KulturKanal Frankfurt - Bild

Von Laura Franz

 

Hohe massive Wände aus Stein. Ein Steinfliesenpflaster aus kleinteiligen schwarzen, ockerfarbenen und rötlichen Ziegeln und die tiefrot eingefärbte Decke runden das Bild ab. Die Reise in die Vergangenheit beginnt bereits hier; im Foyer des deutschen Romantik-Museums. Das Frankfurter Museum, am Großen Hirschgraben in der Innenstadt nahe der Hauptwache gelegen, ist das weltweit erste Museum, das sich der Epoche der Romantik annimmt. Am 13. September 2021 feierte es seine Eröffnung. Die Wahl des Ortes mag dabei erstmal verwundern: Frankfurt. Die Stadt, die anfänglich nicht mit der Romantik in Verbindung gebracht wird, da sie als Goethestadt bekannt ist. Die Idee: die Nähe zwischen den Epochen zueinander und den konstruktiven Austausch untereinander betonen. Symbol dessen ist auch die originale Brandschutzwand des Goethehauses, die in das Museum integriert ist.

 

Das Museum dehnt sich über drei Stockwerke aus. Im ersten ist die Goethe-Galerie, in der Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts zu bestaunen ist. Darüber befindet sich die Romantik-Ausstellung. In einer Ausstellungsfläche von circa 1.200 qm werden rund 60 Jahre Literaturgeschichte und eine Vielzahl an Gemälde- und Manuskriptsammlungen des Freien Deutschen Hochstift (FDH) präsentiert – ein Schatz von Originalen. In 35 Stationen mit unterschiedlichsten Installationen können diese bewundert werden: Caspar David Friedrichs Der Abendstern, ein als Kurbelmechanismus errichtetes „Gedankenmikroskop“ zu E.T.A. Hoffmanns Märchen Meister Floh. Literatur kann nicht nur gelesen, sondern auch gehört werden, wie der erotische Brief von Clemens Brentano an Karoline von Günderrode (1802), der mehr als literarisch-psychologisches Experiment zu verstehen ist.

 

Zu den einzelnen Ausstellungsebenen gelangt man über die sogenannte Himmelstreppe. Tiefes marineähnliches Blau und leicht dämmriges Licht am Treppenrand sorgen für eine mystische Stimmung. Der sich verjüngende Treppenraum erzeugt die Illusion von Unendlichkeit. Damit wird ein wesentlich romantisches Element aufgegriffen: das Streben nach dem Absoluten und Unendlichen. Im ersten Obergeschoss angekommen, setzt sich dieses fort. „Aufbruch in die Romantik“ lautet die Ankündigung am Eingang. Der Weg führt über dunkle Holzböden und es ist insgesamt ziemlich dunkel und überraschend kühl. Denn zum Schutz der Originale wird auf ungefiltertes Tageslicht verzichtet. Die ausgestellten Handschriften und Manuskripte liegen in eigens für sie angefertigten lichtgeschützten pultartigen Vitrinen. Öffnet man sie, werden sie gezielt ausgeleuchtet. Transkriptionen der Originale finden sich in herausziehbaren Schubladen. Schwarze, mit Zitaten versehene Spiegelsäulen zäunen einzelne Stationen ab und erzeugen durch ihren Spiegelkabinettcharakter eine optische Täuschung. Der Raum wirkt vergrößert und die Spiegel legen den Fokus so, wie es in den Zitaten anklingt: „Nach innen geht der geheimnisvolle Weg“ (Novalis) und „Romantisches ist ein Perspektiv“ (Clemens Brentano). Im Gegensatz zur Aufklärung schrieb die Romantik der subjektiven Wahrnehmung und dem Selbst eine entscheidende Rolle zu. Auch Philosophen wie Immanuel Kant mit seiner Kritik der reinen Vernunft (1781) stiegen in den Diskurs mit ein.

 

Blickt man sich um, fällt schnell eine dunkelgrüne Assoziationswand ins Auge. Diese zeigt in alphabetischer Reihenfolge eine Sammlung an Begriffen, die mit der Epoche verbunden werden: Sehnsucht, Fernweh, idyllisch. Der davor platzierte an Sophie Tieck adressierte Brief Wilhelm Heinrich Wackenroders und Ludwig Tiecks berichtet von Erlebnissen und Eindrücken auf ihrer Suche nach romantisch einsamen Plätzen im Harzgebirge (1794). Wenige Schritte weiter sticht die romantische Sehnsuchtsfarbe Blau ins Auge, die sich wie ein roter Faden durch das Gebäude zieht. Angetroffen wird sie z.B. im Motiv der blauen Blume in einer für Novalis’ Heinrich von Ofterdingen gewidmeten Installation, die die erste Manuskriptseite des Romans in Szene setzt. Auch die vielen eingezogenen Wände sind auffällig. Sie sind von Farbwechseln geprägt und labyrinthisch angeordnet, ein geradliniges Wandern durch das Museum unterbindend. Immer wieder gibt es die Möglichkeit abzubiegen, um eine Ecke zu gehen, Samtvorhänge zur Seite zu ziehen, die einen geheimen Raum hinter sich preisgeben. In der Architektur offenbart sich das Konzept des – dem zum FDH gehörenden und von dessen Direktorin Anne Bohnenkamp gegründeten – Museums: der individuelle Gang durch die Ausstellung, das subjektive Richten nach den Dingen. Wenn man sich nun doch nach etwas mehr örtlicher Klarheit sehnt, so ist die einzigartige interaktive Landkarte genau das Richtige. Sie zeigt die wichtigsten Romantiker und ihre Wege, die zeitlich eingrenzbar sind und veranschaulicht Schnittpunkte untereinander.

