Der Biochemiker und Molekularbiologe Privatdozent Dr. Eckhard Lammert,
Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden,
wird für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Diabetesforschung mit dem Paul
Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2008 ausgezeichnet.
Eckhard Lammert untersucht, unter welchen Bedingungen die Beta-Zellen in den Langerhans'schen
Inseln des Pankreas den Blutzuckerwert durch die Abgabe von Insulin exakt regulieren können. Bisher
hatte sich die Diabetesforschung darauf konzentriert, zum einen die Funktion der Beta-Zellen für die
Insulinausschüttung und zum anderen die Fettzellen als Zielzellen des Insulins zu untersuchen.
Weshalb Betazellen allerdings als Zellzusammenlagerungen – nach ihrem Entdecker als
Langerhans'sche Inseln bezeichnet – besonders effizient Insulin abgeben, war unklar. Eckhard
Lammert konnte nun zeigen, wie die Interaktion der Betazellen untereinander und mit den Blutgefäßen
die Insulinsekretion und Betazelldifferenzierung verbessert.
Bereits als Postdoktorand hatte Lammert herausgefunden, dass Blutgefäße für die Differenzierung von
Insulin produzierenden Betazellen notwendig sind. Die enge Verflechtung von Betazellen mit
Blutgefäßen dient zwei Aufgaben: Einerseits stellen die Blutgefäße die Versorgung der Betazellen mit
Sauerstoff und Nährstoffen sicher. Andererseits senden die Zellen der Blutgefäße, Endothelzellen
genannt, Signale an die entstehenden Betazellen, um deren Insulinproduktion zu veranlassen. Sobald
sich Langerhans'sche Inseln gebildet haben, kommt es zu einem regelrechten Wechselspiel von
Betazellen und Endothelzellen. Durch den Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth
Factor) stimulieren die Betazellen die Endothelzellen zur Bildung eines dichten Blutgefäßsystems in
den Langerhans'schen Inseln. Umgekehrt bilden die Endothelzellen für die Betazellen eine besondere
Eiweißschicht aus, die Basalmembran. Diese steigert die Insulinproduktion der Betazellen. Lammert
hat gezeigt, dass das Wechselspiel zwischen Betazellen und Blutgefäßen für die Blutzuckerkontrolle
von großer Bedeutung ist. Wird nämlich die Bildung von VEGF experimentell verhindert, ist die
Blutgefäßdichte im Bereich der betroffenen Betazellen deutlich verringert, und die Betazellen sind
dann nicht mehr in der Lage, den Blutzuckerspiegel ausreichend zu regulieren.
Betazellen interagieren miteinander über so genannte Eph-Rezeptoren und Ephrin-Liganden. Über
diese Oberflächenproteine gelingt es den Betazellen einer Langerhans'schen Insel, sehr wenig Insulin
während des Fastens und besonders viel Insulin nach Nahrungsaufnahme freizusetzen. Diesen
Mechanismus hat Eckhard Lammert an Langerhans'schen der Maus und des Menschen aufgeklärt und
kürzlich publiziert (Konstantinova, I. et al., Cell 2007; 129: 359-370). Die Arbeit hat international für
Aufsehen gesorgt, weil sie zum ersten Mal erklärt, weshalb Betazellen nur als Zellaggregate oder
Langerhans'sche Inseln den Blutzucker präzise regulieren.
„Die Forschungsarbeiten von Eckhard Lammert haben zu einem besseren Verständnis der
Insulinproduktion und -ausschüttung geführt“, so Prof. Dr. Jürgen Bereiter-Hahn, Vorsitzender der
Auswahlkommission für den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis und Professor für
Zellbiologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. „Seine Erkenntnisse sind daher
auch für die Entwicklung neuer Strategien zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 und zur
Risikoabschätzung für Menschen mit Übergewicht und/oder Insulinresistenz von großer Bedeutung.“
Derzeit untersuchen Eckhard Lammert und sein Team, inwieweit die Blutgefäßdichte in den
Langerhans'schen Inseln einen Hinweis darauf geben kann, wie hoch das Risiko eines Patienten mit
Insulinresistenz oder Übergewicht ist, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
Über Diabetes
Rund 200 Millionen Menschen leiden derzeit weltweit an Diabetes mellitus – so die exakte
Bezeichnung der Zuckerkrankheit. Nach Schätzungen von Experten der Weltgesundheitsorganisation
könnten es im Jahr 2025 schon rund 350 Millionen sein. In Deutschland sind rund sechs Millionen
Menschen erkrankt – auch hier ist die Tendenz steigend. In den Industrienationen werden derzeit rund
5 bis 15 Prozent der Gesamtkosten im Gesundheitswesen für die Behandlung des Diabetes mellitus
und seiner Folgeerkrankungen aufgewendet.
Beim Diabetes mellitus handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, die durch einen
Autoimmunprozess beim Typ-1-Diabetiker oder durch Faktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck und
Störungen im Fettstoffwechsel (metabolisches Syndrom) beim Typ-2-Diabetiker manifest wird. Der
Begriff umfasst verschiedene Störungen des Kohlenhydrat-Stoffwechsels, die sich durch erhöhte
Blutzuckerwerte bemerkbar machen. An Typ-1-Diabetes erkranken rund fünf Prozent aller Menschen
mit Diabetes. Hierbei produziert die Bauchspeicheldrüse nur wenig oder gar kein Insulin, weil die
meisten Betazellen im Zuge der Autoimmunerkrankung zerstört worden sind. Daher müssen Typ-1-
Diabetiker ihrem Körper dieses Hormon künstlich durch Spritzen, Pens oder eine Insulinpumpe
zuführen. Beim Typ-2-Diabetes liegt die Ursache an anderer Stelle: Alle Zellen brauchen Insulin, um
Zucker aus der Blutbahn aufnehmen zu können. Beim Typ-2-Diabetes reagieren die Körperzellen
jedoch nicht mehr ausreichend auf das Hormon, das den Zellen bei der Zuckeraufnahme hilft. Bei
dieser Form des Diabetes produziert daher die Bauchspeicheldrüse anfänglich genügend oder sogar
mehr Insulin. Allerdings kommt es nach einiger Zeit zu einer Erschöpfung der Betazellen, die dazu
führt, dass Insulin nicht mehr ausreichend und kontrolliert freigesetzt wird. Eine medikamentöse
Behandlung ist dann häufig erforderlich. Übergewicht und Bewegungsmangel steigern die so genannte
Insulinresistenz der Körperzellen; zwischen 80 und 90 Prozent der Typ-2-Diabetiker sind
übergewichtig. Bleiben überhöhte Blutzuckerwerte vom Betroffenen längerfristig unbemerkt, können
sie zu schwerwiegenden Komplikationen wie Nierenversagen, Erblindung, Schlaganfall oder
Herzinfarkt führen.