KulturKanal Frankfurt - Bild

Von Sascha Müller


Die blassen Lampen flackern, das Metallgitter bebt geräuschvoll und der Boden ruckelt, während der Bergwerksaufzug immer weiter in die Tiefe fährt. Unten angekommen erinnert nichts mehr an das edle Interieur des Museumsgebäudes, in dem die „Goldkammer Frankfurt“ untergebracht ist. Man findet sich in einem alten Bergwerksstollen wieder: Die Wände bestehen aus grob freigelegtem Gestein, an dem die Klänge ferner Spitzhackenhiebe widerhallen. Doch was der erste Ausstellungsraum bietet, ist die Kreuzung zweier Welten: Zwar befindet man sich in der Enge des Stollens, wird jedoch zugleich in die unendlichen Weiten des Universums hineingezogen. Für einen Moment wird das Bröseln von Gestein übertönt von einem wuchtigen Knall. Man wird Zeuge, wie zwei Neutronensterne miteinander kollidieren und gigantische Mengen Energie freiwerden. Durch ein solches kosmisches Ereignis – hier veranschaulicht auf großem Bildschirm mit Surround-Sound – entstand Gold, das einst als 4,6 Milliarden Jahre alte Meteoriten auf der Erde einschlug und mit der Zeit unter Gesteinskrusten vergraben wurde.


Bis 2014 beherbergte die Stadtvilla im Frankfurter Westend noch einen Betriebskindergarten, heute das vom benachbarten Goldhandelshaus Degussa finanzierte Privatmuseum. Der Denkmalschutz des Gebäudes erschwerte zunächst die Konzeption, weshalb man sich entschied, die Ausstellung in unterirdische Gänge zu verlegen. Dadurch erhielten die Räumlichkeiten ihre erstaunliche Wirkung. Denn auch die übrigen Räume erscheinen auffallend reduziert, immer mit dem Fokus auf den ausgewählten Exponaten. Ein fast vier Kilogramm schweres Goldnugget illustriert, wie es weitergeht: Wir treten eine Reise durch die Menschheitsgeschichte an und wandeln auf der Spur des begehrtesten Edelmetalls der Welt: Eine dünne, goldfarben schimmernde Spur auf dem Boden führt durch die Ausstellung. Anschließend kann man selbst erproben, wie ein Goldbarren gegossen wird, und ein echtes Exemplar anheben. Auch auf modernen Touchscreens werden Praktiken des Goldwaschens und -gießens greifbar gemacht.


Die Räume der Ausstellung verwandeln sich in düstere Grabkammern früher Völker: Noch bevor sich Gold als Handelswährung etablierte, war es weit mehr als bloß eine Münze. Vielmehr hatte es spirituelle Bedeutung, wie etwa goldene Schmuckgegenstände, die ihren Träger*innen die kraftvollen Eigenschaften jenes Tieres verleihen, das darin eingeprägt worden war. Interessant war Gold für frühe Kulturen vor allem aufgrund der einzigartigen Eigenschaften, die das Metall in sich vereint: Es rostet nicht, läuft nicht an und verwittert nicht. Nicht zuletzt war und ist es noch heute der goldene Glanz, der die Menschen fasziniert. So wurde dem Material schon früh eine Verbindung zum Göttlichen nachgesagt. Im antiken Ägypten etwa, in dem man zunächst Waschgold aus dem Nil gewann, galt sein Glanz als gleichbedeutend mit dem der Sonne.


Die prominent platzierten Glaskästen in den Räumen der Ausstellung zeigen auch die Geschichte des Goldes als Währung. Dabei handelt es sich vor allem um eine Geschichte der Entspiritualisierung. Ist das Material in frühen Kulturen noch in spirituellen Kulten und Praktiken verwoben, beginnt es im Laufe der Antike in Form von Münzen zum Material der Wertspeicherung zu werden. Zu bestaunen gibt es die erste beschriftete Münze der Menschheitsgeschichte, deren Inschriften noch nicht vollständig entschlüsselt wurden.


Rätselhaft bleibt es, denn die Goldspur führt vorbei an den schimmernden Glaskästen in eine enge Kammer, in der das Licht nur auf einen Gegenstand fällt. Einen, den es der Geschichte nach eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Konstantin der Große, römischer Kaiser des 4. Jahrhunderts, setzte nach dem Sieg über seinen Rivalen Licinius I alles daran, sämtliche Erinnerungen an ihn zu zerstören. So hätte wohl auch die glänzende Goldbüste Licinius' dazugehört, dennoch steht sie hier, in der „Goldkammer Frankfurt“. Wie ist sie der Schmelze entronnen? Waren es etwa Anhänger*innen des ebenfalls römischen Kaisers Licinius, die das Objekt verbotenerweise aufbewahrt haben? Wurde es auf Schwarzmärkten von Hand zu Hand gereicht? Wie die Büste in den unbekannt bleibenden Privatbesitz gelangt ist, aus dem sie der „Goldkammer zur Verfügung gestellt wurde, bleibt für Besucher*innen unklar.


