Interview:
Emilia Velegrakis
Marilena
ist 24 Jahre alt und studiert Englisch und Kunst auf Gymnasiallehramt im 10.
Semester an der RPTU Landau.
In
welchem Semester warst du, als die Corona Pandemie begann?
Marilena: Im vierten Semester.
Wie
verlief die Umstellung vom ‚normalen‘ Uni-Leben zum Corona-Uni-Leben?
Marilena: Es war eine katastrophale Umstellung,
es lief wirklich richtig schlecht. Von null auf hundert: Wir durften nicht mehr
in die Uni, alles war plötzlich online, dabei gab‘s ja noch nichts online. Keiner
wusste, wie irgendwas funktioniert, auch die Dozenten nicht.
Noch nie hatte jemand von uns Zoom ausprobiert. Alles ging nur noch über
Mailkontakt und wir mussten uns halt irgendwie zurechtfinden.
Es
gab auch keine Ansprechpartner. Wir hatten die Plattform OLAT und eigentlich
lief am Anfang fast alles nur über die. Im ersten Semester war es sogar so,
dass es fast keine Zoomkonferenzen gab. Da wurde dann immer nur was hochgeladen
und jede Woche kam eine E-Mail vom Dozenten, dass wir die Aufgabe bearbeiten
sollen - wie Hausaufgaben. Es war das erste Mal, dass man etwas abgeben musste.
Plötzlich war es dann viel stressiger, man musste ja viel mehr lesen. Du musstest
dir alles selbst erarbeiten, dazu dann noch Aufgaben lösen und die dann noch
in einer gewissen Zeit erledigen und abgeben. Es war echt eine Katastrophe. Erst
im zweiten Semester hat es sich etwas eingependelt.
Was
war für dich am schlimmsten während der Coronapandemie?
Marilena: Am schlimmsten war wirklich, das
Gefühl zu haben, nicht mehr zu studieren. Es war eher wie Schule, weil ich
ständig irgendwelche Hausaufgaben machen musste. Wenn man Arbeiten nicht
abgegeben hat, ist man ‚aus dem Seminar geflogen‘. Und psychisch war es schon
belastend, dass man nicht raus durfte, man hatte ja kaum noch Kontakt zu
irgendwelchen Menschen. Schwer war es auch für die, die eine Sprache studierten:
Viele Seminare liefen nicht über Zoom, sondern man bearbeitete nur Texte und machte
Aufgaben. Da konsumiert man fast nur noch stumm. Einsamkeit und Druck waren
wirklich am schlimmsten.
Was war mit der Bibliothek bei euch? Die war bestimmt auch zu!
Marilena: Eine der dümmsten Sachen, die die Uni Landau gemacht hat,
war, dass sie die Bibliothek - sogar als wir wieder in die Uni durften -
zugelassen hat: wegen Coronamaßnahmen. Und das war wirklich problematisch für
alle, die einen Lern- bzw. einen Rückzugsort gesucht haben.
Wie verlief die Prüfungsphase bei dir? Was war da anders?
Marilena: Ich
weiß nicht, ob sie die Prüfungen einfacher gemacht haben, sie meinten aber,
dass sie Rücksicht auf uns nähmen. Da war es schon fast wieder ‚Glück‘. Wir
durften sie ja online schreiben, natürlich wurde davor nur über
E-Mail-Verkehr geklärt, wie es abläuft. Und dann war die Panik erst mal groß,
da niemand das zuvor so gemacht hat. Und dann musstest du auch noch Glück
haben, dass du zu Hause gerade gutes Internet hast...
War
in den darauffolgenden Semestern etwas anders?
Marilena: Das erste Semester war, wie gesagt, eine
Katastrophe. Das zweite ging dann schon besser. Die Dozenten wussten langsam,
was sie machen sollten, aber es war immer noch belastend. Es gab eine Zeit lang
so eine Art Übergangsphase: Mal traf man sich, mal lief es über Zoom und das
war eigentlich ganz cool, vor allem mal wieder da zu sein und alles
wiederzusehen. Und ab dann lief es auch irgendwie und sie haben es dann schon
ganz gut gemacht - ein paar Dozenten zumindest. Die haben sich richtig
drangesetzt und eine gute Lösung gefunden.
