Tagesexkursion zum Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Am 18. Juni 2008 fand im Rahmen des Proseminars Mediengeschichte der Musik eine eintägige Exkursion zum Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe statt. Ziel der Exkursion war es, Einblicke in die Mediensituation der zeitgenössischen Kunst zu gewinnen. Der folgende Bericht ist eine Collage aus Textbeiträgen und Fotos der ExkursionsteilnehmerInnen Benjamin van Bebber, Sarah Göbel, Julia Hachmer, Hassan Ince, Jonas Jäger, Anna Mackrodt, Marcel Menz, Michael Petrick und Bastian Zimmermann.


ZKM, Eingang
Die Gruppe auf dem Weg ins ZKM, Foto: Hassan Ince

Zum ZKM

Die Planung zur Gründung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe begann im Jahr 1984. Die weltweit einzigartige Kulturinstitution entstand aus der Idee heraus, die Künste sowie die Neuen Medien in Theorie und Praxis zusammenzuführen. Nach der Entscheidung der baden-württembergischen Landesregierung im Jahr 1988, das ZKM als Stiftung des öffentlichen Rechts zu gründen, sowie der Berufung von Professor Heinrich Klotz zum Gründungsdirektor begann die Realisierung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie.

Zum Sitz des Medienzentrums wurde das denkmalgeschützte Gebäude der ehemaligen Waffen- und Munitionsfabrik Industriewerke Karlsruhe Augsburg. Vor Einzug in den Hallenbau waren die Büros des ZKM in der ganzen Stadt verteilt. Mit der Veranstaltungsreihe ZKM in der Fabrik wurde von Anfang an einem interessierten Publikum ein Einblick in die Arbeit des ZKM gegeben. 1997 wurde das Zentrum für Kunst und Medientechnologie schließlich eröffnet.

Das ZKM besteht aus insgesamt 16 Instituten und Abteilungen. Darunter befinden sich unter anderem das Museum für Neue Kunst, das Medienmuseum, das Institut für Bildmedien, das Institut für Musik und Akustik sowie jüngere Institute z.B. das Institut für Medien, Bildung und Wirtschaft oder das Filminstitut. Darüber hinaus verfügt das ZKM über die Möglichkeit zur Entwicklung interdisziplinärer Projekte und internationaler Kooperationen. Zudem arbeitet das ZKM eng mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe zusammen. Seit 1999 ist Professor Peter Weibel der Leiter des ZKM. Besucher haben die Möglichkeit an vielen Veranstaltungen, sowie Führungen teilzunehmen. Ein Besuch der Mediathek und der öffentlichen Sammlungen ist ebenfalls möglich. (Anna Mackrodt)


Lichtlabyrinth im ZKM
Bei der Annäherung an das Gebäude ist im Glashaus ein Lichtlabyrinth der Künstlerin (und Bühnenbildnerin) rosalie sichtbar. Foto: Bastian Zimmermann

Bereits bevor man das eigentliche Museum betreten hat, wird man mit medialen Spielereien konfrontiert. Besonders witzig fand ich den Spot, der plötzlich eine beliebige Person ins Visier nimmt und diese verfolgt. Oder auch, dass man in der Eingangshalle sein Ohr an Säulen halten und unterschiedlichen Hörspielen lauschen kann. (Julia Hachmer)