 

Die düster werdende Raumgestaltung ist an die Entwicklung der politischen Lage angelehnt und spätestens im Brüder-Grimm-Raum, dessen schwarz bemalte Decke allerlei Märchenmotive darbietet und zum Mitraten einlädt, zu erkennen. Die akribische Sammlung mündlich überlieferter Märchen fiel in die Zeit vom Ende Napoleons (1813/14) und dem stärker werdenden Wunsch nach einem einheitlichen deutschen Staat, der mit ersten nationalistischen Stimmungen einherging.

 

Die „Ausbreitung der Romantik“ im zweiten Obergeschoss thematisiert die Verbreitung der künstlerischen Strömung in andere europäische Länder wie England und Frankreich. So ist etwa Mary Shelleys schaurig-schöner Roman Frankenstein (1818) ein Produkt dieser Zeit, welcher die unheimliche und düstere Seite der Romantik zum Vorschein bringt. Auch dieser trägt das Romantik-Museum Rechnung.

 

In einem überschaubaren Kinoraum finden sich drei heimelige Kinositze und zwei hohe mit durchsichtigen Schleiern verdeckte Leinwände. Im Hintergrund wütet ein Gewitter, das die gespenstische Stimmung, die beim Anblick von Nosferatu und Frankenstein aufkommt, bekräftigt. Romantik ist facettenreich – das ist nur einer von vielen Blickwinkeln, die das Romantik-Museum gewährt. Wer sie alle entdecken möchte, kann sich auf eine verwunschene, geheimnisvolle und ein wenig dämonische Zeitreise freuen.

Von Sabrina Landherr

 

 

A wie Abenddämmerung, S wie Sehnsucht, T wie Tagträumer, Z wie Zauber – der Blick schweift über die beeindruckende Ansammlung romantischer Wörter, die an einer dunklen Wand nach dem Alphabet angeordnet sind. Dann nehmen die Ohren leise Musik wahr, die Augen wandern weiter zum nächsten Ausstellungsstück. Alle Sinne werden beansprucht – bei einem Besuch des Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt.

 

Das Freie Deutsche Hochstift fördert das Museum, welches sich als einziges weltweit ausschließlich der Epoche der Romantik widmet und über zwei Stockwerke hinweg einzigartige Originale präsentiert. Das Museum umfasst 60 Jahre Literaturgeschichte, beginnend von der Französischen Revolution bis zur Märzrevolution 1848/49. Die zwei Stockwerke sind in Früh- und Spätromantik unterteilt, zu denen eine scheinbar unendlich lange Treppe führt. Man befindet sich auf der sogenannten Himmelstreppe, die durch das Licht von außen wie eine optische Täuschung wirkt, da sie viel länger erscheint, als sie eigentlich ist.

Die Romantiker strebten stets nach dem Unendlichen, so stellt die ‚Himmelstreppe‘ einen Versuch zur Annäherung an das Absolute dar. Das Treppenhaus ist der einzige sonnendurchflutete Bereich im ganzen Museum. Beim Betreten der eigentlichen Ausstellung wird es düster und kühler, nicht ohne Grund: Die kostbaren Exponate müssen vor Tageslicht geschützt werden, weshalb diese in einer Art Vitrine ausgestellt werden. Man kann sie nur durch das Öffnen eines Deckels näher betrachten.

 

Nach innen geht der geheimnisvolle Weg

Der Aufbruch in die Romantik – diesen erlebt man im zweiten Stock des Museums, wo man selbst mit der Frage konfrontiert wird: „Was ist Romantik eigentlich?“ Spiegel mit Zitaten von bekannten Romantikern wie Friedrich Schlegel oder Clemens Brentano, aber auch von Besuchern des Museums liefern diesbezüglich mögliche Definitionen. Diese Zitate tauchen wie von Zauberhand auf den Spiegeln auf und verschwinden nach einiger Zeit wieder. Sie werden von einem neuen Zitat und somit auch einer anderen Definition von Romantik ersetzt. Hier wird klar: Es gibt keine eindeutige Begriffsdefinition. Romantik wird von jedem unterschiedlich wahrgenommen.

Auch der Weg durch das Museum ist durchaus romantisch gedacht. Es ist keine vorbestimmte Reihenfolge festgelegt, an die man sich halten muss. Vielmehr soll man sich auf eigener Faust auf die Suche begeben und an einer der Stationen verharren, die das persönliche Interesse weckt. So bleibt der Blick an den Zeitschriftenabbildungen der Brüder Schlegel hängen, zwei Romantikern, denen es bewusst war, dass sie sich dem Absoluten nur nähern können. Vielmehr war ihr Ziel, Wissen und Politik poetisch zu machen. Oder man träumt mit Friedrich von Hardenberg, auch bekannt als Novalis, von der blauen Blume, einem der berühmtesten und geheimnisvollsten Motive der Romantik, welches in seinem Roman „Heinrich von Ofterdingen“ aufgegriffen wird. Die Blume steht hierbei für die Natur und als Gegenstück zur industriellen Revolution. Die Farbe Blau spiegelt die Ferne dar.

