Dr. Alfred Köth - Dozent für Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften

Auch für Dozent*innen ein Ort für das 3. Lebensalter

Ich bin Geburtsjahrgang 1951; zu meiner Zeit wurde man volljährig (ein merkwürdiges Wort) mit 21 Jahren. Begreift man das erste Lebensalter als den Lebensabschnitt des Aufwachsens im Kreise der Herkunftsfamilie, dann begann mein zweites Lebensalter, nach Absolvieren des damals noch 18-monatigen Ersatzdienstes, mit dem Studium an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität, Frankfurt. Das damals höchste Gebäude in Frankfurt, der AfE-Turm in der Robert Mayer-Straße, beherbergte mit seinen 7 Aufzügen, von denen aber nur 5 (maximal !) funktionierten, die Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften. Den kurz zuvor gegründeten Studiengang der Diplompädagogik (mit den Nebenfächern Psychologie und Soziologie) schloss ich 1977 ab. In meiner Studienzeit war Professor Günther Böhme Dekan mit den Schwerpunkten Bildungsphilosophie, Bildungsgeschichte und Bildungstheorie.

Ja, genau der Professor Günther Böhme, der 1982 die Universität des dritten Lebensalters gründete. Zu der Zeit befand ich mich allerdings mitten im zweiten Lebensalter und arbeitete Vollzeit (noch so ein merkwürdiges Wort), ab der Geburt meines Sohnes dann noch Teilzeit, als Diplompädagoge und später als Psychotherapeut. Von der U3L erfuhr ich von einem Freund, als ich 63 Jahre alt war, also passend zum Beginn meines dritten Lebensalters. Begeistert von den vielfältigen Angeboten schrieb ich mich als einer von mehr als 3.500 Studenten (damals noch nicht Studierende genannt) im Sommersemester 2014 ein. Der AfETurm war gerade kurz zuvor gesprengt worden. Als das höchste Gebäude, das bis dahin in Europa gesprengt wurde. Somit ist mein zweites Lebensalter eingerahmt vom Anfang und Ende dieses Turms.

Professor Böhme sprach mit seinen 91 Jahren in der Ringvorlesung im Hörsaal V, den ich aus meiner Studentenzeit noch als Ort der Vollversammlungen kannte, über den Ursprung unseres Denkens bei den Griechen. Frau Professorin Deninger-Polzer begeisterte im selben stets vollen Hörsaal ihre Zuhörerschaft mit Vorlesungen über Religionen zwischen Gewalt und Toleranz. Selbst zu frühen Zeiten fanden gut besuchte Seminare statt: Thomas Hammer (montags früh um 8 Uhr) über (na, was wohl?) frühe griechische Philosophie. Über Bibelrezeptionen in Kultur und Wissenschaft der Gegenwart konnte man sich in Seminaren genauso informieren wie über tibetisch-tantrischen Buddhismus.

Nach einigen Semestern als U3L-Studierender äußerte ich das Interesse, im Rahmen der U3L ein Seminar zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen ((BGE) zu finden. Nachdem keiner der von mir angesprochenen Dozenten dies plante, bewarb ich mich selbst als Dozent. In einem Kennenlerngespräch ergab sich, dass Frau Knopf dieses Thema spannend fand, dass aber Frau Deninger-Polzer eher ein Thema aus meinem Fachgebiet vorschlug. Kompromiss war, dass ich im Sommersemester 2019 im Rahmen des Semesterthemas: Freiheit und Determinismus ein Seminar zum BGE anbieten sollte, sodann im Wintersemester ein Seminar zur Psychotherapie.

Somit biete ich nun als Dozent, seit dem Sommersemester 2020 aufgrund von Corona über Zoom, U3L-Seminare an. Und plane damit mein drittes Lebensalter zu verbringen. Parallel zu meinem eigenen Seminar besuche ich natürlich noch andere U3L-Seminare, die inzwischen auch wieder in Präsenz stattfinden. Wobei ich feststelle, dass das Interesse der U3L-Studierenden durchaus gespalten ist: ein Teil legt großen Wert auf direkten Kontakt im Hörsaal oder Seminarraum, ein anderer Teil genießt die Möglichkeit, von überall aus, auch im Urlaub, in Zoom-Konferenzen an den Angeboten der U3L teilzunehmen.

Alfred Köth