Ankunft im ZKM
Geschafft! Angekommen!!! Foto: Hassan Ince


Eingangsbereich
Blick in den Eingangsbereich, Foto: Anna Mackrodt


Eingangsbereich
Noch einmal die Eingangshalle, Foto: Hassan Ince

Klangdom

Bei unserem Besuch des Zentrums für Kunst und Medientechnologie am erhielten wir zuerst eine Vorführung des Klangdoms. Dieser ist ein Teil des Instituts für Musik und Akustik. Es hängen vierzig Meyersound Lautsprecher an einem ellipsenförmigen Rigsystem dreidimensional im Raum. Weitere Lautsprecher sind am Boden aufgestellt. Mit diesen Lautsprechern können komplexe Raum-Klang-Bewegungen realistisch dargestellt werden. Daneben kann die Akustik von Räumen simuliert werden. Im Klangdom können vierzig Melodien auf einen Punkt gebündelt, oder auch im Raum verteilt werden. Nach einem Vortrag des Institutsleiters Ludger Brümmer über Geschichte und Aufbau des Klangdoms wurde uns ein Werk für eben diesen vorgestellt. Diese Vorstellung war sehr beeindruckend, da sie eine völlige neue Art der Aufnahme des Klanges möglich macht. Der Klangdom gehört somit mit zu meinen Favoriten der Exkursion. (Anna Mackrodt)

Die erste und zugleich spektakulärste Episode unseres Besuchs im Zentrum für Kunst und Medientechnologie war die Vorführung des Klangdomes. Spektakulär deshalb, weil die räumliche Anordnung der Lautssprecher und deren Steuerung durch ein neuartiges Computersystem, dem Zuhörer ein faszinierendes neues Klangerlebnis bietet. Der Unterschied zur „herkömmlichen“ Musikwahrnehmung ist in etwa vergleichbar mit dem Unterschied von 3D- zu Normal-Kino, d.h. Klang wird nun direkt räumlich erfahrbar. Mit diesem technischen Mittel scheint es möglich, die alte musikalische Vorstellung von der „Klanglandschaft“ völlig neu und dem Wortsinn stärker entsprechend zu denken. Denn jetzt gibt es ein „Links“, ein „Oben“, ein „Da Hinten“, oder ein „Dort drüben“ im Klang, eine Art von „Visualität“ und eine neue Form musikalischer Bewegung. Neben den Möglichkeiten des Klangdomes als Instrument gingen mir vor allem dessen Möglichkeiten als neues Wiedergabemedium durch den Kopf, etwa für Remixe älterer Werke. Ich stelle mir vor wie sich die Klang-Massen und Ton-Wolken in György Ligetis Atmosphères, vor mir auftürmen, auf mich niederstürzen oder in weiter Entfernung an mir vorbeiziehen und halte es für möglich, dass die Räumlichkeit in Zukunft einen ähnlichen Stellenwert wie beispielsweise die Dynamik in der Musik einnimmt. (Michael Petrick)


Klangdom, Lautsprecher
Klangdom, Lautsprecher, Foto: Anna Mackrodt
Klangdom

„Wie mit einem Orchester kann ich der Musik unterschiedliche Klangfarbe, Masse und Struktur geben. Eine Melodie lässt sich zum Beispiel solistisch mit der Flöte, aber auch mit vierzig Streichern umsetzen“, sagt Brümmer. Der Klangdom ist in der Tat mit einem klassischen Orchester vergleichbar; die einzelnen Instrumente (des Orchesters) werden durch die (einzelnen) Lautsprecher ersetzt. In einem Orchester wird die Geige von einem Menschen gespielt, während die Geige im Klangdom dank einer Software digital von einem Komponisten eingespielt bzw. bearbeitet wurde. Die Lautsprecher sind dabei in Form einer Halbkugel gleichmäßig um den Hörer herum verteilt, vergleichbar mit einem 3D-Kino, wo man das Gefühl vermittelt bekommt, dass man sich im Geschehen befindet. Um den Effekt zu steigern, habe ich während des Konzerts meine Augen geschlossen, um meine Aufmerksamkeit vollständig der Musik zu widmen. Die Musik war beeindruckend; von leisen Klängen, über dramatische Akzente bis hin zu lauten, beängstigenden Klangeffekten war es meiner Ansicht nach ein sehr schönes Erlebnis, den Klangdom live zu erleben. Da die Musik nicht wie im Kino oder Stereoanlage nur aus einer Richtung zu hören ist, sondern aus allen Richtungen kommt, waren das teilweise intensive, furchterregende Effekte für mich; man bedenke, dass die Augen geschlossen waren. (Hassan Ince)