Eine Besonderheit des Romantik-Museums sind die einzigarten Ausstellungsformen, die dem Besucher viele Möglichkeiten zur persönlichen Beteiligung geben, um die Ausstellung noch intensiver zu erleben. Eine interaktive Landkarte lädt dazu ein, einen oder mehrere Romantiker auszuwählen und herauszufinden, wer sich zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort aufgehalten hat. Der Besucher wird dazu aufgefordert mit einigen der Ausstellungsstücken zu interagieren, es darf aufgedeckt, getippt oder gekurbelt werden. Hinter jeder Ecke lässt sich etwas Neues entdecken.

 

Es war einmal vor langer Zeit…

Diese Einleitung ist bekannt aus den Märchen der Brüder Grimm. Die erfolgreichen Märchensammlungen finden sich in fast jedem Kinderzimmer. Dabei war der erste Versuch der beiden Sprachwissenschaftler alles andere als erfolgreich. Da die Erzählungen von Märchen zuvor nur mündlich überliefert wurden, unterschieden sich die Versionen stark voneinander. Die ursprüngliche Märchensammlung war somit kein Erfolg. Erst durch ihren berühmten Grimmschen Stil konnten die Brüder letztendlich überzeugen. Der ihnen zugewiesene Bereich im Museum zeigt an den Wänden Motive aus einigen Märchen, unter anderem „Rotkäppchen“, „Die Bremer Stadtmusikanten“ oder „Aschenputtel“. Schaut man ganz genau hin, kann man zwischen den märchenhaften Zeichnungen auch die Frankfurter Skyline entdecken. Bis an die Decke wandert der Blick, um die komplett in schwarz gehaltenen Figuren zu betrachten. Und wenn sie nicht gestorben sind…

 

Die Welt muss romantisiert werden

Die Romantik breitete sich immer weiter aus, das zeigt der dritte Stock des Romantik-Museums. Hier findet man die Romantik nicht nur in der Literatur wieder, sondern auch in der Kunst. In der Bildergalerie kann man den „Abendstern“ von Caspar David Friedrich sowie weitere Kunstwerke bewundern. Aber nicht nur die Kunst, sondern auch die Architektur wurde von der Romantik beeinflusst. Ganz besonders romantisch sind natürlich Gedichte. „Schläft ein Lied in allen Dingen“ – das Gedicht „Die Wünschelrute“ von Joseph von Eichendorff ist den meisten noch aus der Schulzeit bekannt. Wie von Zauberhand erscheinen die Verse über einen Beamer an der Wand. Nach und nach werden einzelne Wörter aus dem Gedicht herausgefiltert und in eine neue Formation gebracht. Schon wurde ein neues Gedicht geschaffen. Aber auch die Politik wurde von der Romantik beeinflusst. In Form eines Schachbretts stützen Schachfiguren die Bücher von Bettine von Arnim. Unter anderem stammt „Dieses Buch gehört dem König“ von ihr, welches Berichte von Armut beinhaltet und durch welches sie den König kritisiert. Mit Bettine von Arnim stirbt eine der letzten Vertreterinnen der Romantik. Ein Portrait verewigt sie im Romantik-Museum. Die Romantik lebt aber bis heute weiter.

 

Wer möchte, kann sich nach seinem Besuch im Romantik-Museum selbst den Fragen wie „Was ist deine Definition von Romantik?“ oder „Was ist romantische Musik?“ stellen, eines der ausgelegten Kärtchen nehmen, dieses beschriften und zu den bereits beschrifteten Karten hängen. Auch eigene Gedichte sind gerne gesehen. Ob selbsternannter Dichter oder Romantik-Neuling: Im Romantik-Museum kann jeder etwas Neues entdecken. Das Absolute wird man zwar nicht finden, aber ein Besuch ist das Museum absolut wert.

Von Anouk Schnabel

Vergilbte Handschriften, Gemäldegalerien, eine beinahe nicht mehr existierende Treppe, Szenen aus Nosferatu, ein übergroßes Schachbrett... Das sind nur einige der faszinierenden Dinge, die im Romantikmuseum in Frankfurt am Main zu entdecken sind. Aber – was ist eigentlich Romantik? Auf der Suche nach der Antwort auf diese Frage begeben wir uns in die Ausstellung. Hier wird eine ganze Epoche, also gut 60 Jahre von etwa 1790 bis 1850, mit originalen Schriftstücken und Gemälden, kombiniert mit Film, Ton und interaktiven Ausstellungsstücken, vermittelt. Es werden nicht nur Kunst und Literatur beleuchtet, sondern auch Philosophie, Politik und sogar Physik. 35 Stationen erstrecken sich über zwei Stockwerke, die gefüllt wurden mit ausgewählten Stücken aus der Sammlung des Vereins „Freies Deutsches Hochstift“ und die nun seit September 2021 von der Öffentlichkeit besucht werden können, um die Epoche der Romantik besser kennenzulernen.

„Wir suchen überall das Unbedingte und finden immer nur Dinge.“ Das ist ein Zitat von Novalis, welches ein Kernelement der Romantik widerspiegelt. Das Unendliche beziehungsweise das Absolute waren das Ziel. Jedoch war man sich bewusst, dass dieses Ideal unerreichbar ist und lediglich Annäherungen konstruiert werden können. So konstruiert auch die Himmelstreppe, über die man vom Foyer in die Ausstellungsebenen gelangt, eine solche Annäherung. Nach oben hin wird sie schmaler; durch diese optische Täuschung wirkt sie von unten viel länger und höher als sie eigentlich ist. Die kleinen Lichtquellen über den Stufen führen nach oben und von allen Seiten wird man in mystisches Dunkelblau gehüllt. An der Goethe-Galerie im ersten Stock vorbei geht es zur ersten Ebene der Romantikausstellung.

