Geschichte Kataloniens und der Katalanischen Länder

Die Anfänge

Die Gebiete, die seit dem Mittelalter die soziale, ökonomische und kulturelle Einheit bilden, die wir heute Katalanische Länder (Països Catalans) nennen, wiesen schon im Altertum gemeinsame Merkmale auf. Die Küste, an die das Mittelmeer im Westen schlägt, war ihr natürliches Verbindungsglied; die Hochebene im Innern der Iberischen Halbinsel war eine Grenze im Rücken.

An die westliche Mittelmeerküste kamen seit dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. die Griechen: nach den Berichten der klassischen Antike sollen es zuerst die Bewohner von Rhodos gewesen sein, die schon Namen für die Inseln Eivissa und Formentera (Pityoússai) und die anderen Baleareninseln geprägt hatten und die, wie erst in letzter Zeit Grabungsfunde gezeigt haben, unter der heutigen Zitadelle von Roses ihr Rhóde gründeten. Umfangreich archäologisch nachgewiesen ist die Niederlassung von Emporion, das heutige Empúries, die bestbekannte griechische Stadt des westlichen Mittelmeers. Möglicherweise war auch Ullastret, unweit von Empúries, schon eine griechische Gründung. In den schriftlichen Quellen ist ferner Hemeroscopeion wohldokumentiert, das man bei Dénia, südlich València, oder auch noch weiter südlich bei Xàbia oder Ifac ansiedelt.

Zu gleicher Zeit und zum Teil schon früher kamen die Phönizier und dann die Karthager in die südlichen Teile der Katalanischen Länder; Eivissa soll nach der klassischen Überlieferung 654 v. Chr. als Ebosim phönizisch geworden sein und auch im Land València (in Borriana und Oriola) hat man phönizischen Einfluß gefunden, der auf das 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht.

Etwa seit dem 6. (und bis zum l.) Jahrhundert ist auf der gesamten mittelmeerischen Seite der Iberischen Halbinsel (und bis nach Okzitanien hinein) die iberische Kultur als die autochthone Kultur anzusehen. Obwohl die Mitte und die atlantische Seite der Halbinsel zum Bereich der keltischen Kultur bzw. zu einem Mischbereich gehörten, nannten die Griechen die gesamte Halbinsel Iberien und verwendeten damit die Bezeichnung der ihnen auf der mittelmeerischen Seite begegnenden Bevölkerung für den ganzen geographischen Bereich. Bedeutende Ausgrabungen iberischer Städte findet man in Ullastret, Olèrdola, Tarragona, Sagunt und Xàtiva; der bedeutendste erhaltene Kunstgegenstand der iberischen Kultur ist die Dama d'EIx.

Seit 202 v. Chr. (und bis zum 4. Jh. n. Chr.) findet die Romanisierung statt, von der Christianisierung (3. bis 5. Jh.) fortgesetzt, die so tiefgreifend wirken, daß sie die gesellschaftlichen und sprachlichen Grundlagen vollkommen verändern (in ganz Südwesteuropa können sich nur die Basken der Romanisierung entziehen). Die Römer bezeichnen die ganze Halbinsel zusammen mit dem westlichen Marokko als Hispania. (Man sollte die Bezeichnung Hispania bzw. Hispanien nicht in anachronistischer Weise durch den sehr viel später davon abgeleiteten Begriff Spanien ersetzen; ein »Spanien« im heutigen Sinne gibt es erst ab 1714.) Das volkssprachliche Latein wird zur Grundlage der sich dann ab dem 7. und 8. Jahrhundert ausdifferenzierenden romanischen Sprachen, im Falle des westlichen Mittelmeerrands des Katalanischen.

An dieser grundsätzlichen Romanisierung ändert auch die Ankunft der christianisierten Westgoten (seit dem 5. Jh.) nichts, die in einer steten Veränderung ihrer Gebietsgrenzen (die meist bis nach Okzitanien hinein reichten) und einem unaufhörlichen Wechsel ihrer Hauptstädte (dreimal, im 5. und 6. Jh., war auch Barcelona Hauptstadt) sowie einer Geschichte voller Herrschermorde schließlich 711 dem Ansturm des Islam und der Araber erlagen. Die Balearen, die von 445—534 von den Vandalen besetzt gewesen waren, fielen an das byzantinische Reich (eine Zeit lang zusammen mit südlichen Teilen des heutigen Landes València) und wurden erst anfangs des 10. Jahrhunderts islamisch.