Nach dem Konzert hat eine interessante Fragerunde angefangen, und der kompetente Komponist Brümmer konnte sämtliche Fragen souverän beantworten. (Hassan Ince)


Peter Weibel
Peter Weibel begrüßt die Gruppe, Foto: Bastian Zimmermann

Medienmuseum

(Bei dem folgenden Abschnitt handelt es sich in hohem Maß um eine Bild-Text-Collage. Die Abbildungen beziehen sich nicht unbedingt unmittelbar auf die Texte.)


Achim Heidenreich
Achim Heidenreich führt die Gruppe durch das Medienmuseum

Nach dem Besuch des Klangdoms erhielten wir eine Führung durch das Medienmuseum, welches wir uns im Anschluss in kleinen Gruppen in Ruhe ansehen konnten. Das Medienmuseum ist eine weltweit einzigartige Sammlung interaktiver Medienkunst. Die Dauerausstellungen des Medienmuseums werden in regelmäßigen Abständen durch Wechselpräsentationen ergänzt. Im Medienmuseum wirkten sehr viele neue Eindrücke auf uns ein. Zu meinen Favoriten der Ausstellung gehören jedoch die Installation Bubbles von Wolfgang Muench und Kiyoshi Furukawa, welche den Besucher mit einer Echtzeit-Simulation von umherschwebenden Seifenblasen und Klängen interagieren lässt. Diese Installation schien insgesamt beim Publikum sehr gut anzukommen. (Anna Mackrodt)


Installation Bubbles
Foto: Anna Mackrodt

Direkt am Eingang wird man mit Paukenschlag begrüßt. Und das ist wörtlich zu verstehen. Entweder soll der plötzliche Schlageffekt ein ansprechendes Mittel sein, um der möglichen Trägheit vorzubeugen, die sich bei manchen Museumsgängen einschleichen kann, oder es ist damit – wie mit einem akustischen Ausrufezeichen – ein Hinweis auf all die medientechnischen Ausstellungsstücke gemeint, von denen viele ein Eigenleben zu führen scheinen. Doch auch das lässt sich erklären: Was uns hier wachgerüttelt hat, ist ein Gerät mit Pauke und Bewegungssensor. Letzterer registriert Personen, die sich auf das Objekt zu bewegen. Wird das Signal umgewandelt, gibt er den Befehl an den Schlägel auf die Pauke zu hauen. (Sarah Göbel)


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Foto: Hassan Ince

Die Ausstellung YOU[ser]: Das Jahrhundert des Konsumenten die ich anschließend besuchte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Rezipienten vom passiven Kunst-Betrachter zum Kunst-Nutzer(User) zu beleuchten. Beim Besuch, oder besser beim Benutzen der Ausstellung stellte ich zunächst den spielerischen Charakter vieler Werke fest. Manche Installationen ähnelten Computerspielen oder verblüfften durch ungewöhnliche Videoeffekte. Eine schöne Arbeit zum Thema Kunst und Konsum war Phenotypes/Limited Forms von Armin Linke, bei welcher sich die Besucher eine Foto-Sammlung aus hunderten ausgestellten Fotos von Armin Linke zusammenstellen und ausdrucken konnten. Ob die schlechte Qualität der Ausdrucke ein kritischer Kommentar zu den Auswirkungen der Verbindung von Kunst und Konsum darstellen sollte, oder ob sie einfach technischen, oder urheberrechtlichen Gründen geschuldet war, blieb aber leider offen. (Michael Petrick)