Trotz der Hitze und der Junisonne draußen ist es hier gut gekühlt und dunkel – natürlich zum Schutz der empfindlichen Exponate. „Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.“ Ein weiteres Zitat von Novalis, von dem man unter dem Titel „Aufbruch in die Romantik“ begrüßt wird. Passend dazu wird auch durch die Spiegelsäulen, die den Bereich säumen, der Subjektbezug der Romantik verdeutlicht. Und es lässt sich schon die erste Handschrift finden: In einer Vitrine wird ein Brief, adressiert an Sophie Tieck, von einem Deckel versteckt und so vor Licht und Umwelteinflüssen geschützt. Nur wenn man den Deckel aufklappt, wird das Schriftstück beleuchtet. Die Schrift können heutzutage wohl nur noch wenige lesen, daher gibt es immer auch eine Transkription dazu.

Eines der Highlights des Museums ist die interaktive Landkarte, die die Aufenthaltsorte von verschiedensten Romantiker*innen anzeigen kann. Es können auch mehrere Personen gleichzeitig ausgewählt werden, um deren Lebenswege miteinander zu vergleichen. Eine gute Gelegenheit, um mehr über die Schaffenden dieser Epoche zu erfahren. In einem anderen Bereich geht es um Farbe und Physik. Durch das Glas der „Glasharmonika“ bricht das Tageslicht blau in den Raum, und wenn man in dieser Ecke steht, fühlt man sich beinahe wie unter Wasser. In der zweiten Ebene fliegen weiße Tupfen wie die Schirmchen einer Pusteblume über die Wand – das Bild könnte kaum besser zur Überschrift passen: „Ausbreitung der Romantik“. Von hier aus führt ein Durchgang in die fliederfarbene Gemäldegalerie, in der unter anderem Originale von Caspar David Friedrich hängen. Das obere Ende einer Treppe ist in einem großen, dachbodenähnlichen Raum zu entdecken. Der Rest fehlt, so wie bei Ludwig Tiecks „Des Lebens Überfluß“. Dahinter liegt ein kleines Kino. Donner grollt und durch Vorhänge blickt man aus zwei regentropfenbedeckten Fenstern in eine Gewitternacht. Bald schon werden statt der Fenster Filmausschnitte eingeblendet. Zu sehen sind zum Beispiel Boris Karloff als Frankensteins Monster, Max Schreck als Nosferatu und Johnny Depp als der Vampir Barnabas Collins. Es geht darum, „wie die Romantik uns das Fürchten lehrt“. Um eine Ecke geht es in einen Raum mit niedrigerer Decke; ein übergroßes Schachbrett nimmt beinahe den gesamten Boden ein. Eine Anlehnung an den Brief von Bettine von Arnim an König Friedrich Wilhelm IV., in dem sie ihm schreibt, ein guter König solle sich selbst stets Schach bieten. Ein Beispiel für das Bedürfnis vieler Romantiker*innen, sich an der Politik zu beteiligen.

Bei der Menge an Informationen in der Ausstellung kann hier sicher eine kleine Ewigkeit verbracht werden, um alles im Detail zu betrachten. Es gibt keine vorgegebene Reihenfolge, alle Besuchenden müssen sich ihren Weg selbst bahnen. Doch die Farbgestaltung der Ausstellung hilft dabei, die eher großen und beinahe unübersichtlichen Räumlichkeiten in Themenabschnitte zu strukturieren. Blau für Skripte von Heinrich von Ofterdingen, in denen die blaue Blume, das Symbol der Romantik, vorkommt. Durch gefärbtes Fensterglas fällt in einen gut versteckten Raum mit Lesenische lilafarbenes Licht. Sanftes Paradiesgrün für Joseph von Eichendorff und Wanderschaft; nachtblau und ein eingeritzter Blitz für Mary Shelley und Horror.

Es gibt viel zu sehen im Romantikmuseum, irgendwann kommt aber der Ausgang in Sicht. Doch das Museum hat andere Pläne: „Romantik und kein Ende?“, fragt die Ausstellung am Schluss. Es wird ein Video gezeigt von modernen Aufnahmen, die ein romantisches Gefühl

vermitteln sollen. Aber, was ist denn nun Romantik? Etwas wie in der Art eines Romans? Das Streben nach der unerreichbaren Unendlichkeit? Der Gegensatz zur Aufklärung und Klassik? Es ist nicht leicht, eine kurze und doch ausreichende Antwort auf diese so umfangreiche Frage zu finden. Aber dieses Museum beantwortet sie in seiner Gesamtheit sehr gut. Vor dem Ausgang an einem Pult gibt es kleine, beschreibbare Kärtchen. Manche davon fragen, was romantische Musik ist, fragen nach selbstgedichteten Versen, fragen danach, was Sehnsucht ist, und auch einfach, was Romantik selbst ist. An der Wand dahinter hängen schon hunderte von bunten, beschriebenen Karten. Hier können alle Besuchende versuchen, selbst Antworten auf diese Fragen zu finden und sie dann dazu hängen.