Der islamische Vormarsch wurde 732 bei Tours an der Loire aufgehalten, und die Frankenkönige drängten fortan die Araber nach Süden zurück. Schon 759 war das Rosselló, der nördlichste Teil des katalanischen Sprachgebiets, wieder christlich.

Die Katalanischen Grafschaften und Altkatalonien

Im 8. Jahrhundert und mit der fränkischen Eroberung des Rosselló kann man den Entstehungsbeginn von katalanisch geprägten Gebieten ansetzen. Das Gebiet um Girona, das sich aus eigener Kraft von den Arabern befreit, unterstellt sich 785 den Franken und ebenso tun es die Pyrenäengebiete der Cerdanya und das Alt Urgell vor 789. 801 erobert Ludwig der Fromme, Sohn Karls des Großen, Barcelona und setzt im gleichen Jahr den aus dem Rosselló und dem Conflent stammenden Berà als Grafen ein. Die Grenze zum arabischen Gebiet verläuft jetzt in den Höhenzügen südlich des Llobregat und südlich Barcelonas. Verschiedene katalanische Grafschaften entstehen und schließen sich allmählich zu größeren Einheiten zusammen. Der Graf Guifré el Pelós (Wilfried der Behaarte) vereint 878 bereits einen Großteil Altkataloniens, also des Gebiets bis Barcelona, in seiner Hand; mit ihm beginnt die erbliche Linie des Grafenhauses Barcelona, das bis 1410 — über ein halbes Jahrtausend lang — die Geschicke Kataloniens bestimmen sollte.

Spätere Historiker haben für die katalanischen Grafschaften die Bezeichnung »Marca Hispanica« verwendet, obwohl es eine solche Mark niemals legal gegeben hat. Die korrekte Bezeichnung ist Katalanische Grafschaften.

Die Emanzipation der Grafen von Barcelona von der fränkischen Lehnshoheit vollzieht sich de facto in den Jahren 986—88, als nach einem arabischen Angriff auf Barcelona jegliche fränkische Hilfe ausbleibt und der katalanische Graf Borrell II. unabhängig den Schutz seines Landes vor den Arabern organisiert. Das im Spannungsfeld zwischen dem karolingischen Europa und dem Islam gelegene katalanische Gebiet wird in dieser Zeit zum bedeutenden Kulturmittler. Im zehnten Jahrhundert ist Katalonien einer der wenigen Plätze der christlichen Welt, wo man eine Ausbildung in Mathematik und Astronomie erhalten kann. Hervorragendes kulturelles Leben entwickelt sich in Klöstern wie Ripoll, Cuixà und Vic. In Ripoll, das von Guifré gegründet wurde, werden zahlreiche arabische Texte übersetzt, wodurch das fortschrittliche Wissen der Moslems für den auf vielen Gebieten rückständigen christlichen Kulturbereich nutzbar gemacht wird. Der Ruf des Klosters geht weit über die Landesgrenzen hinaus, nicht zuletzt wegen seiner reichen Bibliothek, die neben den theologischen Standardwerken auch antike Autoren, arabische und hebräische Abhandlungen sowie Werke zur Grammatik oder Geographie führt. Anfang des 11. Jahrhunderts nimmt von Katalonien auch die großartige Kunstepoche der südwesteuropäischen Romanik ihren Ausgang (siehe den Essay »Katalanische Kunst und Architektur«).

Die islamische Westküste des Mittelmeers und die Balearen

1009 bricht in den arabischen Gebieten der Iberischen Halbinsel ein Bürgerkrieg aus, der zu einer Fragmentierung und zur Bildung von Klein-Königreichen führt, den Taifa. Die Taifa von Dénia im südlichen Land València umfaßt ab 1015 auch die Balearen. Die Taifa erreichen zum Teil einen sehr hohen kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand, der im krassen Gegensatz zu ihrer politischen und militärischen Schwäche steht. Sie müssen sich durch Schutzzahlungcn an die größeren Nachbarn, z. B. seit 1018 an den Grafen von Barcelona, absichern.

