Feldforschung im Rhein-Main-Gebiet

Im Rahmen eines Seminars zum Thema „Musikethnologische Feldforschung“ haben Studierende während des Wintersemesters 08/09 einige kleine Projekte im Rhein-Main-Gebiet konzipiert und durchgeführt. Das Spektrum der Themen umfasste die Musik bzw. Musikrezeption von Jugendlichen mit Migrantenhintergrund, den Umgang von Musikern mit fremden Klängen und Tänzen sowie die Aktivitäten der Mittelalterszene. Entsprechend vielfältig waren die Fragestellungen und methodischen Herangehensweisen, die vor dem Hintergrund der fachtheoretischen Diskussion erarbeitet wurden. Die Anwendung der Methoden wie auch der Einsatz der zur Dokumentation benötigten technischen Geräte und nicht zuletzt die Strategien zur Bewältigung praktischer Hindernisse konnten in unterschiedlicher Form erprobt werden. Im Folgenden sind die einzelnen Projekte kurz beschrieben.

Andreas Meyer



Tangomusik in Frankfurt

Hinter dem Begriff „Tango“ steckt zweierlei: zum einen der Tanz, der sich durch seine Leidenschaftlichkeit, sein Temperament, gleichzeitig aber auch durch seine Romantik und Zärtlichkeit auszeichnet. Zum anderen die Musikrichtung, die aufgrund der Nähe zum Tanz und der textlich oft affektiven Inhalte nicht weniger emotional aufgeladen ist. Der Tango sowohl als Tanz als auch Musikrichtung hat seinen Ursprung in Südamerika, insbesondere in Buenos Aires und Montevideo, wo er sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts aus verschiedenen musikalischen und kulturellen Einflüssen entwickelte. Zu Beginn wurde er von der Oberschicht noch als wild und anstößig empfunden, fand dann aber im Laufe der Zeit mehr und mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Verbreitung. Von 1958 bis 1960 wurde der Tango in Deutschland zu den Lateinamerikanischen Tänzen gezählt, 1963 wurde er als Standardtanz in das Welttanzprogramm aufgenommen und gehört seither zum festen Repertoire der europäischen Tanzschulen.

Im Zentrum unseres Interesses steht aber weniger der Europäische Standardtango, sondern vielmehr der Tango Argentino (oder Tango vom Rio de la Plata). Dieser hat keinen einheitlich festgelegten Rhythmus, im Gegensatz zur sehr viel rigideren rhythmischen Struktur des Standardtangos. Trotzdem gibt es klangliche und rhythmische Elemente, die den Tango Argentino als solchen definieren und identifizierbar machen. Die Musik kann sehr langsam und melancholisch sein, im Dreivierteltakt (Vals) oder auch sehr schnell und beschwingt (Milonga). Der Rhythmus kann auch innerhalb eines Stückes wechseln, was musikalisches Können und Einfühlungsvermögen der Tänzer, beziehungsweise der Musiker untereinander voraussetzt. Seit den 1990er Jahren erfreut sich der Argentinische Tango besonders in Deutschland einer wachsenden Beliebtheit und einer stetig wachsende Gemeinde an Aficionados (Liebhaber bzw. der Szene und Kultur nahe Stehende) und Tänzern. In vielen Städten gehören Milongas (Tanzveranstaltungen) zum selbstverständlichen kulturellen Angebot.