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Foto: Hassan Ince

Eine Führung durch das Medienmuseum zeigte auch, dass sich die Künstler kritisch mit den neuen Technologien auseinandersetzen. Eine Apparatur, welche zu jedem beliebigen Stichwort zusammenhanglose Inhalte (Bilder und Musik) aus dem Internet saugt, führt zu einer unangenehmen Reizüberflutung. Ein Effekt, der sicherlich gewollt ist. Die Wirkung von Überwachungstechnik und die Manipulation, welche mit Hilfe der Technik auf die Menschen angewandt werden kann, zeigt sich an einer weiteren Installation. Vor den Toiletten ist ein Monitor angebracht, auf dem sich der Innenraum der Kabinen zeigt. Stellt diese Aufnahme in Wirklichkeit nur das Modell einer Toilettenkabine dar, so ist zu beobachten, wie viele Besucher irritiert zu der nächstgelegenen Toilette gehen oder den Raum nur zögernd betreten. (Marcel Menz)

Ähnlich spannend und ebenfalls mit Eigeninitiative ging es bei Bruno Cohens Camera virtuosa zu: Nach dem Betreten eines kleinen Raumes fällt der Blick auf eine kleine Bühne, auf der man sich nach kurzer Zeit durch eine Videoaufnahme selbst wieder findet. Von den kleinen Figuren auf der Bühne wird man nun aufgefordert bestimmte Dinge zu tun. Besonders witzig ist dabei, dass man erst nach dem Verlassen des Raums bemerkt, dass draußen ein Monitor aufgebaut ist, auf dem man während der eigenen Aktionen im Raum beobachtet werden konnte. Nun kann man auch zusehen, wie Kommilitonen oder andere Besucher, nichts wissend von dem Monitor, ihre Bühnenshow absolvieren.


Camera virtuosa
Camera virtuosa
Camera virtuosa
Camera virtuosa
Camera virtuosa
Camera virtuosa. Fotos: Bastian Zimmermann

Ein weiterer meiner Favoriten war die Klangweltkarte. Dort kann man als Besucher sozusagen sein eigenes musique concrète-Stück komponieren. Thomas Gerwin sammelte Klänge aus aller Welt, die teilweise modifiziert, von den Besuchern abgerufen werden können. So können bis zu drei Leute gleichzeitig rhythmisch und klanglich Stücke improvisieren. Dabei wird mit kleinen Lämpchen auf einer riesigen Weltkarte abgebildet, woher die gerade verwendeten Klänge stammen. (Julia Hachmer)


Klangweltkarte
Foto: Bastian Zimmermann

Dann gab es noch einen Patterngenerator, der zufällige Patterns übereinander legte, verschob und abspielte. Für die Minimal Music wäre es ganz nett, aber ich hätte mir schon einen Kompositionsalgorithmus gewünscht.

Das Archiv für Elektronische Musik war eine willkommene Zeitreise. Ich habe mir Gesang der Jünglinge im Feuerofen von Karlheinz Stockhausen angehört. Gut zum entspannen. (Jonas Jäger)


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Bei einem Gang durchs Museum passiert man Bildschirme, Projektionen, bunte Lichter, Dinge, die man aus dem Alltag kennt. Doch schnell wird deutlich: hier ist alles irgendwie anders! So auch eine Projektion im ersten Stock, die auf eine weißen Wand umher fliegende Blasen zeigt. Ein Name dafür ist schnell gefunden: Bubbles. „Eigentlich ein relativ unspektakulärer Film“ würde man sagen. Allerdings wecken die Bläschen Erinnerungen an die Kinderzeit, an Seifenblasen, die man aus einem Plastikring in die Luft pusten und zerplatzen lassen konnte. Um diese Erinnerung nicht einfach im Raum stehen zu lassen haben sich die Künstler etwas Besonderes einfallen lassen: Tritt man näher an die Wand, lassen sich die Blasen, die durch den Raum schweben, mit den eigenen Händen berühren und hoch wirbeln. Die Bewegungen an der Projektionswand werden von einem Gerät registriert und wiederum in die Projektion eingebaut, sodass die Bewegungen der Blasen verändert werden können. Zugleich werden damit Klänge erzeugt und in das interaktive Spiel eingebunden. Das Faszinierende ist hierbei wohl die Erfahrung, als Mensch in das künstliche Bild einzudringen und es mitzugestalten. Kenner des 60er- Jahre- Films Mary Poppins von Robert Stevenson werden sich an entsprechende Szenen erinnern.

