bin und mit diesem Körper zu anderen in Kontakt trete? Wo liegen die Grenzen meines Körpers?
In der Verbindung von philosophischer und sportsoziologischer Perspektive werden wir in unserem Seminar Antworten auf die oben genannten Fragen zu finden versuchen. Dabei wird im Mittelpunkt stehen, zu diskutieren, wo die Grenzen des eigenen Selbst liegen und wo die der anderen. Zudem werden wir uns damit auseinandersetzen, wie Körper entstehen und in welchem Zusammenhang das verkörperte Selbst mit der Gesellschaft steht, von deren Normen und Verboten es beeinflusst ist.
Im Seminar werden wir wöchentlich wissenschaftliche Texte lesen, dann besprechen und mit Beispielen aus dem Alltag in Verbindung bringen. Das Tutorium wird die Gelegenheit bieten, begonnene Diskussionen noch vertiefend weiterzuführen. Den Abschluss bildet ein Projekt, in dem eine eigene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem verkörperten Selbst in (post)modernen Gesellschaften begonnen werden kann.


Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Kolonialismus und Rassismus? Wie hängt Rassismus mit Sprache, Wissen und Macht zusammen? Wo begegnen wir Rassismus im täglichen Leben? Diese Fragen stehen im Projektseminar im Vordergrund und schärfen den Blick auf alltäglich gezogene Dichotomien zwischen dem vermeintlich ‚Eigenem und Fremden‘ hin zu einer strukturellen Betrachtung von Ungleichheiten und Machtverhältnissen. Nach der historischen und globalen Einbettung des Themas werfen wir den Blick auf postkolonialen Widerstand in Städten, rassistische und eurozentrische Inhalte im Bildungssystem, kritische Weißseinsforschung sowie Repräsentation von Schwarzen Menschen und People of Color in Deutschland.

Schreibende Reisende. Identität und Alterität aus literaturwissenschaftlichen und ethnologischen Perspektiven (Arbeitstitel)

Ziel des Seminars ist es Literaturwissenschaften und Ethnologie sowie ihre Methoden in ihren Grundzügen vorzustellen und einen ersten Blick auf interdisziplinäre Synergien und Schnittstellen zu werfen. Mit einem regionalen Schwerpunkt auf ‚den Amerikas‘ werden wir uns mit textuellen Darstellungen des „Eigenen“ und des „Fremden“ und ihrer Rolle im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext auseinandersetzen.

Zu den zentralen thematischen Achsen, die wir im Laufe des Semesters betrachten wollen, gehören: Reiseliteratur im Laufe der Zeit; Ethnologie und Tourismus; Mobilität und Ethnographie als literarische Mittel; Fortschreibung von Exotisierung und Machtverhältnissen; Inszenierung von sozialen Kategorisierungen und ihre Überschneidungen, …

In den wöchentlichen Seminarsitzungen (online) sind neben Textdiskussionen und Inputs der Dozentinnen auch Gruppen- und Reflexionsaufgaben geplant. Ab Mitte des Semesters entwickeln wir ein Konzept für einen Blog, der am Ende des Semesters als Seminar-Output online zugänglich werden soll. Die Beiträge für den Blog können divers und entlang der Interessenschwerpunkte der Studierenden entworfen werden, haben aber den Anspruch, die Inhalte, Diskussionen und Reflexionen der Veranstaltung widerzuspiegeln. Im Rahmen des Tutoriums wird es Raum zur Entwicklung und Umsetzung der einzelnen Beiträge geben.

Die Seminarbibliographie besteht aus deutsch- und englischsprachigen Texten. Eine Affinität für oder Kenntnisse von romanischen Sprachen, insbes. Französisch und Spanisch, sind keine Voraussetzung für die Teilnahme, aber sehr willkommen.

Gemischt, mehrfach, trans, bio: Was bedeutet Identität im Migrationsland Deutschland?
Nach den USA ist Deutschland weltweit das Land mit der größten Zahl an Einwohner*innen, die entweder selbst oder deren Eltern im Ausland geboren wurden. Zirka ein Viertel der Bevölkerung hat, in Beamtendeutsch gesprochen, einen "Migrationshintergrund". Doch die Idee, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, ist noch relativ neu und wirft viele kontrovers diskutierte Fragen auf. Oftmals fehlen uns die richtigen Worte, oder wir schweigen lieber ganz, bevor wir in ein Fettnäpfchen treten. Wenn ein Mensch die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, ist er*sie dann wirklich deutsch? Ab wann gilt jemand als "biodeutsch"? Sind beispielsweise Deutschtürk*innen deutsch UND türkisch, deutsch ODER türkisch, oder sind sie etwas Anderes, etwa "neudeutsch", "gemischt", "transnational"? Und darf man so etwas überhaupt fragen--ist das noch "politically correct" oder schon diskriminierend?
In diesem Projektseminar wollen wir der Frage auf den Grund gehen, was für Identitäten in Deutschland lebende Menschen haben wollen und haben dürfen. Und umgekehrt, wie im Fall Albert Einstein, was es bedeutet, deutsche Identität zu verweigern. Dazu werden wir in den diversesten Städten Deutschlands--Offenbach und Frankfurt--auf eine gemeinsame Spurensuche gehen. Auf unseren Streifzügen werden wir Straßenumfrage- und Fotografietechniken erproben sowie Experteninterviews führen und systematische Beobachtungen durchführen. Außerdem werden wir gemeinsam einen Wortschatz erarbeiten, um unsere Beobachtungen in Worte fassen zu können. Begriffe wie Identitätspolitik, Rassismus, Mikroaggressionen, Intersektionalität, Nationalismus, Assimilierung, Zugehörigkeit (cultural citizenship), Dominanzgesellschaft und Leitkultur werden wir kritisch unter die Lupe nehmen. Dabei werden wir sowohl Auszüge aus wissenschaftlichen Texten (z.B. Hannah Arendt, Origins of Totalitarianism) als auch popkulturelle Quellen (z.B. Identitti von Mithu Sanyal) verwenden und gemeinsam versuchen, einen solidarischen, toleranten und respektvollen Gesprächsraum zu schaffen.