In einem weiteren Raum angelangt, merkt man schnell, dass man sich plötzlich nicht mehr in einer muffigen Grabkammer befindet: In ein glasiges Hellblau getaucht, trifft Sonnenlicht auf die Wogen des Meerwassers, dessen Rauschen zu hören ist. Wir bleiben in der Tiefe, dieses Mal jedoch befinden wir uns unter der Meeresoberfläche, wo es vermutlich noch heute schwimmende Goldkammern in den Tiefen zu entdecken gibt. Im Fokus stehen Schmuckgegenstände, mittels derer Gold von Schiffen geschmuggelt werden konnte. Eigener Schmuck galt schließlich nicht als Fracht. Sogar in Kanonenrohren und Fässern wurde das kostbare Metall versteckt, um es zu entwenden.


Im letzten Raum der Ausstellung ändert sich erneut die Umgebung. War man die meiste Zeit von kalten, steinernen Wänden umgeben, umschließen den Raum nun hochglänzende, schwarze Wände, in denen sich LED-Bildschirme verstecken. Ein darauf zu sehender Film vermittelt eindrucksvoll Zahlen und Fakten über Gold. So etwa, dass nur ca. zwanzig Prozent des verfügbaren Goldes auf der Welt in den Zentralbanken liegt und etwa fünfzig Prozent in Form von Schmuck im Umlauf ist. Ausgestellt werden zudem über 300 Goldbarren aus der Sammlung des Bankhauses N.M. Rothschild & Sons, die in ihrer Formen- und Größenvielfalt betrachtet werden können. Die Präsentation der Exponate zeigt, dass wir entlang der Geschichte des Goldes in der Gegenwart angekommen sind. Die Barren befinden sich verteilt in roten Wandeinlassungen, die dezent beleuchtet werden.


Die Spur des Goldes führt schlussendlich wieder ans Tageslicht, wo man sich erneut fragen muss, welchen Weg die Exponate bestritten haben müssen, um schließlich in den Vitrinen der „Goldkammer“ in Frankfurt zu landen. Ihre Provenienz bleibt vollkommen im Dunkeln, der Fokus der Ausstellung liegt auf den historischen Umständen ihrer Herstellung und ihrer Symbolik, die eindrucksvoll präsentiert werden. Die Spur auf dem Boden des Museums schimmert jedenfalls unschuldig weiter und führt vorbei am rätselhaften Gold vergangener Zeiten.

Von Anna Amirzadova


Fast schon fehl am Platz wirkt das in spätklassizistischem Stil gebaute weiße, mächtige Gebäude, in dem sich die „Goldkammer“ befindet zwischen all den Bankgebäuden und Hochhäusern inmitten des Zentrums von Frankfurt am Main – und doch gibt es wohl kaum einen passenderen Ort als die Bankenstadt und das Bankenviertel, um mehr über die Geschichte des Goldes zu lernen. Nichts lässt darauf schließen, was das Gebäude – ein Wohnhaus, das zeitweilig ein Kindergarten war und nun unter Denkmalschutz steht – in seinem Inneren beinhaltet; nichts bereitet einen darauf vor, die nächsten Stunden in einer fast schon echt wirkenden Goldmine zu verbringen, in der das ausgestellte Gold in einem umso helleren Glanz scheint.


Momentan ist das 2019 eröffnete Museum nur ein Mal im Monat für Besucher:innen geöffnet; an anderen Tagen nur für Gruppenführungen mit einer Voranmeldung. Es ist empfehlenswert, das Museum mit einer Führung zu besuchen, gleichzeitig ist es aber so aufgebaut, dass man sich auch ohne Führung zurechtfinden kann. Eigentlich ist es ganz einfach: Angefangen beim Ursprung des Goldes, begibt man sich auf eine Zeitreise, auf deren Weg man nebenbei auch etwas darüber erfährt, wie Gold in der heutigen Zeit gefunden, genutzt und gegossen wird; weiter geht es zu den ersten Kulturen, die Gold nutzten und abschließend taucht man im wahrsten Sinne des Wortes ins Meer ein. Von den alten Griechen, Römern, Inkas bis zu Piraten und Schmugglern – gerade für das jüngere Publikum bestimmt eindrucksvolle Berührungspunkte. In die Realität zurückgeholt wird man im letzten Raum; hier wird die Goldbarrensammlung der Familie Rothschild ausgestellt und ein abschließender Film gezeigt. Gezeigt? Gerade dieser Raum scheint fast schon ein Höhepunkt der modernen Ausstattung sein, die einem den ganzen Museumsbesuch über auffällt. Ein Aufzug, der die Besucher:innen scheinbar 870m unter den Erdboden in die Mine befördert, Kollisionen von Sternen, die die Wand und den Boden des Museums erschüttern, eine Animation, mit der man selbst einen Goldbaren gießen kann, ein Versuch, die jungen Besuchenden zu beeindrucken, und nicht zuletzt ein Raum, dessen Wände aus Bildschirmen bestehen. Das hier ist nicht das Anschauen eines Films über Gold, das ist Erleben.