Wie
verlief die Umstellung vom Corona-Leben zum ‚normalem‘ Uni-Leben?
Marilena: Ich habe das Gefühl, alle hatten
plötzlich social anxiety (lacht), also wirklich, jeder war total ‚ängstlich‘
im Sinne von: Oh Gott, jetzt sehe ich wieder Menschen! Es hatte seine Vor- und
Nachteile, nur von zu Hause aus zu studieren: Es war gemütlich, meistens lag
man irgendwie im Bett oder man saß am Schreibtisch, musste nicht viel machen, klappte
den Laptop auf, war dann im Seminar und klappte ihn später wieder zu. Und plötzlich
musstest du dich auf einmal wieder fertigmachen, in die Uni gehen und sitzt in
einem Raum zwischen Studenten. Das war dann schon aufregend, erlösend, aber
auch schwer, besonders psychisch. Ich konnte nicht mehr viele Seminare machen.
Es war eine Überlastung für mich.
Vermisst du etwas aus der Coronazeit?
Marilena: (Nach langer Überlegung) Ich würde
mal sagen, nein. Es ist wahrscheinlich nicht die gesündeste Variante, aber ein
Online-Seminar hat auch seine Vorteile. Was sich durch Corona positiv
verändert hat? Wenn ein Dozent mal krank ist, aber nicht platt im Bett liegt, haben
wir die Seminare für ein bis zwei Wochen online. Und das ist eigentlich ganz
angenehm. Aber wirklich vermissen? Eigentlich bin ich froh, dass Corona nicht
mehr da ist.
Was hätte deine Uni anders machen sollen?
Marilena: Die Bibliothek auflassen! Man hätte uns wirklich einen
Rückzugsort geben müssen. Irgendwann gab es dann die Regelung, dass sie nur
ein paar Stunden offen ist. Jetzt hat sie sogar kürzere Öffnungszeiten als vor
Corona.
Interview:
Sophie Steyer
Vermutlich würden die meisten
Studenten und Studentinnen die Aussage bestätigen, dass die Pandemie ein
einschneidendes Ereignis für das Studium war. Die Pandemie war mit Blick auf
die jeweilige Wohnsituation, das soziale Umfeld, die psychische Belastbarkeit,
berufliche Perspektiven und eben auch mit Blick auf den weiteren Studienverlauf
eine enorme Herausforderung. Die Studentin Hannah S., die während der
Coronapandemie Germanistik im Bachelor studierte, teilt ihre Erfahrungen als
Studentin während der Pandemie mit und berichtet, inwieweit Corona das Studium
verändert hat.
Wie sah deine berufliche und
studentische Situation vor der Pandemie aus? Warst du häufig an der
Universität?
Hannah: Bevor Corona zum Thema wurde, war ich im
vierten Semester und eigentlich jeden Tag an der Uni, außer freitags. Zu dem
Zeitpunkt hatte ich das Nebenfach gewechselt, wodurch ich sehr viele Kurse
nachholen musste, und dadurch war ich in der Zeit vor Corona wirklich an vier
vollen Tagen die Woche von morgens bis abends am Campus. Das heißt, mein Leben
vor der Pandemie war irgendwie genauso, wie man sich ein Leben als Studentin
vorstellt. Abends spontan weggehen, zusammen in der Bibliothek Referate
vorbereiten, Vorlesungen und Seminare besuchen, jeden Tag unterschiedliche
Leute treffen, Hausarbeiten schreiben, lernen und eben alles, was so dazu
gehört. Damals habe ich außerdem nebenbei noch gekellnert. Das hat sich mit
Beginn der Pandemie schnell erledigt.