Hohe Decken, mehrere Ebenen und Dunkelheit erhellt von den einzelnen, bunt- erleuchteten Medienobjekten können das Gefühl vermitteln, man befände sich hier in einer fremden Welt, die es zu erkunden gilt. Auf dieser Expedition entdecken wir u.a. das AML, das Architektur- Musik-Labor, welches den Besucher über den Einfluss von Räumlichkeiten auf die Akustik aufklärt. Denn jeder Mensch mit einem gesund entwickelten Gehör ist in der Lage, Geräusche in unterschiedlichen Umfeldern zu unterscheiden. Viele Geräusche nehmen wir selbstverständlich in ihrer Umgebung wahr, z.B. hallende Schritte im Treppenhaus oder Wellenrauschen am Meer unter freiem Himmel. Da wäre es eine interessante Frage, wie diese typischen Geräusche in einer ihnen fremden Umgebung klingen würden. Und aus dieser Fragestellung entstand dieses Gerät. Wellenrauschen in einem geschlossenen Raum, Jazz-Band im Treppenhaus oder in einer Röhre? Noch weitere spannende Szenerien lassen sich mit dem Gerät des AML erschaffen, denn es gibt viele Kombinationsmöglichkeiten von Räumlichkeiten, Klängen und Lautstärke.

Im oberen Stockwerk gibt es einen modernen Spielplatz, die Welt der Spiele mit Video- und Computer- Games. Bildschirme und Bewegungssensoren übertragen eigene Bewegungen auf ein virtuelles Duell, Mikrofone den eigenen Gesang an der Karaoke- Maschine, usw. So wird ein neues Zeitalter der Spiele eingeläutet. (Sarah Göbel)


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Fotos: Bastian Zimmermann

Eigene Erfahrungen/Kommentare

Am Ende des Tages musste ich die vielen Eindrücke erst einmal verarbeiten, war jedoch vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie, beziehungsweise von den Teilen, die wir uns anschauen konnten, sehr beeindruckt. Um sich tiefer mit den Ausstellungen beschäftigen zu können, oder sich gar alle Museen anzuschauen, hätte man mehr Zeit gebraucht. In der uns zur Verfügung gestellten Zeit konnten wir jedoch sehr viele Aspekte des ZKM kennenlernen und haben einen guten Einblick in dieses gewonnen. (Anna Mackrodt)

Interessant war für mich vor allem die Ritualhaftigkeit mancher interaktiver Arbeiten, denen man oft in abgedunkelten Räumen allein gegenüber stand. Die Unkenntnis dessen, was passieren würde, die zum Auslösen der Installation nötige Geste und die sekundenlange bedeutungsschwere Stille vor dem Start machten manche Anwendungen zum feierlichen Akt. Das was dann tatsächlich passierte war jedoch oft eher unaufregend. Hin und wieder lag das auch am Alter der eingesetzten Technik. Was von 10 Jahren die Besucher sicherlich fasziniert hat, rang mir ein ums andere mal höchstens nostalgische Gefühle ab. Abschließend stellte sich mir aber doch noch die kritische Frage, ob sich Kreativität tatsächlich durch interaktive Kunstwerke demokratisieren und ent-hierarchisieren lässt. Denn das bloße Benutzen von Kunstwerken wird genauso wenig jemanden dazu befähigen selbst gleichartige Arbeiten herstellen zu können, wie das alleinige Hören von Musik jemanden zum Musiker oder Komponisten macht. Solang der Besucher nur im Rahmen der vom Künstler vorgegebenen Grenzen selbst Künstler, Kurator, oder Produzent sein kann, bleibt die neue Freiheit eine Illusion. (Michael Petrick)