Diese regelmäßigen Zahlungen aus der Schutzherrenpraxis sind wichtige Faktoren für die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung Kataloniens im 11. Jahrhundert. Die wohlhabenden moslemischen Gebiete im Süden leisten so einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Aufstieg des katalanischen Grafenhauses zur ersten Mittelmeermacht. Seehandel und Schiffsbau werden intensiviert, die Geldwirtschaft gewinnt an Bedeutung (Graf Ramon Borrell prägt eigenes Geld), und in den Städten etabliert sich ein Handelsbürgertum, das dann das ganze Mittelalter hindurch ein sehr dynamischer Faktor der katalanischen Gesellschaft bleibt. Der Adel wird durch die seit 1027 abgehaltenen Versammlungen der Pau i Treva (Frieden und Waffenruhe) im Zaum gehalten, die zugleich als Keimzelle des katalanischen (und europäischen) Parlamentarismus anzusehen sind. Ende des 11. Jahrhunderts werden die ersten Teile eines katalanischen Gesetzbuches, die Usatges de Barcelona (usatges heißt Gebräuche), aufgeschrieben.

Heiratspolitik der Grafen von Barcelona

Anfang des 12. Jahrhunderts weitet das Grafenhaus Barcelona durch geschickte Heiratspolitik seinen Einflußbereich aus. Ramon Berenguer III. gewinnt 1112 durch die Heirat mit Dolça de Provença, die Alleinerbin der provenzalischen Besitztümer ist und alle Rechte ihrem Ehemann überträgt, ein großes Gebiet jenseits der Pyrenäen, nämlich die gesamte Provence und Montpelhièr. Zwei Jahre nach seiner Hochzeit unternimmt Ramon Berenguer III. einen ersten Versuch, Mallorca, das — wie erwähnt — seit einem Jahrhundert Teil einer Taifa ist, seinem Reich einzuverleiben. Unterstützt von Pisanern und Okzitanen erobert er Mallorca nach siebenmonatiger Belagerung. Jedoch kann er sich nicht lange über diesen Erfolg freuen. Als kurz darauf die Festlandgrenzen bedroht sind, muß er die Truppen von der Insel abziehen. (So bleibt es Jaume I. im 13. Jahrhundert vorbehalten, die Balearen für Katalonien zu gewinnen.) In Zusammenhang mit diesem Feldzug sprechen schriftliche Quellen zum ersten Mal von Katalonien und von Katalanen, als Bezeichnung für eine ethnische, kulturelle und politische Gemeinschaft (vorher war der Name Barcelonas als gemeinsame Bezeichnung benutzt worden).

Zwei Jahrzehnte später, 1137, bringt Ramon Berenguer IV. durch Heirat den Königstitel nach Katalonien. In einer prekären Situation für das kleine Binnenkönigreich Aragón (das erst Anfang des 11. Jahrhunderts von einer Grafschaft zum Königreich geworden war) bittet dessen König Ramiro II., der sich sowohl von den Arabern als auch von den Kastiliern bedroht sieht, den Grafen von Barcelona um Hilfe und bietet ihm als Gegenleistung die Königswürde mittels Heirat seiner Tochter Peronella von Aragón, die 22 Jahre jünger ist als der katalanische Graf. Ramon Berenguer lehnt nicht ab. Historische Zufälle hatten es mit sich gebracht, daß sich in den ersten, von den Arabern unabhängigen katalanischen Gebieten kein Graf zum König ausgerufen hatte, sondern daß man vorgezogen hatte, sich unter fränkischen Schutz zu stellen. Nun kann das Versäumte nachgeholt werden: Peronellas und Ramon Berenguers Sohn Alfons I. heißt zum ersten Mal in der barceloninischen Dynastie Senyor Rei.