Das heißt, dass der erste
Lockdown sehr einschneidend für dich war?
Hannah: Ja, das war sehr heftig. Vor allem wenn
man einfach daran gewöhnt ist, jeden Tag nach Frankfurt an den Campus zu
fahren und dort Kommilitonen zu treffen. Zusammen in die Kurse zu gehen,
anschließend in der Mensa zu essen und auch abends mal spontan zusammen etwas
zu unternehmen. Die ganzen Alltäglichkeiten, die das Studium so ausmachen,
sind von einem auf den anderen Moment einfach nicht mehr möglich gewesen.
Wie hat sich die
Coronapandemie auf den Kontakt zu deinen Kommilitonen ausgewirkt?
Hannah: Einige haben sich schon abgekapselt.
Auch mit Kommilitonen, zu denen ich heute wieder regelmäßig Kontakt habe,
hatte ich während der Lockdowns gar keinen Bezug. Ich weiß von vielen, die ihr
Studium während der Pandemie total haben schleifen lassen. Zu anderen hatte
ich phasenweise auch regelmäßigen Kontakt über Zoom. So haben wir uns auch
mal abends per Zoom getroffen und ein Glas Wein zusammen getrunken [lacht]. Das
hat mir sehr geholfen, mich nicht so einsam zu fühlen. Es war sehr schwer für
mich, meine Kommilitonen nicht mehr vor Ort treffen zu können.
Spielte Einsamkeit eine
Rolle?
Hannah: Obwohl meine Eltern und ich im selben
Haus wohnen und ich jederzeit mit ihnen sprechen konnte, hat Einsamkeit eine
große Rolle gespielt. Es gab für mich kaum Kontakt zu gleichaltrigen Personen.
Nach einer Weile ist mein Freund dann aber zu mir gezogen. Dadurch hat sich
vieles verändert und die Situation wurde erträglicher. Aber auch innerhalb
der Seminare kam ein seltsames Gefühl der Einsamkeit hoch. Normalerweise hat
man Gelegenheit, sich vor und nach den Kursen mit Kommilitonen auszutauschen
und diskutiert während der Seminare miteinander. An einem Zoom-Seminar
teilzunehmen, ohne wirklich da zu sein und mitunter nur in schwarze Kacheln zu
blicken, weil ein Großteil der Teilnehmer ohne Kamera zugeschaltet ist, birgt
ein ganz neues Gefühl von Einsamkeit.
Gab es Konflikte in deinem
sozialen Umfeld, die außerhalb einer Pandemie vielleicht nicht aufgekommen
wären?
Hannah: Mitunter hatte ich häufig das Gefühl,
dass es wenig Verständnis dafür gab, dass Studierende unter der Pandemie und
unter den Lockdowns zu leiden hatten. Auch innerhalb der Familie bin ich
häufig auf Unverständnis gestoßen und wurde gefragt, wieso ich als Studentin
überhaupt unter der Pandemie zu leiden hätte. Ich erinnere mich an einen
Beitrag, den ich gelesen habe, in dem es darum ging, dass die „armen“ Studenten
nicht mehr feiern und saufen können... Man wurde mitunter einfach gar nicht
ernst genommen. Das war sehr schade.
Würdest du sagen, dass die
Pandemie deine Motivation hinsichtlich deines Studiums beeinflusst hat?
Hannah: Ja, aber das ist irgendwie schwer zu
erklären. Einerseits hat Corona mich angespornt, mein Studium
schnellstmöglich zu beenden, da ich keine Lust mehr auf die ständigen Zoom-
Sitzungen hatte. Die Kurse per Zoom zu besuchen, ist einfach nicht das gleiche
– das hat schon sehr an meiner Motivation genagt. Dennoch habe ich mich für
sehr viele Kurse eingetragen, da das Studium eine Art Beschäftigungstherapie
während der Pandemie für mich war. Man konnte ja nicht viel anderes machen,
also habe ich mich in das Studium gestürzt. Andererseits hatte ich totale
Angst, meine Bachelorthesis während der Pandemie schreiben zu müssen. Ich
wollte einfach wieder an den Campus.