Mi Loco Tango
Mi Loco Tango, Frankfurt am Main

Im Rahmen unseres Projektes widmen wir uns dem Argentinischen Tango als musikkulturelle Erscheinung am Beispiel des Frankfurter Quartetts Mi Loco Tango. Dabei untersuchen wir einerseits Aspekte der musikpraktischen Gegebenheiten, andererseits soziokulturelle Hintergründe der beteiligten Musiker im Hinblick auf ihre Beziehung zur Tangomusik. Mi Loco Tango besteht aus dem russischen Bajanist Vassily Dück, der Pianistin Judith Herrmann, Irina Bunn an der Geige und Gregor Praml am Kontrabass. Ihr musikalisches Programm ist weit gefächert und beinhaltet die wichtigsten Werke des argentinischen Komponisten und Musikers Astor Piazzolla. Mit seiner Musik taucht man in eine Welt der großen Gefühle aus Liebe, Leidenschaft, Trauer und Schmerz. Mi Loco Tango interpretieren Piazzolla’s Tango Nuevo anders und neu, begründet durch die individuellen musikalischen Wurzeln der vier Musiker. Um die Musik verstehen zu können, betrachteten wir sie in ihrem kulturell-gesellschaftlichen Kontext. Wir trafen uns mit den Musikern zur Probe in Frankfurt und dokumentierten die 2½ Stunden mit der Videokamera. Wir erlebten die Musiker herzlich und humorvoll, frei und professionell in ihren Arrangements. Wir bekamen einen Einblick in die Arbeitsweise, das Zusammenspiel, das Arrangement der einzelnen Musikstücke, Notenbeschaffung, etc. Nach einer Auswertung des so beschafften Materials führten wir ein weiteres Interview mit den Musikern. Bei dieser Gelegenheit hatten wir die Möglichkeit, Mi Loco Tango mit dem Argentinischen Ensemble Alejandro Ziegler Cuarteto zu vergleichen, die in der Academia de Tango zu einer Milonga ein Konzert gaben. Das Aufeinandertreffen sowohl der verschiedenen Aspekte des Tango (Musiker/Tänzer), als auch der beiden Ensembles, war in Bezug auf unsere Beobachtungen besonders aufschlussreich, da sichtbar wurde, wie sich der inter-kulturelle Austausch vollzieht.

Julia Hachmer, Dietmar Hartwig, Anna-M. Rosenauer, Judith Waibel



Bollywood – Filmmusik als identitätsstiftendes Moment der indischen Diasporagemeinschaft?

Die Musik des kommerziellen indischen Kinos, das auch unter der Bezeichnung „Bollywood“ bekannt ist, stellt mit einem Marktanteil von 70% (http://www.indianmi.org/national.htm) am gesamten indischen Musikmarkt die meistrezipierte und -gekaufte Musik des Landes dar. Wie Gregory Diethrich (1999/2000) in seiner Studie über indische Jugendkultur in Chicago feststellt, nimmt die Filmmusik nicht nur innerhalb der nationalstaatlichen Grenzen Indiens, sondern immer mehr auch in den indischen Diasporagemeinschaften eine zentrale Stellung ein.

„Among diaspora communities, music is vital for formulating diasporic cultural identity. [...]. Desi music also helps maintain the diasporic relationship with the homeland through the use of current Hindi film songs [...].“ (Diethrich 1999/2000: 35, 55) [Anm. d. Verf.: „Desi“ abgeleitet von „desh“, Sanskrit für Nation / Mutterland, dient u.a. als Bezeichnung der Subkultur der südasiatischen Diaspora].

Anknüpfend an Diethrichs Studie beschlossen wir der Frage nachzugehen, inwiefern die indische Filmmusik innerhalb der indischen Diaspora des Rhein-Main-Gebietes, die beinahe 6000 indische Staatsangehörige umfasst (FAZ 05.10.2006), als identitätsstiftender Bestandteil angesehen wird. Hierzu besuchten wir am 05.12.2008 die Party „Sounds of Bollywood“ in Frankfurt. Diese Veranstaltung ist Teil einer regelmäßig stattfindenden Reihe, die 2005 von der Agentur „NRI Community“ initiiert wurde. NRI steht hierbei als Abkürzung für Non-resident Indian und bezeichnet indische Staatsangehörige, die außerhalb des indischen Staatsgrenzen leben. Die Agentur sieht sich als Förderer der indischen Gemeinschaft in Deutschland. Sie will einen Treffpunkt schaffen, „wo man die Möglichkeit hat, die fast verloren gegangene, eigene Kultur und Traditionen zusammen ausleben zu können“ (aus der Selbstdarstellung der „NRI Community“; http://www.nri-community.in/).

Durch Informanten hatten wir vorab erfahren, dass diese Veranstaltungen eine wichtige Institution innerhalb der indischen Jugendkultur sind und auch überregional als Treffpunkt der jungen indischen Gemeinde fungieren. Vor Ort führten wir qualitative Interviews mit mehreren Besuchern der Veranstaltung durch und machten Videoaufnahmen des Ablaufs. Die Fragen richteten sich hierbei vor allem auf die Eigenwahrnehmung der Besucher in Bezug auf die Rolle der indischen Filmmusik in ihrem Alltag. Durch eine möglichst offene Fragestellung wollten wir herausfinden, inwiefern die Filmmusik für die indischen Rezipienten im Rhein-Main-Gebiet tatsächlich eine eigene „indische“ Identität konstruiert.