Die neue Technologie war so erfolgreich, dass sie jetzt überall eingesetzt wird und in jedem Büro oder Kinderzimmer zu finden ist. In der Form von Computer, Spielkonsole und Mobiltelefon spürt mittlerweile jeder die Macht der Medien und der rapiden Verbesserungen der digitalen Potenziale. Gute Ideen können hier viel Geld erwirtschaften und werden schnell implementiert. Deshalb sind einige der Exponate bereits kommerziell umgesetzt und perfektioniert worden. Ihre ursprüngliche Form erscheint dann leider überholt. Als Beispiel möchte ich The Legible City (entwickelt 1988-91) von Jeffrey Shaw anführen. Das Exponat besteht aus einem Fahrrad als Eingabegerät für eine virtuelle Welt, die auf einem Monitor vor dem Rad erscheint. Tritt man in die Pedale bewegt man sich in der Welt vorwärts, mit dem Lenker lässt sich die Richtung ändern. In der Zeit der Entwicklung dieser Arbeit waren die Idee und die Technologie bahnbrechend. Doch heutzutage haben sich Eingabegeräte mit Bewegungssensoren schon lange durchgesetzt, so zum Beispiel bei dem Nintendo Wii.
Ähnlich ist es mit der Installation Bubbles, die ebenfalls in ähnlicher Weise kommerziell umgesetzt wurde. Sie besteht aus einem Projektor, der fallende Seifenblasen an eine Wand projiziert. Stellt man sich in den Projektorstrahl, sieht man den eigenen Schatten mit den Blasen interagieren. Sie prallen von ihm ab und erzeugen einen Klang. Dieses Konzept ist mittlerweile als „EyeToy“ für die Sony Playstation 2 erhältlich. (Jonas Jäger)


Virtuelle Räume
Virtuelle Räume, Foto: Bastian Zimmermann

Vielfach schienen mir die ausgestellten technischen bzw. medialen Innovationen ihrer künstlerischen Nutzung weit voraus. Was im Medien-Museum zu sehen und zu nutzen war, kann man großenteils als interaktive Spielereien bezeichnen, die vermutlich auch nur teilweise den Anspruch erheben, als Kunst verstanden zu werden. In der Möglichkeit zur Interaktion mit der Installation, welche bei den meisten gegeben war, scheint mir eine interessante und wichtige Chance zu einem veränderten Umgang mit Kunst zu liegen. Jedoch schien es mir in vielen Fällen, als sei auch jenen interaktiven Installationen die Idee eines passiven Konsumenten eingeschrieben. Präsentiert wird eine schöne Welt offener, freier Möglichkeiten, in der alles für jeden möglich erscheint. Dabei wird, so schien es mir, eine wichtige Problematik ausgeblendet: Hinter dem einfach handhabbaren Interface verbirgt sich eine technische und mediale Komplexität, die der „Normal-User“ unmöglich durchschauen kann und ihr insofern als passiver Konsument ausgeliefert bleibt. Es bedarf, so scheint mir, einer künstlerischen Befragung ebendieser Spannung. Denn erst in der kreativen und kritischen Auseinandersetzung den „Neuen Medien“ entfalten diese ihr Potential, das vor allem in der Idee der Interaktivität als einer Möglichkeit zur Demokratisierung und Enthierarchisierung von Kunst und Medien sich ankündigt.
Es scheint jedoch unmöglich als (Medien-)Künstler auf dem neusten Stand zu bleiben, will man nicht vor lauter technischer Innovation die Kunst vergessen. Das ZKM scheint mir jedoch gerade in diesem Sinne eine extrem interessante Plattform zu bieten um Techniker und Künstler – diese starke Unterscheidung scheint mir in diesem Zusammenhang sinnvoll – zusammenzuführen und somit eine kreative und sinnvolle Auseinandersetzung mit den technischen Innovationen zu ermöglichen und gleichzeitig die technischen Entwicklungen durch die Kunst sich inspirieren zu lassen.
Die Klangdom-Präsentation war insofern interessant, als sich hier eine mir fast völlig neue Form des Hörens zeigte. Durch die Technik des Klangdoms wird die räumliche Dimension von Klang in einem Maße erfahrbar, die die alltägliche, „realistische“ auditive Wahrnehmung noch übersteigt. Der Raum wird so als musikalischer Parameter stark aufgewertet und fordert gegenüber den anderen musikalischen Parametern eine gleichberechtigte Behandlung. Indem die Ebene des Raumes so stark gemacht wird, drängt sich für mich die Idee einer Nutzung des Klangdoms im Zusammenhang mit Tanz auf. Denn so wie ein stummer Tanz bisweilen fast auditiv erfahrbar scheint, lässt der Klangdom die Musik beinahe als visuelles Phänomen erscheinen. In diesem Sinne lässt sich durch die Arbeit mit dem Klangdom die Wahrnehmung an neue Grenzen führen, was, wie ich glaube, eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst darstellt. (Benjamin van Bebber)