Hast du während der
Pandemie mehr oder weniger für dein Studium geleistet?
Hannah: Gezwungenermaßen habe ich mehr geleistet
während der Pandemie. Die Dozenten hatten mitunter kein Gefühl dafür, was
sie den Studenten aufbürden und dass es die Umstände nicht unbedingt
einfacher gemacht haben. Vielleicht dachten die Dozenten auch, man hätte als
Student während der Lockdowns sonst nichts zu tun. Ich war in einigen
Seminaren eingeschrieben, wo neben Referaten und wöchentlicher
Anwesenheitspflicht, die streng kontrolliert wurde, auch noch wöchentliche
Abgaben erwartet wurden. Selbst wenn ich ein Seminar nur für den
Teilnahmenachweis besucht habe, hatte ich von meinem Gefühl her viel mehr zu
tun als für den Teilnahmenachweis in Präsenzseminaren. Generell habe ich mir
oft mehr Verständnis von Seiten der Dozenten gewünscht.
Gab es auch positive Aspekte
während der Pandemie für dich?
Hannah [schmunzelt]: Die ersten paar Wochen gab es manche
Situationen, die ich fast genießen konnte. Gerade im Sommer von der Terrasse
aus an Seminaren teilzunehmen, hatte schon sehr was für sich. Aber nach
wenigen Wochen konnte ich dem nichts Positives mehr abgewinnen. Die Zeit im
Lockdown war eine der schlimmsten meines Lebens. Ich war so froh, als die
ersten Kurse endlich wieder in Präsenz am Campus stattgefunden haben. Das war
das Schönste überhaupt. Am Anfang war es fast etwas beklemmend, nach all
dieser Zeit wieder unter Menschen zu sein. Einfach komisch. Aber die Freude hat
so sehr überwogen.
Interview: Victoria Thöne
Sie leiten derzeit stellvertretend die ,,Kita Kairos“
am Campus Riedberg, welche 135 Betreuungsplätze bietet und 40 Mitarbeiter:
innen beschäftigt. Damit haben Sie bereits alle Hände voll zu tun. Inwieweit
hat die Corona Pandemie ihren Arbeitsalltag beeinflusst und zusätzlich
erschwert?
RENNO: Zu Beginn der Pandemie war es natürlich eine
große Umstellung für alle, schließlich wusste niemand, wie es morgen
weitergeht. Innerhalb weniger Tage war unsere Kita für fast alle Kinder
geschlossen. Erst nach und nach konnten die Kinder wieder zu uns kommen und wir
so stückweise wieder öffnen.
Durch die schlechte Kommunikation der verschiedenen
Ämter und die kurzfristigen Maßnahmen, welche Freitagnachmittag entschieden,
jedoch schon montagmorgens umgesetzt werden sollten, hat der erste Lockdown uns
alle vor eine große Herausforderung gestellt. Es waren oft Dinge, die auf die
Schnelle so nicht umzusetzen waren, beispielsweise das geforderte
Hygienekonzept. Auch die Notbetreuung war ein Problem. Zunächst konnten nur
Kinder zu uns kommen, deren Eltern beide einen systemrelevanten Beruf hatten.
Das wurde mit der Zeit immer mehr gelockert, sodass nach und nach mehr Kinder
kommen konnten. Das Problem dabei war nur, dass die Eltern die Info, dass ihr
Kind nun wieder betreut werden könne, oftmals vor uns hatten und wir dann
überrascht worden sind. Das hat oft zu Chaos bei uns geführt, zumal man
zusätzlich auch mit weniger Personal arbeiten musste, da entweder viele
erkrankt sind oder aufgrund ihrer Risikogruppe nicht mehr arbeiten konnten.