Am Ende der Ausstellung ist laut dem Schriftzug an der Wand jedoch eines klar: „Die Welt muss romantisiert werden.“ 

Von Jonathan Pernaß

 

Die Eingangshalle, die das Frankfurter Goethe-Haus und das Deutsche Romantik Museum miteinander verbindet, ist angenehm kühl an diesem Mittwoch. Eine ältere Dame sitzt mir gegenüber auf einer steinernen Bank und blättert durch ein Buch des Museum-Shops, das sie später voll des Lobes kaufen wird. Mein Blick gleitet nach oben zur zwei Stockwerk hohen Decke der Halle. Steht dort jemand im toten Winkel des Fensters, das aus dem ersten Stock hinab auf die Kasse sieht? Hinter dieser erstreckt sich ein riesiges Bücherregal, das bis unter die Decke reicht. Ein schwarzes Teleskop ist darauf gerichtet. Es ergreift mich die Sehnsucht, die fernen Bücher näher zu betrachten, doch das Teleskop bleibt schwarz, die Bücher entrückt.

 

Am 15. September 2021 hat das Deutsche Romantik Museum seine Pforten für die Öffentlichkeit geöffnet. Seither präsentiert hier das Freie Deutsche Hochstift mit Unterstützung zahlreicher Förderer aus Politik, Wirtschaft und Bürgertum seinen ‚riesigen Schatz‘ an Originalen. In Wechselausstellungen und regelmäßigen Veranstaltungen, wie Lesungen, Führungen, Konzerten und Gesprächen, lädt der Verein dazu ein, sein Wissen über die Epoche ständig zu vertiefen.

 

Die lehmige verwitterte Brandschutzwand des Goethe-Hauses im Rücken, erstreckt sich eine Treppe nach oben in blaue Unendlichkeit. Eine optische Täuschung, die Treppe verjüngt sich nur. Die Ausstellung liegt im Dämmerlicht und in kleinen, geschlossenen Vitrinen liegen noch kleinere Handschriften. Geschützt vor dem zerstörerischen Sonnenlicht und den Blicken der ewig unverständigen Besucher. Doppelt geschützt, gibt man sich dem Rätsel der fein geschwungen Linien längst vergessener Buchstaben hin.

Zitate auf chaotisch verteilten Spiegelsäulen sind unmöglich zu lesen, ohne dass sich der Blick notwendigerweise fragmentartig im Raum zerstreut. Wohin wendet sich der Blick? Wohin wendet sich der Gang? Überall finden sich Wortassoziationen, geordnet und ungeordnet, an der Wand und auf dem Boden: lieben“, „vollkommen“, „Märchen“, „Situationen“. Im Märchen-Lesesaal erstreckt sich der Schatten einer riesigen Baumkrone über Wand und Decke. Märchenfiguren und Orte fließen in einer Spirale aus Reisig zusammen. In einer schwarzen Nische findet sich eine Aussparung, die den Blick auf Paulskirche und Dom außerhalb des Museums lenkt. Innerhalb des Museums: die Baupläne des Kölner Doms und Sitzordnungen der Nationalversammlung 1848. Ein Projekt der Romantik und ein Projekt unter Anwesenheit von Romantikern.

 

Alle Wege führen zu einer interaktiven Karte, die Raum und Zeit miteinander verbindet. Die Pfade von vierundsechzig wichtigen Persönlichkeiten der Epoche lassen sich nachvollziehen, indem man gefühlvoll ein Rad im oder gegen den Uhrzeigersinn dreht und die Karte mit den Fingerkuppen berührt. Wie eine sich ausbreitende Welle erstrecken sich von hier aus 35 Museumsstationen über etwa 1200 m² Dauerausstellungsfläche.

An anderer Stelle eine Kurbel, über die sich an Zahnrädern angebrachte runde Darstellungen bewegen lassen. Die Metallketten übertragen das Drehmoment ungleichmäßig. In einen Holztisch sind die Tasten einer Schreibmaschine eingelassen. Beim Abtippen einer Übersetzung spürt man das kalte Rund und den sanften Widerstand unter seinen Fingerkuppen. Greift man zwei Metallstäbe, die aus einer Wand ragen, erfährt man von den Sinnesexperimenten, die Johann Wilhelm Ritter an sich selbst durchgeführt hat. Wie schmeckt der Strom, der durch mich hindurchfließt?

 

Immer wieder dringen Stimm-, Gesangs- und Musikfetzen aus dunklen Räumen ans Ohr. Hinter einem roten Vorhang ist sanft ein Gedicht zu hören, hinter einem weißen Vorhang singt ein Tenor eine Ballade und hinter einem blauen Vorhang sind gedämpfte Schreie sichtbar, nachdem unsere Augen einem Blitz über Kabel hinab in die Adern eines verunstalteten Mannes gefolgt sind. In den weichen Muscheln eines Kopfhörers ertönt die fünfte Sinfonie Beethovens und wird immer wieder von einer Rezension E. T. A. Hoffmanns unterbrochen, der sie zu einem romantischen Werk erklärt.

 

Hinter den Plänen des Kölner Doms bilden schräge rote Schnüre einen halbkreisförmigen, halboffenen Raum, in dessen Mitte ein digitaler Recherchetisch steht. Ein junger Mann beugt sich nachdenklich über die Projektion eines Dokuments. Wieder anderswo, liegt keine Handschrift in der Vitrine, sondern ein Bild, das an die Miniaturen eines mittelalterlichen Kodexes erinnert. Mithilfe einer digitalen Lupe finden sich immer kleinere Objekte in der Illustration. Achtlos nimmt eine Studentin die Lupe aus der Vitrine heraus und löst einen Entfernungsalarm aus.