Das Königreich Katalonien-Aragón

Fortan spricht man von der katalanisch-aragonesischen Krone oder vom Königreich Katalonien-Aragón. Die beiden Nachbarländer bilden eine Konföderation, was bedeutet, daß sie außenpolitisch als Einheit auftreten, jedoch innenpolitisch ihre eigenen Institutionen und Strukturen behalten und gegenseitig respektieren. Auch die Landessprachen bleiben: in Aragón das Aragonesische (eine der fünf auf der Iberischen Halbinsel aus dem Volkslatein entstandenen Sprachen) und in Katalonien das Katalanische (außerdem ist das Schriftlatein als internationale Gelehrtensprache von Bedeutung; vom Spanischen ist hier noch auf Jahrhunderte hinaus keine Rede). Der König hat seinen Sitz in der großen Mittelmeerhandels- und Hafenstadt Barcelona (seinen Titel als Graf von Barcelona behält er neben dem Königstitel bei).

Während dieser ganzen Zeit seit dem 9. Jahrhundert war die katalanische Südgrenze kaum weiter vorgeschritten; das lag auch an den bequemen Arrangements der Schutzherrenpraxis. Zwar hatte es seit Beginn des 11. Jahrhunderts immer wieder Feldzüge der Katalanen nach Süden gegeben (und ebenso arabische Züge bis tief in katalanisches Gebiet hinein), aber erst Anfang des 12. Jahrhunderts beginnt die definitive Vertreibung der Araber aus den Gebieten vom Llobregat bis zum Ebre: 1118 wird Tarragona und 1148—53 werden Tortosa und Lleida und alle weiteren Gebiete bis zum Ebre endgültig genommen; diese Gebiete nennen dann spätere Juristen und Historiker Catalunya Nova, das neue Katalonien. Die Araber hatten hier 300 Jahre länger geherrscht als in Altkatalonien, Catalunya Vella, dem Gebiet bis Barcelona (das ja praktisch nur vorübergehend besetzt gewesen war). Dennoch sind auch in Neukatalonien keine nennenswerten arabischen Überreste archäologischer Art oder Einflüsse kultureller Art bis heute sichtbar geblieben.

Noch fast 100 Jahre länger standen die südlich des Ebre gelegenen Teile der heutigen Katalanischen Länder, das País Valencià, unter arabischem Einfluß: genug, um in der Erinnerung stärkere Spuren zu hinterlassen. Hier hat auch die islamisierte frühere Bevölkerung viel länger noch (nämlich bis zum Anfang des 17. Jh.s) mit der christlichen zusammengelebt. Archäologisch und landschaftsgestalterisch hat die arabische Zeit hier besonders eine bedeutende Spur hinterlassen: das Bewässerungssystem, das die nicht sehr regenreichen Küstenebenen durch Verteilung der aus den Bergregionen kommenden Gewässer in blühende Gärten verwandelte. Auch für Mallorca gilt, daß die bedeutendste arabische Hinterlassenschaft das Bewässerungssystem ist, das man heute am besten im Tal von Sóller bewundern kann.

Katalonien und Okzitanien

Alt- und Neukatalonien, vereint mit dem landeinwärts anschließenden Aragón verfügt am Anfang des 13. Jahrhunderts über weite Gebiete Okzitaniens (Provença, Montpelhièr, Milhau, Carcassona, wie die Namen auf okzitanisch lauten). Mit dem Vertrag von Milhau von 1204 zwischen Pere I. von Katalonien-Aragón und Ramon VI. von Tolosa (»Toulouse«) nehmen die Pläne eines mit Katalonien eng verbundenen okzitanischen Raumes von den Alpen bis zur Garona (»Garonne«) und bis zum Ebre konkrete Gestalt an: Okzitanien steht wie kein zweites Nachbarland Katalonien kulturell und sprachlich nahe. Das ruft den König von Frankreich auf den Plan, der den Weg zum Mittelmeer versperrt sieht. Im Zusammenhang mit dem besonders ab 1208 vom Papst ausgerufenen »Kreuzzug« gegen die Albigenser, die auch unter der Bezeichnung Katharer bekannt sind, wird Okzitanien mit einer Welle des Terrors, ja der »Massenschlachtungen« überzogen; am 22. 7. 1209 werden z. B. sämtliche Bewohner von Besiers (»Béziers«) von den Franzosen hingemetzelt.