Viele Eltern hatten auch Angst, ihre Kinder zu bringen, sodass das Ankommen in
der Kita für viele Kinder sehr schwierig war, da sie zuvor über einen längeren
Zeitraum ausschließlich zu Hause betreut worden waren. Die ganze Situation hat
alle vor große Herausforderungen gestellt, die nicht einfach waren, aber
irgendwie zu händeln sein mussten.
Was bedeutete das denn konkret für die ,,Kita Kairos“?
RENNO: Alles musste neu organisiert werden. Die
Notbetreuungsgruppen waren andere als die vorherigen, da natürlich viel weniger
Kinder da waren und Geschwisterkinder immer zusammen in einer Gruppe sein
sollten. Auch die räumlichen Gegebenheiten, wie zum Beispiel die Essräume,
mussten neu organisiert werden. Es gab zeitweise keine Neuaufnahmen mehr und
die Eltern durften ihre Kinder nur über die Terrasse abholen, ohne das Gebäude
zu betreten. Gerade in unserem Arbeitsbereich war das Tragen einer Maske immer
wieder ein Thema. Aufgrund der Personalsituation mussten wir unsere
Öffnungszeiten reduzieren. Währenddessen waren auch Teamsitzungen oder
Elternabende nicht mehr möglich - das hat gefehlt.
Mittlerweile ist die Pandemie wieder ein wenig
abgeflacht. Gehören Dinge wie Notbetreuung, Testpflicht und Hygienekonzept nach
wie vor zu ihrem Arbeitsalltag?
RENNO: Ein Hygienekonzept ist unabhängig von einer
Pandemie Bestandteil einer Kindertagesstätte. Nur die Ausführung hatte sich
zeitweise verändert und muss bis heute immer wieder angepasst werden. Die
Begriffe Testpflicht und Notbetreuung fallen immer nur in dem Konsens, dass
alle hoffen, dass man da nicht mehr hinkommen wird.
Gibt es zusätzliche Aufgaben, die Sie derzeit aufgrund
von Corona erledigen müssen?
RENNO: Aktuell tatsächlich nur noch in abgeschwächter
Form. Die Vorgabe aktuell ist, dass PCR bestätigte Fälle weiterhin an das
Gesundheitsamt gemeldet werden müssen. Abgesehen davon, habe ich derzeit keine
Aufgaben in Bezug auf Corona. Derzeit können wir wieder einen relativ normalen
Kitaalltag führen.
Welche Phase der Pandemie ist Ihnen besonders in
Erinnerung geblieben und was war dabei die größte Herausforderung?
RENNO: Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die
Zeit, als es von heute auf morgen hieß, dass ich mit meinen Kindern Zuhause
bleiben muss und wir uns im Lockdown befanden. Teilweise hatte ich dabei
einerseits ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht arbeiten und meine Kolleg:
innen unterstützen konnte, andererseits war es aber auch privat eine
Herausforderung, plötzlich mit den Kindern wieder Zuhause zu sein ohne die
Möglichkeit zu haben auf Spielplätze zu gehen oder sich mit Freunden zu treffen
und so weiter. Das wird auf jeden Fall lange in meiner Erinnerung bleiben.
Hat Ihr veränderter Arbeitsalltag auch das Verhältnis
zu den MitarbeiterInnen bzw. Eltern verändert?
RENNO: Das Verhältnis zu den Mitarbeiter: innen hat
sich zum Positiven verändert. Man ist einfach noch ein bisschen mehr
zusammengewachsen und hat auch mal privat erzählt, wenn beispielsweise jemand
aus dem eigenen Umfeld Corona hatte oder man sich über die verwandten
Risikopatienten gesorgt hat oder ähnliches. Dahingehend ist das Verhältnis
zwischen allen noch einmal intensiviert worden. Was die Eltern angeht, da
hatten wir immer eine sehr gute Kommunikation. Es wurde zwar nicht immer mit
Verständnis auf die jeweiligen neuen Maßnahmen reagiert, wenn es zum Beispiel
darum ging, dass die Kindertagesstätte erneut geschlossen werden musste oder
Kinder aufgrund eines anderen erkrankten Kindes bereits gegen 10 Uhr wieder
abgeholt werden mussten. Da gab es den ein oder anderen Fall, wo Eltern sich
beschwert haben und uns gegenüber nicht so nett reagiert haben.