Erste Ergebnisse der geführten Interviews bestätigten unsere Annahme, dass die Musik der Bollywoodfilme maßgeblich zur Identitätsbildung innerhalb der jungen indischen Diasporagemeinschaft im Rhein-Main-Gebiet beiträgt. In diesem Zusammenhang spielt laut Aussage der Interviewpartner vor allem die Rhythmik der Filmmusik eine besondere Rolle, die als spezifisch „indisch“ bezeichnet wurde. Aufbauend auf die Resultate dieser ersten Forschungsphase ist geplant ein Experteninterview mit dem Geschäftsführer der „NRI Community“ Herrn Neeraj Popat zu führen, der als DJ auch für die Musik der „Sounds of Bollywood“ Partys verantwortlich ist. Dieses Interview soll die ersten Ergebnisse um eine zusätzliche Perspektive eines konkreten Akteurs der indischen Szene in Frankfurt erweitern und so eine umfassendere Beantwortung der Fragestellung ermöglichen.

Literatur:

Cornelia Günauer, Hassan Ince



Musik auf Mittelaltermärkten im Rhein-Main Gebiet

Die Auseinandersetzung mit dem Mittelalter mutet vielleicht auf den ersten Blick anachronistisch an und doch birgt diese Epoche eine recht eigene Faszination. Das Stigma des „dunklen Zeitalters“ bleibt allgegenwärtig, aber Mittelaltermärkte und mittelalterliche (Fest-)Spiele erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Die zahlreichen Burgen der Umgebung werden als atmosphärische Kulisse entdeckt und gebraucht.

Dass es die Märkte so, wie sie heutzutage veranstaltet werden, nie gab, stört hierbei wenige. Meist ist es das vielzitierte „Abenteuer Mittelalter“, das lockt und der „Zauber, dem man sich nicht entziehen kann“. Mit der Entstehung der Mittelalterszene ist auch parallel eine mittelalterliche Musikszene entstanden. Diese ist sehr breit gefächert, von den Versuchen mittelalterliche Texte akustisch zu vertonen, mittelalterliche Musikstücke auf historischen Instrumenten wiederzugeben oder auch völlig neue Stile mit E-Gitarre und Schlagzeug in Anlehnung an mittelalterlich anmutende Musik zu entwickeln. Diese Entwicklungen vorausgesetzt, untersuchten wir, welche Rolle die Musik auf Mittelaltermärkten spielt, wie sie bewusst eingesetzt aber auch betrachtet wird.

Unter der Schirmherrschaft des Vereins „Freunde der Ronneburg“ finden seit dem Jahre 2000 kulturelle Veranstaltungen wie Turniere, Ostermärkte oder eben auch der Weihnachtsmarkt statt. Dieser Verein zeichnet auch für die Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten verantwortlich. Auf dem „historischen Weihnachtsmarkt“ der Burg Ronneburg, die von Gerlach II. von Büdingen 1231 erbaut wurde, trafen wir am 13.12.2008 das Duo Wildwuchs, Thomas Zeuner und Tobias Witzlau, mit Gastmusiker Knud Seckel. Mit den Musikern führten wir zunächst ein halbstündiges Interview, in der warmen, aber mitunter lauten Atmosphäre einer Gaststube innerhalb der Burg. Unsere Fragen zielten hierbei zum einen auf die vieldiskutierte „Authentizität“ von Repertoire, Instrumenten und der Aufführung an sich, zum anderen auf das Interesse des Publikums an der Musik und die Musikszene, welche sich um Mittelaltermärkte webt.


Wildwuchs
Das Duo Wildwuchs mit dem Gastmusiker Knud Seckel (links) beim historischen Weihnachtsmarkt auf der Burg Ronneburg.

Insgesamt gliederte sich der Auftritt der Gruppe Wildwuchs in drei Abschnitte von jeweils einer halben Stunde. Neben der Erzählung der Weihnachtsgeschichte wurde Musik sowohl a capella, als auch auf Schalmeien, Dudelsäcken, Leiern und ähnlichen alten Instrumenten dargeboten. Die Gruppe selbst machte im Interview deutlich, dass eine Reproduktion des Mittelalters nicht möglich sei. Allerdings könne in Form der in Quellen belegten und von möglichst genau rekonstruierten Instrumenten gespielten Musik eine prinzipiell authentische Darbietung gebracht werden. Sowohl das Publikum als auch wir erhielten einen spannenden Einblick in die Musik des Mittelalters – ob sie so gewesen war oder ob sie so gewesen sein könnte, trat damit dabei fast in den Hintergrund.

