Echt inszeniert. Interviews in Literatur und Literaturbetrieb

Tagung vom 26. bis 28. September 2012 am Literaturhaus Frankfurt

Wir leben in einer Interviewgesellschaft. Dies zeigt sich seit längerem auch im Literaturbetrieb. Die im 19. Jahrhundert ›erfundenen‹ Interviews gehören – als eine der jüngsten Textgattungen – heute zum festen Bestandteil des literarischen Feldes: Sie begleiten mit zunehmender Selbstverständlichkeit die Lektüre von Neuerscheinungen, gehören zum Alltag von Literaturkritikern und sind ein äußerst wirksamer Bestandteil der Inszenierungspraktiken von Schriftstellern.

Das Symposium rückt das von der Literaturwissenschaft bisher kaum erforschte Grenzphänomen ›Interview‹ aus mehreren Perspektiven in den Blick. Die erste Sektion der Tagung widmet sich der Theorie sowie der Kultur- und Mediengeschichte des Interviews; sie fragt auch danach, inwiefern die literaturwissenschaftliche Interviewanalyse von anderen Disziplinen profitieren kann, in denen die Arbeit mit Interviews bereits fest etabliert ist. In der zweiten Sektion ›Interviews über/als Literatur‹ wird der Blick auf historische Veränderungen in der Interviewpraxis gerichtet, auf mediale Bedingungen sowie Personal- und Inszenierungstechniken von Autoren und Interviewern; mit zu diskutieren ist dabei, welchen Standort im ›Werk‹ einzelner Autoren das Interview hat und inwiefern es als eigenständige Kunstform bzw. als literarische Gattung angesehen werden kann. Die dritte Sektion ›Interviews in Literatur‹ analysiert – ausgehend von der Beobachtung, dass Interviews seit den 1970er Jahren zunehmend zum Bestandteil fiktionaler Texte werden – die Formen und Funktionen von Interviews in literarischen Texten.

Auf der Tagung diskutieren Literatur-, Medien-, Kunst-, Sozial- und Geschichtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem In- und Ausland über Interviews. Neben Vorträgen mit Diskussionen bietet die Tagung ein Forumsgespräch mit Interview-Experten aus unterschiedlichen Wissenschaften sowie eine Podiumsdiskussion mit aktuellen Akteuren des Autoreninterviews, darunter die aktuelle Büchnerpreis-Trägerin Felicitas Hoppe, Moritz von Uslar, Erfinder des erfolgreichen Interviewformats ›100 Fragen an …‹, sowie Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses Frankfurt.

Die Tagung wird gefördert von der VolkswagenStiftung und von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität.

Den Flyer (mit Programm) und das Plakat zur Tagung finden Sie rechts unter Downloads.
Ein Gespräch über das Projekt, veröffentlicht in Forschung Frankfurt (Heft 3/2011), finden Sie hier.


Organisation

Jun.-Prof. Dr. Torsten Hoffmann
Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt

Apl. Prof. Dr. Gerhard Kaiser
Seminar für deutsche Philologie
Georg August-Universität Göttingen


Programm

Mittwoch, 26. September 2012
 
13.00-13.30
Begrüßung und Einführung
Torsten Hoffman (Frankfurt) und Gerhard Kaiser (Göttingen)
 
Sektion 1: Theorie und Kulturgeschichte des Interviews
 
13.30-15.00
»The interview was not a happy invention«. Geschichte und Phänomenologie des Interviews
Ute Cathrin Gröbel, München
 
Interview-Authentizität für die Celebrity. Zur Gattungs- und Mediengeschichte des Interviews
Jens Ruchatz, Erlangen-Nürnberg
 
15.30-17.00
Interview, Pop, Paratext – Ein Vorschlag in systematischer Absicht
Klaus Birnstiel, Basel
 
Das Interview als unreine Gattung. Die Posture im Spannungsverhältnis zwischen Format und kreativer Transgression
Stéphanie Vanasten, Louvain-la-Neuve / Belgien
 
17.30
Interviews interdisziplinär. Forumsgespräch
Mit dem Kunsthistoriker Michael Diers (Hamburg, Berlin), dem
Soziologen Martin Kuhlmann (Göttingen) und der Historikerin
Almut Leh (Jena); Moderation: Torsten Hoffmann und Gerhard
Kaiser
 

Donnerstag, 27. September 2012

Sektion 2: Interviews über/als Literatur

9.30-11.00
Wielands Absichten. Zur Vorgeschichte des Schriftstellerinterviews
Peer Trilcke, Göttingen

 
Une heure avec Frédéric Lefèvre. Deutsche Autoren der zwanziger und dreißiger Jahre in Pariser Interviews
Erich Unglaub, Braunschweig
 
11.30-13.00
Heinz Ludwig Arnolds Meine Gespräche mit Schriftstellern (Handke, Hochhuth, Grass)
Anja Johannsen, Göttingen
 
»Es gibt keine Ideen mehr, nur ein geistiges Vakuum«. Heiner Müller im Interview mit Alexander Kluge
Katrin Dettmer, Providence/USA
 
Mittagspause
 
14.30-16.00
»Die Redereien und Selbstdarstellungen hasse ich«. Thomas Bernhards Interview-Kunst
Clemens Götze, Wien/Österreich
 
Sätze wie Plakate. Das Interview als Konstituens auktorialer Individualität im Werk Elfriede Jelineks und dessen Rezeption
Jeanine Tuschling, Aston/GB
 
16.30-18.00
Interview als Problem. Der Fall Charlotte Roche
Tabea Dörfelt-Mathey, Jena
 
Erfahrungsbericht Interviewcollage: Das inszenierte Tischgespräch der Zeitschrift sprachgebunden
Jan Valk, Berlin
 
19.30
Reden! Ein Podiumsgespräch zur Praxis des Autoreninterviews
Mit Felicitas Hoppe (Berlin), Hauke Hückstädt (Frankfurt) und
Moritz von Uslar (Berlin); Moderation: Heinz Drügh (Frankfurt)

 

Freitag, 28. September 2012
 
Sektion 3: Interviews in Literatur
 
9.30-11.00
Rede und Antwort. Interviews mit Stellenlosen in Wissenschaft
und Literatur um 1900
Simon Roloff, Berlin
 
Vom ›Interviewer‹ zur ›Elfriede Ritter‹: Das literarisierte Interview in der deutsch-jüdischen Moderne
Burkhard Meyer-Sickendiek, Berlin
 
11.30-13.00
Der Autor (sic!) im Gespräch. Interview und Autofiktion in Irmtraud Morgners Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura und Ingeborg Bachmanns Malina
Jörg Pottbeckers, Chemnitz
 

Reden wir übers Geschäft! Formen und Funktionen des Interviews in der Erzählliteratur nach 2000
Daniel Lutz, Karlsruhe

 
Mittagspause
 
14.00-15.30
Das Interview als Roman. Wolf Haas und Das Wetter vor 15 Jahren
Matthias Schaffrick, Münster
 
Das fiktive Schriftstellerinterview bei Hans Magnus Enzensberger und Wolf Haas im Zeichen der Wiederbegegnung mit dem eigenen Wort
Misia Sophia Doms, Saarbrücken
 
15.30-16.00
Abschlussdiskussion