 

Die Adaption eines Gedichtes als Graphic Novel hängt über einer Karte, die zeigt, wie sich der Rhein durch Deutschland windet. Zu spitzem Wellblech geformt, findet sich das Wandbild eines Waldes in einer noch unentdeckten Ecke. Waldgeräusche und der Geruch von Pappe erfüllen den Raum. Andernorts wachen Turm, Springer und Läufer über die fruchtlosen politischen Bemühungen einer Romantikerin. Schließlich am Ende einer schmalen Treppe, kaum breit genug für einen Erwachsenen, eine Lesenische: Tieck, Brentano, Hoffmann, Eichendorff und weitere in Gesamtausgaben. Hinter dem winzigen pinken Fenster zeigen sich Wärmepumpen auf dem Nebendach. Vielleicht haben die Romantiker sie vom Gipfel des Parnass mitgebracht, den sie, projiziert auf die Form eines Hauses, als Zirkustross erklommen haben.

 

Schließlich gehe ich die Treppe wieder hinunter, an der lehmigen verwitterten Brandschutzwand vorbei und sehe erneut auf das riesige Bücherregal hinter der Kasse, das sich bis unter die zwei Stockwerk hohe Decke erstreckt. Das Teleskop bleibt schwarz. Vor der Tür blicke ich an der Fassade hinauf und versuche, den im spitzen Winkel nach außen gestülpten blauen Erker zu finden, den ich im Museum gesehen habe, und finde ihn nicht. Ich kann mir von der Romantik zwar immer noch keinen Begriff machen, aber an diesem Mittwochnachmittag habe ich sie erfahren.

Von Sascha Müller


Die blassen Lampen flackern, das Metallgitter bebt geräuschvoll und der Boden ruckelt, während der Bergwerksaufzug immer weiter in die Tiefe fährt. Unten angekommen erinnert nichts mehr an das edle Interieur des Museumsgebäudes, in dem die „Goldkammer Frankfurt“ untergebracht ist. Man findet sich in einem alten Bergwerksstollen wieder: Die Wände bestehen aus grob freigelegtem Gestein, an dem die Klänge ferner Spitzhackenhiebe widerhallen. Doch was der erste Ausstellungsraum bietet, ist die Kreuzung zweier Welten: Zwar befindet man sich in der Enge des Stollens, wird jedoch zugleich in die unendlichen Weiten des Universums hineingezogen. Für einen Moment wird das Bröseln von Gestein übertönt von einem wuchtigen Knall. Man wird Zeuge, wie zwei Neutronensterne miteinander kollidieren und gigantische Mengen Energie freiwerden. Durch ein solches kosmisches Ereignis – hier veranschaulicht auf großem Bildschirm mit Surround-Sound – entstand Gold, das einst als 4,6 Milliarden Jahre alte Meteoriten auf der Erde einschlug und mit der Zeit unter Gesteinskrusten vergraben wurde.


Bis 2014 beherbergte die Stadtvilla im Frankfurter Westend noch einen Betriebskindergarten, heute das vom benachbarten Goldhandelshaus Degussa finanzierte Privatmuseum. Der Denkmalschutz des Gebäudes erschwerte zunächst die Konzeption, weshalb man sich entschied, die Ausstellung in unterirdische Gänge zu verlegen. Dadurch erhielten die Räumlichkeiten ihre erstaunliche Wirkung. Denn auch die übrigen Räume erscheinen auffallend reduziert, immer mit dem Fokus auf den ausgewählten Exponaten. Ein fast vier Kilogramm schweres Goldnugget illustriert, wie es weitergeht: Wir treten eine Reise durch die Menschheitsgeschichte an und wandeln auf der Spur des begehrtesten Edelmetalls der Welt: Eine dünne, goldfarben schimmernde Spur auf dem Boden führt durch die Ausstellung. Anschließend kann man selbst erproben, wie ein Goldbarren gegossen wird, und ein echtes Exemplar anheben. Auch auf modernen Touchscreens werden Praktiken des Goldwaschens und -gießens greifbar gemacht.


Die Räume der Ausstellung verwandeln sich in düstere Grabkammern früher Völker: Noch bevor sich Gold als Handelswährung etablierte, war es weit mehr als bloß eine Münze. Vielmehr hatte es spirituelle Bedeutung, wie etwa goldene Schmuckgegenstände, die ihren Träger*innen die kraftvollen Eigenschaften jenes Tieres verleihen, das darin eingeprägt worden war. Interessant war Gold für frühe Kulturen vor allem aufgrund der einzigartigen Eigenschaften, die das Metall in sich vereint: Es rostet nicht, läuft nicht an und verwittert nicht. Nicht zuletzt war und ist es noch heute der goldene Glanz, der die Menschen fasziniert. So wurde dem Material schon früh eine Verbindung zum Göttlichen nachgesagt. Im antiken Ägypten etwa, in dem man zunächst Waschgold aus dem Nil gewann, galt sein Glanz als gleichbedeutend mit dem der Sonne.