Literatur:

  • Dan Lundberg, Krister Malm, Owe Ronström, Music Media Multiculture. Changing Musicscapes, Parajett, Landskrona. 2003.

Links:

Sebastian Breitenbach, Antonia Görge, Nathalie Grimm, Adian Pascal Heilmann



Der Frankfurter Scottish Country Dance Club

Die bekanntesten Genres der schottischen Volkstänze heißen Reel, Strathspey und Jig. Sie wurden schon im 15. und 16. Jahrhundert in Quellen erwähnt, aber nicht wirklich dokumentiert. Als Gattungen festigten sie sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts dank John Playford, der 1651 die erste Sammlung von Melodien und Tanzbeschreibungen von „Social Dances“ veröffentlichte. Was wir heute unter schottischem Volkstanz verstehen, hat vermutlich nicht mehr viele Gemeinsamkeiten mit den Tänzen, welche im 15. und 16. Jahrhundert getanzt wurden. In diesem Zusammenhang haben wir uns folgende Fragen gestellt: Wie hat sich die heute getanzte Form der Scottish Country Dance entwickelt und wie wird der Volkstanz gepflegt bzw. welche Tanzelemente aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind bis in die Gegenwart geblieben?


Frankfurter Scottish Country Dance Club
Probenstunde des Frankfurter Scottish Country Dance Club.

Um Antworten auf unsere Fragen zu erhalten, haben wir den Frankfurter Scottish Country Dance Club (FSCDC) aufgesucht. Wir haben die Proben, welche dienstags in einer Turnhalle von 19-22 Uhr stattfinden, dreimal besucht. Die Tanzgruppe, die wir vor Ort angetroffen haben, bestand aus zwanzig bis fünfundzwanzig Teilnehmern, allesamt Deutsche unterschiedlichen Alters. Während der Proben herrschte eine vertraute Atmosphäre und große Freude beim Tanzen. Die Tanzstunde begann regelmäßig mit Aufwärmübungen. Danach werden vier oder fünf Tänze eingeübt. Die Tänzer stellen sich in zwei Reihen auf und bilden aus zwei oder vier Paaren einen Set (Viereck). Die Musik ist gewöhnlich zweiunddreißig Takte lang. Rhythmik und Tanzfiguren werden meistens in achttaktige Perioden gegliedert. Die Tänze bestehen u.a. aus folgenden Figuren: Sterne, Platzwechsel, Umkreiseln, Vor und Zurück, Kreuzen, Kette, Umgang, Aus- und Einschwenken. Jede Figur wie auch die Folge der Figuren und die Schritte werden vom Lehrer erklärt, überwiegend auf Englisch. Die Mehrzahl der Mitglieder ist seit mehreren Jahren in der Tanzgruppe. Die jeweiligen Tänze können deshalb ohne großen Zeitaufwand eingeübt und durchgetanzt werden. Lifemusik wird nur bei öffentlichen Auftritten und auf dem alljährlichen Ball gespielt. Für die Zuschauer wirkt der Tanz durch den Wechsel der Aufstellung und Reihenbewegung in geometrischen Figuren interessant und abwechslungsreich.

Während unserer Feldforschung führten wir offene und halbstrukturierte Interviews mit den Tänzern und Tänzerinnen, wie auch mit dem Lehrer der Gruppe Anselm Lingnau und mit der „Social Director“ Eva Schiedrum. Die Tänze und Methode des Unterrichts haben wir mittels Videokamera dokumentiert. Durch unsere Forschung erfuhren wir, dass die Tänze Jig, Strathsepey und Reel durch den Dachverband der RSCDS in den 1920er Jahre standardisiert wurden. Grundlegende Tanzfiguren und Elemente wurden von früheren Tanzaufführungen abgeguckt und auch aus alten Skripten und Aufzeichnungen teilweise übernommen. Allgemein wurden aber die Schritte und Figurenkombinationen erfunden und durch den Dachverband in Edinburgh angepasst. Die Tanzlehrer der RSDC erhalten ihre Ausbildung und Zertifizierung von der Society in Edinburgh, wodurch die Tänze einheitlich auf der ganzen Welt getanzt und gepflegt werden.

