Berbersprecher im Rhein-Main Gebiet: Migration, Minoritätsstatus und Maskulinität

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Seit 2020 forschen wir in einem größeren Verbund mit anderen Forscher*innen zu Fragen von Sprache und Identität insbesondere bei Angehörigen von Minoritäten im Migrationskontext. In diesem übergeordneten Rahmenthema des LOEWE Schwerpunkts „Minderheitenstudien: Sprache und Identität“ lenken Hamza Boutemin und Axel Fanego Palat Augenmerk auf in Deutschland lebende Sprecher der sogenannten Berbersprachen – in ihrer Eigenbezeichnung „Imazighn“, die Bezeichnung, die auch wir bevorzugen und nachfolgend verwenden.

Es geht also um Personen, die meist als junge Männer aus Nordafrika nach Deutschland kamen. Sie gehörten schon in ihrer Heimat einer sprachlichen Minorität an. Ihre persönlichen Erfahrungen mit mehrsprachigen Umfeldern sind vielfältig – neben dem Amazigh („Berber“) sind lokales gesprochenes Arabisch, „Hocharabisch“ in der geschriebenen Kommunikation, Französisch, aber auch Spanisch und andere Sprachen präsent.

Bei Ankunft in Deutschland tritt nun die Notwendigkeit, Deutsch zu lernen, hinzu. Unsere Gesprächspartner in den Interviews schildern hierbei sehr unterschiedliche Erfahrungen. Unser Projekt ist dabei weniger an der tatsächlichen Kompetenz dieser Männer im Deutschen als Fremdsprache interessiert. Im Vordergrund steht bei uns die Untersuchung von Sprachhaltungen, Erwartungen, Sprachideologien, denn sie prägen, wie diese Männer die Herausforderung meistern, sich im neuen sprachlichen Umfeld zurechtzufinden.  

Über unsere Interviews mit Imazighn in Deutschland versuchen wir, zentralen Faktoren auf die Spur zu kommen, die im nicht-angeleiteten Spracherwerb eine Rolle spielen: Zugang zu Sprecher*innen der Zielsprache und soziales Miteinander, Motivation sowie bewusstes intellektuelles Interesse an Sprache und Kommunikation. Sie alle stehen natürlich in einem wechselseitigen Verhältnis zum (erfolgreichen) Spracherwerb. Sie sind keine völlig unabhängigen Variablen, aus denen heraus sich Erfolg beim Sprachlernen nahezu automatisch ableiten ließe. Denn umgekehrt fördert Fortschritt im Spracherwerb natürlich eben diese bedingenden Faktoren. Gleichzeitig hat mangelnder Fortschritt dementsprechend auch das Potenzial, sie einzuschränken und den Erfolg beim Lernen zu behindern. In beide Richtungen besteht hier also die Tendenz, dass die Dynamiken sich selbst bestärken. Dies – so unsere übergeordnete These – könnte erklären, warum Fragen um das Thema Spracherwerb und die Erfahrungen, die einzelne Personen damit machen, so stark polarisieren.

Zentrale Punkte unseres Vorgehens kurz und bündig:

  • Das Teilprojekt untersucht Erfahrungen mit kommunikativen Praktiken junger berbersprachiger Männer aus Nordafrika, also mehrsprachigen Angehörigen einer sprachlichen Minderheit aus Nordafrika.
  • Im Vordergrund steht in unserem Projekt aufgrund der typischen Erfahrung dieser Männer der nicht-angeleitete Spracherwerb, also das eigenständige Erlernen außerhalb schulischer/formeller Kontexte.
  • Eine zentrale Frage lautet: Sind Minderheitenstatus und Mehrsprachigkeit von Vorteil, wenn neue sprachliche Umgebungen zu meistern sind. Oder bringt der Minderheitenstatus Nachteile mit sich, die auch im Migrationskontext weiterwirken?
  • Methodisch verlassen wir uns vorwiegend auf offene Interviews, Fokusgruppendiskussionen und teilnehmende Beobachtung an Schauplätzen des informellen Spracherwerbs.

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