Glücklicherweise konnten wir das jedoch immer wieder abwenden, sodass es nie
ein großer Streitpunkt geworden ist. Ich denke, das lag unter anderem daran,
dass die Nerven aller während der Pandemie einfach blank lagen.
Offensichtlich haben einige Eltern bemerkt, was es
bedeutet, wenn die Kinderbetreuung kurzfristig wegfällt. Ist daraus vielleicht
eine andere Anerkennung und Wertschätzung der Berufsgruppe Erzieher: innen
allgemein resultiert?
RENNO: Das ist eine schwierige Frage. Auf der einen
Seite wäre das natürlich sehr wünschenswert. Ich denke das ist einfach abhängig
von den Eltern, bei den einen ja und bei den anderen nein. Einen großen
Unterschied merke ich persönlich allerdings nicht.
Vielen Dank für das offene Gespräch.
RENNO: Sehr gerne.
Interview: Larissa Meng
Die Anfänge der Pandemie stellte uns alle vor große
Herausforderungen. Mit welchen Besonderheiten ging der Arbeitsalltag im
Kindergarten einher?
SOMMER: Als ich im Juli
2020 an den Kindergarten kam, gab es nur die Notbetreuung, weshalb ziemlich
wenig Kinder da waren. Wir durften nur in geschlossenen Gruppen arbeiten, uns
nicht mischen und mussten natürlich die Hygienevorschriften beachten. Ich
musste zu der Zeit außerdem mit meiner Gruppe viermal für zwei Wochen in Quarantäne,
was ich oft auch erst sehr kurzfristig erfahren habe; man wurde förmlich aus
dem Alltag gerissen dadurch. Das war gelegentlich ein bisschen komisch.
Notbetreuung bedeutet ja, dass nicht alle Kinder kommen
durften?
SOMMER: Genau, anfangs
durften nur die Kinder kommen, bei denen beide Eltern systemrelevant waren, was
sehr wenige waren. Dann durften gestaffelt immer mehr der 135 Kinder wieder kommen,
was jedoch für uns sehr schwer umzusetzen war. Die weitere Öffnung kam für uns
immer sehr plötzlich: Abends hieß es in den Nachrichten, dass ab dem nächsten
Tag auch alle Kinder kommen durften, bei denen nur ein Elternteil
systemrelevant ist. Wir mussten dann die Kinder mit ihren Eltern wieder nach
Hause schicken, da wir gar nicht das Personal hatten, entweder weil jemand in
Quarantäne war oder selbst Mutter oder alleinerziehend ist.
Wurde in der Zeit ein Alternativprogramm für die Kinder umgesetzt,
beispielsweise regelmäßige Treffen über Zoom oder andere Plattformen?
SOMMER: Wir haben auf
jeden Fall weniger gemacht als andere Kitas, aber wir hatten immer einen
Morgenkreis mit Begrüßungsliedern, welchen wir aufgenommen und verschickt haben.
Aber im Endeffekt war ein Video von vielleicht drei Minuten nicht ausreichend.
Manche Erzieher haben aber auch ‚Hausbesuche' gemacht und standen
beispielsweise unten am Balkon – denn richtige Treffen gingen da ja auch nicht.
Das alles ist jetzt nicht mehr so streng geregelt?
SOMMER: Nein, gar nicht
mehr. Aktuell gibt es keine Quarantäneverordnung mehr, selbst als
Kontaktperson. Alle Kinder dürfen wieder kommen, es gibt keine Maskenpflicht
mehr etc. Neu ist jetzt ungefähr seit April 2022, dass wir wieder neue Kinder
aufnehmen und die Eltern wieder die Kita betreten dürfen und sie ihre Kinder nicht
am Empfang abgeben müssen.