Finanziert wird das so hochwertig ausgestattete Museum von der Degussa Sonne/Mond Goldhandel, die auch direkt nebenan eine Filiale hat. Einer Recherche des „Spiegels“ zufolge hat August von Finck, der die Namensrechte des Goldhandels besitzt, mit diesem einige Goldgeschäfte der AfD unterstützt und der rechten Partei somit finanziell geholfen.


Auch bei genauerer Betrachtung der ausgestellten Objekte entstehen Fragen: Skytenschalen, eine römische Goldbüste, die eigentlich nicht existieren dürfte; die erste geprägte Münze der Menschheitsgeschichte und die längste geborgene Kette eines Kapitäns. Viele Superlative der Goldgeschichte, geborgen in einem kleinen Museum in Frankfurt. Wie kommen all diese Ausstellungsstücke unmessbaren Werts in dieses Museum? Auf den Schildern, die Informationen zu den Stücken liefern, findet sich darüber keine Auskunft. Unsere Führerin, eine Geschichtsstudentin, erklärt, dass jedes Ausstellungsstück eine Leihgabe von Privatbesitzer:innen sei. Wie diese an die seltenen und einzigartigen Stücke gekommen sind, sei nicht bekannt. Bei Nachfrage wiederholt sie dies: Ihr werde die Information über die Herkunft der Stücke über die Privatbesitzer:innen hinaus nicht gegeben, die Frage werde ihr bei Führungen oft gestellt und sie könne leider keine weitreichendere Auskunft geben. Gerade die Frage ist aber interessant, wenn man bedenkt, wie viel Kulturgut hier eigentlich präsentiert wird, um den Nutzen von Gold im Verlauf der Menschheitsgeschichte darzustellen. Die Frage nach der Berechtigung, diese Artefakte auszustellen, stellt sich auch in anderen Museen, die von Objekten höchster Wichtigkeit, vielleicht sogar Heiligkeit in anderen Kulturen profitieren. Wichtiger ist eigentlich genau die Frage, die das Museum nicht beantworten konnte: Wie sind diese Artefakte nach Europa, nach Frankfurt, in die Goldkammer gelangt? Wurden sie geraubt? Womöglich von Hobbysammler:innen ausgegraben? Am Beispiel des Schmuggelgoldes wird erklärt, dass solche Laienausgrabungen häufig archäologische Funde zerstören, die einen signifikanten Beitrag zum Verständnis der Menschheitsgeschichte hätten leisten können. Mit all diesen Gedanken im Kopf, verstärkt durch die wage Antwort der Führerin, die zeigt, dass sogar Mitarbeitende des Museums über diese Vorgänge nicht in Kenntnis gesetzt werden oder werden können, bekommt der Gang durch das Museum einen bitteren Beigeschmack.


Die „Goldkammer“: durchaus nicht einfach nur ein kleines Museum inmitten Frankfurts. Die Fragen, die sich nach einem Besuch auftun, lassen einen etwas skeptisch über das Konzept des Museums zurück, insbesondere nachdem man dem Glanz des Goldes entkommt und wieder das Tageslicht erblickt. Für Kinder bietet dieses Museum sicherlich insbesondere zu Beginn einiges: die interaktiven Ausstellungsobjekte, der Minenaufzug, die Räumlichkeiten, die mit großer Sorgfalt thematisch gestaltet sind – einen Tagesausflug kann dieses aus sieben Räumen bestehende Museum aber eher nicht decken. Die kulturellen Artefakte, die noch dazu auf relativ hohen Podesten ausgestellt sind, locken wohl auch eher das erwachsene Publikum an. Die Nähe zum Goldhandel Degussa Sonne/Mond macht es, auch ohne über die Verbindung zum Rechtspopulismus zu wissen, weniger authentisch. Raus aus der Kammer, rein ins Geschäft. Gerade nach der im letzten Raum präsentierten Sammlung Rothschild lässt Goldschmuck alle Herzen höher schlagen, der Goldhandel profitiert davon. Wenigstens kann man sagen, dass man in der Bankenstadt tatsächlich Gold zu sehen bekommen hat – in einem fast schon fehl am Platz wirkenden weißen Gebäude, zwischen all den Banken, das mehr in sich trägt, als es vermuten lässt.