Mücken im Hitze-Härtetest

Evolutionsgeschichte bestimmt Anpassungsfähigkeit an hohe Temperaturen

Veröffentlicht am: Dienstag, 20. November 2012, 15:41 Uhr (056)

Ob sich die Mücken auch bei höheren Temperaturen noch erfolgreich vermehren, ist eng mit der Evolution einzelner Populationen verknüpft. Der unterschiedliche Umgang mit Hitzestress ist nicht nur  von der Herkunft der Mückenart aus Nord- oder Südeuropa abhängig. Um Effekte des globalen Klimawandels zu beurteilen, sei es deshalb notwendig, sowohl klimatische als auch genetische Daten zu betrachten, berichten Frankfurter Wissenschaftler in der November-Ausgabe des Fachmagazins „Oecologia“.

Das Team um Professor Markus Pfenninger, Goethe-Universität und Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), und Dr. Carsten Nowak, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und BiK-F, hat in Süd-, Mittel- und Nordeuropa Mückenlarven der weit verbreiteten Zuckmückenart Chironomus riparius gesammelt und im Labor unter unterschiedlichen Temperaturen aufwachsen lassen. Die für den Versuch gewählten 20, 24 oder 28 °C entsprechen in etwa den Durchschnittstemperaturen, denen die Mückenlarven an ihren Ursprungsorten während der Hauptbrutzeit im Sommerhalbjahr ausgesetzt sind.

„Der relative Bruterfolg hängt innerartlich davon ab, wie hoch die durchschnittlichen Sommertemperaturen im Ursprungsgebiet sind“, erläutert Pfenninger. Mückenpopulationen aus Portugal und Südfrankreich, die im Sommer durchschnittlich höheren Temperaturen ausgesetzt sind, waren daher auch im Experiment bei höheren Temperaturen erfolgreichere Brüter. Dies deutet auf eine lokale Anpassung an Klimabedingungen vor Ort hin.

Genetische Variabilität erhöht Stressresistenz

Die Untersuchung des Erbguts der Mücken zeigt darüber hinaus, dass nicht nur die Temperatur im Herkunftsgebiet den Bruterfolg erklärt, sondern auch die Populationsgeschichte. Neben natürlicher Selektion spielt hier der Zufall eine Rolle, denn bei Gründung einer neuen Population durch wenige Individuen sind z.B. oft nicht alle genetischen Varianten vertreten. Durch umweltbedingte Schwankungen der Populationsgröße fallen in den getrennten Populationen zusätzlich manche weg bzw. kommen durch Mutationen hinzu. Allein dadurch unterscheiden sich Populationen einer Art oft in ihren Eigenschaften. Außerdem ist das Ausmaß der vorhandenen genetischen Variabilität von Bedeutung, denn je höher diese ist, desto größer sind Anpassungspotential und Stressresistenz der Population.

Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um den Prozess der Klimaanpassung künftig besser zu verstehen. „Die Studie zeigt, dass sowohl Populationsgeschichte als auch das Klima des bisherigen Lebensraums betrachtet werden müssen, um vorhersagen zu können, wie eine Art auf Klimaerwärmung reagieren wird", resümiert Mitautor Dr. Carsten Nowak. Mücken sind besonders interessante Forschungsobjekte, da sie einen großen Lebensraum besiedelt haben, der – vergleicht man beispielsweise Süd- und Nordeuropa – bis zu 10 Grad Celsius. Temperaturunterschied aufweist. Gleichzeitig wird ihre Körpertemperatur allein durch die Außentemperatur gesteuert. Als nächster Schritt soll das Erbgut der Mücken auf Stoffwechselanpassungen untersucht werden, so dass die Unterschiede zwischen den Populationen auch funktional erklärt werden können.

Studie:

Nemec, Sabrina; Patel, Simit; Nowak, Carsten & Pfenninger Markus. Evolutionary determinants of population differences in populations growth rate x habitat temperature interactions in Chironomus riparius (2012): Oecologia,
doi: 10.1007/s00442-012-2517-3

Mehr Infos und Bildmaterial in der Pressemitteilung von BiK-F.