Wie läuft ein aktueller
Arbeitsalltag in einer Kita ab?
SOMMER: Der Frühdienst
kommt ab 7:30 Uhr, schließt auf und bereitet Frühstück vor. Ab 8:00 Uhr kommen
die Kinder, von denen in der Regel bis 8:30 Uhr alle da sind. Weil wir ein
teiloffenes Konzept haben, treffen sich die jüngeren Nestgruppen und die
älteren Hofgruppen und frühstücken und spielen gemeinsam. Danach trennen sich
die Gruppen und veranstalten den Morgenkreis. Wir haben verschiedene
Projekträume, in denen sich die Hofkinder mischen und selbst entscheiden
dürfen, was sie machen wollen. Mittagessen gibt es zuerst für die kleinen,
welche danach gewickelt und umgezogen werden und für ein bis drei Stunden
Mittagsschlaf halten. Um 15:30 Uhr gibt es für die Kinder noch einen Snack und
danach spielen sie zusammen, bis sie ab 17:30 Uhr von ihren Eltern abgeholt
werden.
Welche Aufgaben gibt es
für die Erzieher*innen in der Zeit, in der die Kinder schlafen?
SOMMER: Eine Person muss
immer im Raum bleiben und ‚Schlafwache' halten, falls ein Baby aufwacht. Die
anderen machen währenddessen Pause oder schreiben Protokolle, denn von allen
Kindern muss der Tag genau protokolliert werden. Der Spätdienst kann so
nachschauen, was während der Frühschicht passiert ist.
Ich kann mir vorstellen,
dass diese Arbeit mit den Kindern sehr anstrengend ist!
SOMMER: Ja, aufgrund der aktuell
wieder stattfindenden Eingewöhnungen von neuen Kindern sind die Gruppen mittlerweile
sehr voll und wir haben eigentlich viel zu wenig Personal, um das alles
abzudecken. Abgesehen davon können wir mittlerweile aber wieder unserer
alltäglichen Arbeit nachgehen und die ist an manchen Tagen mehr und an anderen
weniger anstrengend.
Wie haben die Kinder die vielen Veränderungen
aufgenommen? Konnte man etwa Änderungen am Verhalten feststellen?
SOMMER: Viele Kinder
hatten Schwierigkeiten, sich von ihren Geschwistern zu trennen, da diese in der
Regel in anderen Gruppen sind. Viele Kinder hatten in der Zeit keine Betreuung
außer von den Eltern; das Soziale fehlte, sodass sie gar nicht mehr richtig
wussten, wie man auf andere Kinder zugeht und gemeinsam zu spielen anfängt. Teilweise
gab es auffälligeres Verhalten, weil die Kinder zu Hause viel Tablet gespielt
haben und wenig Bewegung hatten, das ist aber mittlerweile wieder in Ordnung. Manche
Kinder konnten das Erlebte besser und andere schlechter verarbeiten. Teilweise
beobachten wir Entwicklungsdefizite, die aber in der Regel aufgeholt werden
können.
Gab es staatliche oder auch psychologische Hilfe, die man
wahrnehmen konnte als mitarbeitende Person oder auch als Kind oder Elternteil?
SOMMER: Von psychologsicher Hilfe wüsste ich nichts, aber da wir eine Betriebskita sind, haben wir einen Betriebsarzt, zu dem man wahrscheinlich hätte gehen können. Sonst gab es einen Coronabonus von einmalig 300 Euro. Viele Eltern haben gesagt, dass sie die Schließung auch finanziell gemerkt haben. Drei Mahlzeiten am Tag plötzlich selbst bezahlen und auch kochen zu müssen, hat für viele einen Unterschied gemacht. Gerade am Anfang war es eben eine große Umstellung, aber mittlerweile geht es zum Glück aufwärts.
Vielen Dank für das Gespräch!