Interview: Bewegung schützt vor Krankheit

Fragen an Prof. Winfried Banzer, Sportmediziner an der Goethe-Universität, zur Bedeutung von Sport für die Gesundheitsvorsorge

Veröffentlicht am: Dienstag, 22. Mai 2012, 14:50 Uhr (018)


Herr Prof. Banzer, im Frühjahr fangen viele Menschen verstärkt wieder an, sich draußen zu bewegen und Sport zu treiben. Was ist aus medizinischer Sicht daran positiv, wogegen kann körperliche Fitness schützen?

Regelmäßige Bewegung mit moderater Intensität senkt nachweisbar das Risiko zahlreicher chronischer Erkrankungen, wie z.B. Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumoren oder Bluthochdruck. Zudem verbessert sie die funktionale und psychische Gesundheit und trägt zum Erhalt der Selbständigkeit im Alter bei. 

Ist das auch für Menschen mit einer chronischen Krankheit empfehlenswert? Sollte auf jeden Fall ein Arzt konsultiert werden?

Bei den meisten chronischen Erkrankungen ist Bewegung eine sehr sinnvolle und effektive Therapiemaßnahme.  Entsprechend wird Bewegung von zahlreichen Fachgesellschaften in ihren Behandlungsleitlinien empfohlen.  Je nach Schwere der Erkrankung, Alter oder allgemeinem Gesundheitszustand kann sie alleine oder als Ergänzung zu anderen Therapieformen eingesetzt werden.  Bei chronisch Kranken und bei Neu- bzw. Wiedereinsteigern empfiehlt sich eine sportmedizinische Untersuchung, um eventuelle Kontraindikationen auszuschließen und optimale Bewegungsformen zu finden. 

Welche Beschwerden oder Erkrankungen sind denn besonders gut mit Bewegung therapierbar? Welche Sportarten wären empfehlenswert, welche nicht?

Die Therapieeffekte der Bewegung sind bei den häufigsten chronischen Erkrankungen mittlerweile sehr gut erforscht und belegt.  So hat sich Bewegung bei Diabetes, Bluthochdruck  oder stabilen Herz-Kreislauf-Erkrankungen als sehr effektiv erwiesen.  Bei bestimmten Tumorerkrankungen kann Bewegung gegen Rezidive prophylaktisch wirken.  Bewegung beeinflusst allerdings nicht nur klinische Werte günstig; mindestens genauso wichtig sind mentale und psychische Effekte, wie z.B. eine Verbesserung der bei den chronisch Kranken häufig eingeschränkten Lebensqualität.  Im Allgemeinen kann man sagen, dass bei Bewegung mit moderater Intensität die Risiken eher klein und die Gesundheitsbenefits bedeutend sind.  Welche Sportarten im Einzelnen empfehlenswert sind, hängt von vielen Faktoren, wie z.B. Gesundheitszustand, Alter oder  individuellen Präferenzen ab und sollte im Idealfall in der sportmedizinischen Beratung geklärt werden. 

Gibt es wissenschaftliche Belege für die Wirkung von Bewegung auf die Gesundheit?

Die Wirkung von Bewegung auf die Gesundheit ist auf höchstem wissenschaftlichen Evidenzniveau dokumentiert.

In welchen Fällen sind denn nach wie vor eher moderate körperliche Aktivitäten angezeigt, wo lauern die Gefahren, wer sind die Risikogruppen? Gibt es Altersgrenzen?

Moderate körperliche Aktivität ist sehr gesundheitswirksam.  Gerade bei Neu- bzw. Wiedereinsteigern empfiehlt sich diese Intensität.  Neuere Erkenntnisse zeigen, dass Bewegung nicht unbedingt intensiv sein muss, um die Gesundheit zu stärken.  Zudem gibt es Hinweise dafür, dass frühere Sportmuffel ihre Aktivität eher aufrecht erhalten, wenn diese von moderater Intensität ist.  Bei Bewegung gibt es keine Altersgrenzen, es ist nie zu spät anzufangen!  Studien zeigen, dass selbst im Alter aufgenommene körperliche Aktivität die Sterblichkeit senken kann. 

Wie ist eigentlich Bewegungsmangel erklärbar, warum haben viele Menschen keinen „natürlichen“ Drang, sich körperlich zu betätigen? Muss die Freude an der Bewegung erlernt werden?

Bewegungsmangel hat sicher unterschiedliche Gründe. Der Mensch ist von Natur aus auf Bewegung ausgelegt.  Früher war es allerdings eher eine Notwendigkeit sich zu bewegen, der technische Fortschritt hat diese Notwendigkeit allerdings sehr weit zurückgefahren.  Mit der Modernisierung sind aber auch viele sichere und einladende Möglichkeiten der zweckfreien Bewegung verschwunden.  Wir müssen unsere gebaute Umgebung für die Bewegung zurückerobern.