Die prominent platzierten Glaskästen in den Räumen der Ausstellung zeigen auch die Geschichte des Goldes als Währung. Dabei handelt es sich vor allem um eine Geschichte der Entspiritualisierung. Ist das Material in frühen Kulturen noch in spirituellen Kulten und Praktiken verwoben, beginnt es im Laufe der Antike in Form von Münzen zum Material der Wertspeicherung zu werden. Zu bestaunen gibt es die erste beschriftete Münze der Menschheitsgeschichte, deren Inschriften noch nicht vollständig entschlüsselt wurden.


Rätselhaft bleibt es, denn die Goldspur führt vorbei an den schimmernden Glaskästen in eine enge Kammer, in der das Licht nur auf einen Gegenstand fällt. Einen, den es der Geschichte nach eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Konstantin der Große, römischer Kaiser des 4. Jahrhunderts, setzte nach dem Sieg über seinen Rivalen Licinius I alles daran, sämtliche Erinnerungen an ihn zu zerstören. So hätte wohl auch die glänzende Goldbüste Licinius' dazugehört, dennoch steht sie hier, in der „Goldkammer Frankfurt“. Wie ist sie der Schmelze entronnen? Waren es etwa Anhänger*innen des ebenfalls römischen Kaisers Licinius, die das Objekt verbotenerweise aufbewahrt haben? Wurde es auf Schwarzmärkten von Hand zu Hand gereicht? Wie die Büste in den unbekannt bleibenden Privatbesitz gelangt ist, aus dem sie der „Goldkammer zur Verfügung gestellt wurde, bleibt für Besucher*innen unklar.


In einem weiteren Raum angelangt, merkt man schnell, dass man sich plötzlich nicht mehr in einer muffigen Grabkammer befindet: In ein glasiges Hellblau getaucht, trifft Sonnenlicht auf die Wogen des Meerwassers, dessen Rauschen zu hören ist. Wir bleiben in der Tiefe, dieses Mal jedoch befinden wir uns unter der Meeresoberfläche, wo es vermutlich noch heute schwimmende Goldkammern in den Tiefen zu entdecken gibt. Im Fokus stehen Schmuckgegenstände, mittels derer Gold von Schiffen geschmuggelt werden konnte. Eigener Schmuck galt schließlich nicht als Fracht. Sogar in Kanonenrohren und Fässern wurde das kostbare Metall versteckt, um es zu entwenden.


Im letzten Raum der Ausstellung ändert sich erneut die Umgebung. War man die meiste Zeit von kalten, steinernen Wänden umgeben, umschließen den Raum nun hochglänzende, schwarze Wände, in denen sich LED-Bildschirme verstecken. Ein darauf zu sehender Film vermittelt eindrucksvoll Zahlen und Fakten über Gold. So etwa, dass nur ca. zwanzig Prozent des verfügbaren Goldes auf der Welt in den Zentralbanken liegt und etwa fünfzig Prozent in Form von Schmuck im Umlauf ist. Ausgestellt werden zudem über 300 Goldbarren aus der Sammlung des Bankhauses N.M. Rothschild & Sons, die in ihrer Formen- und Größenvielfalt betrachtet werden können. Die Präsentation der Exponate zeigt, dass wir entlang der Geschichte des Goldes in der Gegenwart angekommen sind. Die Barren befinden sich verteilt in roten Wandeinlassungen, die dezent beleuchtet werden.


Die Spur des Goldes führt schlussendlich wieder ans Tageslicht, wo man sich erneut fragen muss, welchen Weg die Exponate bestritten haben müssen, um schließlich in den Vitrinen der „Goldkammer“ in Frankfurt zu landen. Ihre Provenienz bleibt vollkommen im Dunkeln, der Fokus der Ausstellung liegt auf den historischen Umständen ihrer Herstellung und ihrer Symbolik, die eindrucksvoll präsentiert werden. Die Spur auf dem Boden des Museums schimmert jedenfalls unschuldig weiter und führt vorbei am rätselhaften Gold vergangener Zeiten.

Von Anna Amirzadova


Fast schon fehl am Platz wirkt das in spätklassizistischem Stil gebaute weiße, mächtige Gebäude, in dem sich die „Goldkammer“ befindet zwischen all den Bankgebäuden und Hochhäusern inmitten des Zentrums von Frankfurt am Main – und doch gibt es wohl kaum einen passenderen Ort als die Bankenstadt und das Bankenviertel, um mehr über die Geschichte des Goldes zu lernen. Nichts lässt darauf schließen, was das Gebäude – ein Wohnhaus, das zeitweilig ein Kindergarten war und nun unter Denkmalschutz steht – in seinem Inneren beinhaltet; nichts bereitet einen darauf vor, die nächsten Stunden in einer fast schon echt wirkenden Goldmine zu verbringen, in der das ausgestellte Gold in einem umso helleren Glanz scheint.


