Fritz Klimsch, „Am Wasser“

An prominenter Stelle begegnet uns auf dem Campus Westend der bronzene Frauenakt ‚Am Wasser‘ von Fritz Klimsch, einem in Frankfurt geborenen Künstler. Zentral auf der Mittelachse zwischen dem I.G.-Farben Hochhaus und dem Casino-Gebäude, das heute die Mensa beherbergt, sitzt die Frau seit 1931 mittig auf der Brüstung der zum Casino heraufführenden Treppenanlage. In betont anmutiger Haltung – mit beiden Händen stützt sie sich hinter ihrem Rücken ab, ihr linkes Bein ist angewinkelt und über das rechte geschlagen – scheint sie über ihre Schulter blickend das ‚ihr zu Füßen liegende‘ Wasserbassin zu betrachten. Dieser Bronzeguss stellt eine der herausragenden Variationen des künstlerischen Hauptthemas Klimschs dar, dem sitzenden weiblichen Akt.

 

In Frankfurt finden sich noch weitere Skulpturen Klimschs. Nicht nur im Städel-Museum oder im Museum Giersch, sondern auch auf dem Hauptfriedhof und selbst im Palmengarten sind seine Werke aufgestellt. An keinem dieser Orte nimmt die Skulptur aber einen derartig augenfälligen Platz ein, wie auf dem Campus Westend. Der Mittelbau des I.G.-Farben-Hochhauses und das Casino bilden gemeinsam mit dem zwischen ihnen liegenden Wasserbassin eine bauliche Achse. Das Wasserbassin wird links und rechts von je einem Fußweg flankiert, die vor dem erhöht liegenden Casino in zwei Treppenläufen sich fortsetzen. Diese vereinigen sich just hinter Klimschs Nixe auf dem Treppenpodest und führen in einem breiten Treppenlauf bis zum Casino hinauf.Dieser zentralen und exponierten Aufstellung der Bronzeskulptur scheint ihre eigene Gestalt, entgegenzustehen. Sie spricht den Betrachter nicht direkt an, sondern wirkt vielmehr in sich gekehrt. Nähert sich der Betrachter von rechts, so kann er nur ihren Rücken erblicken. Von links kommend, bietet sich ihm zwar die Vorderseite ihres Körpers dar, doch wird durch ihr übergeschlagenes linkes Bein zugleich Distanz geschaffen und ihr Oberkörper abgeschirmt. Ihr Gesicht ist von links wie von rechts nur im Profil zu erkennen. Sie blickt nach unten auf den künstlichen Wasserfall, der knapp unter ihr sich in das Wasserbassin ergießt, sodass ihr Gesicht nicht von vorn gesehen werden kann.

Einerseits entsteht also der Eindruck, die Figur beherrsche durch ihre zentrale Aufstellung die Architektur des Ensembles. Andererseits ist sie in ihrer Exponierung angreifbar und scheint ob ihrer Größe zwischen dem monumentalen I.G.-Farben-Hochhaus und dem erhöht stehenden Casino geradezu verschwindend. In dieser Weise kann die sich abschirmende und abwendende Haltung der Nackten gelesen werden. Ganz anders verhält es sich bei der ‚Schauenden‘, die der Künstler ebenfalls für die Farbenwerke herstellte, nämlich zur Aufstellung an einem Freibad auf dem Leverkusener Werksgelände. Die ‚Schauende‘ richtet ihren Blick bestimmt in die Ferne und präsentiert sich in selbstsicherer Haltung, ihrer erotischen Ausstrahlung wohl bewusst.

 

Es muss erwähnt werden, dass Klimsch ein Günstling des NS-Regimes war, obgleich seine künstlerischen Vorstellungen angeblich nicht von rassistischen Ideologien geprägt, sondern vielmehr von Körperdarstellungen der Antike beeinflusst waren. So äußert sich Klimsch nach dem Zweiten Weltkrieg in seinen ‚Erinnerungen und Gedanken eines Bildhauers‘: „[N]achstreben kann man nur einem Ideal, und das ist für mich Hellas.“ Er zeigte sich in einem Brief von 1947 an Georg Kolbe verwundert und verbittert darüber, dass er als Künstler der NS-Propaganda gewirkt haben soll. In der Monographie Fritz Klimsch. Die Welt des Bildhauers,die Uli Klimsch, der Sohn des Künstlers, 1938 veröffentlichte, wurde sehr wohl eine regimenahe Haltung des Künstlers suggeriert. Eine Bemerkung zu Klimschs Aktfiguren zeigt den Charakter des Textes: „Es handelt sich hier nicht um zarte, schwächliche, zerbrechliche, sondern um feste, starke, gesunde Mädchenkörper, obwohl es einem auf den ersten Blick so vorkommt, als schlösse die überaus sensible Bewegung das Kräftige aus. Kraft und Anmut bedingen einander, das ist eine alte Tatsache. Es gibt keine schwache Grazie.“ Goebbels scheint laut seiner Tagebucheintragungen angetan von Klimschs Werken gewesen zu sein. Er schaffe wundervolle Plastiken, sei sogar ein Genie. Nicht zuletzt gilt es darauf hinzuweisen, dass Klimsch sogar in die Sonderabteilung der sogenannten ‚Gottbegnadeten-Liste‘ des Führers aufgenommen wurde, in der sich die von Adolf Hitler und Joseph Goebbels erwählten zwölf wichtigsten bildenden Künstler des Deutschen Reiches finden.

Fritz Klimsch wurde 1870 in Frankfurt am Main geboren und starb 1960 in Freiburg im Breisgau. Sein Werk war zuletzt 2010 Gegenstand einer Ausstellung, nämlich ‚Die Bildhauer August Gaul und Fritz Klimsch‘ im Frankfurter Museum Giersch.

Ferdinand Sander