Bianka Buri, Eliza Kwiecinska



Samulnori in Hofheim – Zwischen Tradition und Individualität

Samulnori ist ein Genre koreanischer Perkussionsmusik. Entstanden ist es in den 1970er Jahren aus dem Nongak, der traditionellen Musik der Landbevölkerung, deren rhythmische Strukturen und Instrumentierung übernommen und weiterentwickelt wurden. Wörtlich übersetzt bedeutet Samulnori "Spiel der vier Dinge", was sich auf die vier eingesetzten Instrumente bezieht. Der Name des Genres geht auf eine Gruppe von Berufsmusikern unter der Leitung von Kim Duk-Soo zurück, die erstmals im Jahr 1978 unter dem Namen SamulNori in Südkorea auftraten. Samulnori ist eine städtische Musik, die sich vom laienhaften Nongak unterscheidet. Im Gegensatz zu den lokalen Gruppen nehmen die Samulnori beim Spielen eine sitzende Haltung ein und konzentrieren sich auf die rhythmische Entwicklung. Sie sind an ein streng festgelegtes Programm gebunden, während die lokalen Gruppen in der Regel einfache rhythmische Muster repetieren.


Bibong
Bibong, Samulnori-Gruppe aus Hofheim/Taunus.

Typischerweise kommen beim Samulnori vier Perkussionsinstrumente zum Einsatz: Das Kwaenggari ist ein aus Blech hergestellter, kleiner Gong, der beim Spielen in der Hand gehalten wird. Es symbolisiert das Wetterelement Blitz und wird wegen seines hellen Klangs oft dazu verwendet, den Mitspielern Rhythmuswechsel anzukündigen. Etwas größer als das Kwaenggari ist die Jing, ebenfalls ein Gong, der aus Bronze besteht. Mit ihrem dumpfen und tiefen Klang fungiert sie als Taktgeber und steht für den Wind. Das Jjangu, eine Sanduhrtrommel, ist mit zwei unterschiedlichen Fellen (Hund- oder Ziegen- sowie Kuhhaut) bespannt. Zum Spielen werden zwei Schlägel aus Holz und Bambus benutzt. Die Sanduhrtrommel steht für den Regen. Das letzte der vier Instrumente ist die Buk, eine große Trommel, die aus zwei auf ein Holzfass gespannten Lederfellen besteht. Eines der Felle dient als Resonanzmembran. Gespielt wird das Instrument mit einem Holschlägel. Sein tiefer Ton bildet das Fundament im Gesamtklang. Die Buk symbolisiert die Wolken.

Für unsere Feldforschung besuchten wir die Samulnori-Gruppe Bibong (Flying Sticks) in Hofheim im Taunus, die seit dem Frühjahr 2008 besteht. Alle sechs Mitglieder haben koreanische Wurzeln. Zwei der Mitglieder nehmen regelmäßig in Korea an Samulnori-Workshops teil, auf denen sie neue Spieltechniken, Rhythmen und Stücke erlernen. Diese geben sie dann an die anderen weiter. In der Regel werden Stücke durch gemeinsames Sprechen der Rhythmen erlernt, als Gedächtnisstütze existiert aber auch eine Form der rhythmischen Notation.


Bibong
Bibong, Samulnori-Gruppe aus Hofheim/Taunus.

Im Rahmen unserer Forschung haben wir die Form der mündlichen Weitergabe der Musik untersucht, indem wir versuchten, uns einfache Rhythmen durch gemeinsames Sprechen und Spielen anzueignen. In Interviews fragten wir die Mitglieder der Gruppe nach der individuellen Motivation, in Deutschland koreanische Musik zu machen, und inwieweit dies für sie identitätsstiftend ist. Außerdem filmten wir verschiedene Stücke, um das Zusammenspiel der Instrumente zu dokumentieren. Während wir zu Anfang unserer Forschung die Erwartung hatten, dass Samulnori für die Mitglieder der Gruppe vor allem ein Weg ist, sich mit Korea zu identifizieren, stellte es sich im Laufe des Projektes eher so dar, dass für die Mehrzahl der Mitglieder der Spaß am gemeinsamen Musizieren im Vordergrund steht. Das gemeinsame Trommelspielen stellt dennoch einen wichtigen Teil einer sehr starken Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Identität dar.

Ella Klassen, Holger Klein, Patrick Schmidt