Momentan ist das 2019 eröffnete Museum nur ein Mal im Monat für Besucher:innen geöffnet; an anderen Tagen nur für Gruppenführungen mit einer Voranmeldung. Es ist empfehlenswert, das Museum mit einer Führung zu besuchen, gleichzeitig ist es aber so aufgebaut, dass man sich auch ohne Führung zurechtfinden kann. Eigentlich ist es ganz einfach: Angefangen beim Ursprung des Goldes, begibt man sich auf eine Zeitreise, auf deren Weg man nebenbei auch etwas darüber erfährt, wie Gold in der heutigen Zeit gefunden, genutzt und gegossen wird; weiter geht es zu den ersten Kulturen, die Gold nutzten und abschließend taucht man im wahrsten Sinne des Wortes ins Meer ein. Von den alten Griechen, Römern, Inkas bis zu Piraten und Schmugglern – gerade für das jüngere Publikum bestimmt eindrucksvolle Berührungspunkte. In die Realität zurückgeholt wird man im letzten Raum; hier wird die Goldbarrensammlung der Familie Rothschild ausgestellt und ein abschließender Film gezeigt. Gezeigt? Gerade dieser Raum scheint fast schon ein Höhepunkt der modernen Ausstattung sein, die einem den ganzen Museumsbesuch über auffällt. Ein Aufzug, der die Besucher:innen scheinbar 870m unter den Erdboden in die Mine befördert, Kollisionen von Sternen, die die Wand und den Boden des Museums erschüttern, eine Animation, mit der man selbst einen Goldbaren gießen kann, ein Versuch, die jungen Besuchenden zu beeindrucken, und nicht zuletzt ein Raum, dessen Wände aus Bildschirmen bestehen. Das hier ist nicht das Anschauen eines Films über Gold, das ist Erleben.


Finanziert wird das so hochwertig ausgestattete Museum von der Degussa Sonne/Mond Goldhandel, die auch direkt nebenan eine Filiale hat. Einer Recherche des „Spiegels“ zufolge hat August von Finck, der die Namensrechte des Goldhandels besitzt, mit diesem einige Goldgeschäfte der AfD unterstützt und der rechten Partei somit finanziell geholfen.


Auch bei genauerer Betrachtung der ausgestellten Objekte entstehen Fragen: Skytenschalen, eine römische Goldbüste, die eigentlich nicht existieren dürfte; die erste geprägte Münze der Menschheitsgeschichte und die längste geborgene Kette eines Kapitäns. Viele Superlative der Goldgeschichte, geborgen in einem kleinen Museum in Frankfurt. Wie kommen all diese Ausstellungsstücke unmessbaren Werts in dieses Museum? Auf den Schildern, die Informationen zu den Stücken liefern, findet sich darüber keine Auskunft. Unsere Führerin, eine Geschichtsstudentin, erklärt, dass jedes Ausstellungsstück eine Leihgabe von Privatbesitzer:innen sei. Wie diese an die seltenen und einzigartigen Stücke gekommen sind, sei nicht bekannt. Bei Nachfrage wiederholt sie dies: Ihr werde die Information über die Herkunft der Stücke über die Privatbesitzer:innen hinaus nicht gegeben, die Frage werde ihr bei Führungen oft gestellt und sie könne leider keine weitreichendere Auskunft geben. Gerade die Frage ist aber interessant, wenn man bedenkt, wie viel Kulturgut hier eigentlich präsentiert wird, um den Nutzen von Gold im Verlauf der Menschheitsgeschichte darzustellen. Die Frage nach der Berechtigung, diese Artefakte auszustellen, stellt sich auch in anderen Museen, die von Objekten höchster Wichtigkeit, vielleicht sogar Heiligkeit in anderen Kulturen profitieren. Wichtiger ist eigentlich genau die Frage, die das Museum nicht beantworten konnte: Wie sind diese Artefakte nach Europa, nach Frankfurt, in die Goldkammer gelangt? Wurden sie geraubt? Womöglich von Hobbysammler:innen ausgegraben? Am Beispiel des Schmuggelgoldes wird erklärt, dass solche Laienausgrabungen häufig archäologische Funde zerstören, die einen signifikanten Beitrag zum Verständnis der Menschheitsgeschichte hätten leisten können. Mit all diesen Gedanken im Kopf, verstärkt durch die wage Antwort der Führerin, die zeigt, dass sogar Mitarbeitende des Museums über diese Vorgänge nicht in Kenntnis gesetzt werden oder werden können, bekommt der Gang durch das Museum einen bitteren Beigeschmack.


Die „Goldkammer“: durchaus nicht einfach nur ein kleines Museum inmitten Frankfurts. Die Fragen, die sich nach einem Besuch auftun, lassen einen etwas skeptisch über das Konzept des Museums zurück, insbesondere nachdem man dem Glanz des Goldes entkommt und wieder das Tageslicht erblickt. Für Kinder bietet dieses Museum sicherlich insbesondere zu Beginn einiges: die interaktiven Ausstellungsobjekte, der Minenaufzug, die Räumlichkeiten, die mit großer Sorgfalt thematisch gestaltet sind – einen Tagesausflug kann dieses aus sieben Räumen bestehende Museum aber eher nicht decken. Die kulturellen Artefakte, die noch dazu auf relativ hohen Podesten ausgestellt sind, locken wohl auch eher das erwachsene Publikum an. Die Nähe zum Goldhandel Degussa Sonne/Mond macht es, auch ohne über die Verbindung zum Rechtspopulismus zu wissen, weniger authentisch. Raus aus der Kammer, rein ins Geschäft. Gerade nach der im letzten Raum präsentierten Sammlung Rothschild lässt Goldschmuck alle Herzen höher schlagen, der Goldhandel profitiert davon. Wenigstens kann man sagen, dass man in der Bankenstadt tatsächlich Gold zu sehen bekommen hat – in einem fast schon fehl am Platz wirkenden weißen Gebäude, zwischen all den Banken, das mehr in sich trägt, als es vermuten lässt.