Der Autor Achim Heidenreich, der uns auch durch das Medienmuseum geführt hat, sagt: „In der Karlsruher Denk- und Dockingstation ZKM wird Kunst und Gesellschaft im Spiegel und in der Anwendung moderner Medien analysiert, reflektiert und dann ganz Museum mit Blick nach vorn ausgestellt“. 50 Jahre mediale Entwicklung werden unmittelbar erfahrbar gemacht, Besucher werden zu Interaktionspartnern, das heißt, man beobachtet nicht nur, sondern ist automatisch ein Teil des Experiments.
Aber gleichzeitig muss man die medientechnologische Entwicklungen kritisch hinterfragen; was wirkt heute noch visionär, und welche Medien sind nach unserem heutigen Entwicklungsstand veraltet? Man bedenke, dass ZKM Ende der 80er Jahre gegründet wurde, also in einem Zeitalter, wo der Computer und vor allem die Softwares noch nicht so fortgeschritten waren wie heute... Der Computer und die Musiksoftwares haben das Komponieren revolutioniert. Ob damit wirklich auch kreativere Musik komponiert wird, sei dahin gestellt. Die Qualität ist dank des Computers ohne Zweifel einwandfrei. Tatsache ist, je mehr der Computer eigenständig arbeitet und die Musik bearbeitet, desto weniger kommt der Mensch als Komponist ins Spiel. Somit besteht vor allem in der heutigen Zeit die Gefahr, dass die Kreativität des Menschen stark in den Hintergrund gedrängt wird, während der Computer die vorgefertigten Samples und Montage-Elemente mit einem Knopfdruck selbst nach vorgegeben Mustern bearbeitet. (Hassan Ince)

Das Museum verlässt man mit außergewöhnlichen Eindrücken. Man hat viel gesehen und viele Ausstellungsstücke ausprobieren können. Doch die Eindrücke lassen einen nicht so schnell wieder los. Es stellt sich die Frage, ob dieser Ort einfach nur ein Museum oder nicht doch viel mehr ist. Ausprobieren anstatt „Nicht Berühren“ –Schilder, Neues statt Altem, synthetisch statt natürlich•.das sind die Dinge, die hier im Vordergrund stehen.
Ein Schritt ins Zentrum für Kunst und Medientechnologie ist daher auch ein Schritt in eine mögliche Zukunft, die uns schon heute dargeboten wird. (Sarah Göbel)

Zurückblickend war die Exkursion nicht ein gewöhnlicher Museumsbesuch, wie man ihn von anderen Kunstmuseen kennt. Vielmehr war es ein akustisches Erlebnis! Dabei bezieht sich das Erlebnis sowohl auf das Sehen, das Hören und das Fühlen. Eine einmalige, sinnliche Wahrnehmung! (Hassan Ince)


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Schlussbild mit Orangensaft (eine Spende der DB wegen Zugverspätung), Foto: Bastian Zimmermann