Der katalanische König Pere I. wird beim Papst vorstellig, der ihn 1204 in Rom feierlich gekrönt hatte, um die Beendigung dieses blutigen Kreuzzuges zu erreichen. Angesichts der drohenden militärischen Niederlage der Katharer muß Pere 1213 persönlich mit seinen Truppen eingreifen und belagert die Kreuzfahrer, die Simon de Montfort anführt, in Muret südlich Tolosa. Bei einem überraschenden Ausbruch der Eingeschlossenen wird der König getötet und die Katalanen ziehen sich zurück. Damit ist das Schicksal Okzitaniens besiegelt und Katalonien wendet sich vom Norden ab.

Ausbreitung Kataloniens: Das Mittelmeer wird katalanisch

Peres Sohn Jaume I., mit dem Beinamen der Eroberer, lenkt die katalanisch-aragonesische Expansionsrichtung gegen Süden und nach dem Mittelmeer um. Er erobert 1229-35 die Baleareninseln Mallorca und Eivissa mit Formentera, die fast 330 Jahre in islamischer Hand gewesen waren. Menorca wird zunächst nur tributpflichtig und wird dann 1287 endgültig erobert. 1232-45 nimmt Jaume das gesamte Land València in Besitz. Damit ist ein historischer Moment erreicht, der bis heute die katalanische Wirklichkeit bestimmt: es kristallisieren sich nämlich die bis heute gültigen Grenzen der katalanischen Sprache heraus. Zugleich sind damit die Grenzen einer katalanischen Nation ausgebildet, die in der Folgezeit in einem steten Auf und Ab ihres Zusammengehörigkeitsbewußtseins zu dem geführt hat, was wir Katalanische Länder nennen.

Mit Pere II., einem der Söhne von Jaume I., beginnt die mittelmeerische Expansion der katalanischen Krone über die Balearen hinaus. Nachdem sich die Sizilianer 1282 in der bekannten »Sizilianischen Vesper« (Osterdienstag) erfolgreich gegen ihre französischen Beherrscher aufgelehnt hatten, übertragen sie dem katalanischen König, der mit der Tochter des 16 Jahre zuvor vom Hause Anjou vertriebenen sizilianischen Königs Manfred verheiratet ist, die Herrschaft. 1287 erobert Alfons II., Peres Sohn, endgültig Menorca. Während der Regierungszeit des nächsten katalanischen Königs wird 1323-24 Sardinien erobert. Hier besiedeln Katalanen das Städtchen L'Alguer, das bis heute katalanischsprachig geblieben ist.

Von 1303 bis 1324 findet die berühmte Expedition der Katalanischen Kompanie, der Almogàvers, nach Konstantinopel statt, wo sie das Byzantinische Imperium gegen die Türken verteidigen sollen. Etwa 4000 Mann brechen in 36 Schiffen unter der Leitung von Roger de Flor (eigentlich Roger Blume, Sohn eines deutschen Falkners von Friedrich II.) gen Osten auf. Roger de Flor heiratet die Nichte des byzantinischen Kaisers, die Tochter des Zars von Bulgarien, und wird zum Großherzog ernannt. Er setzt nach Kleinasien über und schlägt in mehreren Feldzügen, die ihn bis an die Eiserne Pforte führen, die Türken. Doch der Sohn des byzantinischen Kaisers läßt Roger de Flor ermorden. Mit Nachschüben aus Katalonien macht sich die Kompagnie nun zum Herren im Norden des Agäischen Meers und übt Venjança Catalana (katalanische Rache). Venedig und Genua sind bei den wilden Auseinandersetzungen stark beteiligt. Als der Herzog von Athen die Katalanen gegen die Venezianer zu Hilfe ruft, muß er selber den Katalanen den Platz räumen: 1311 wird Athen und 1319 das umgebende Neopatria (etwa Attika und Mittelgriechenland umfassend) katalanisches Herzogtum. Die Städte werden nach der Stadtverfassung von Barcelona regiert. Die katalanische Herrschaft im östlichen Mittelmeer dauert bis 1390.

Insgesamt kann man das 14. Jahrhundert als das Jahrhundert der großen mittelmeerischen Bedeutung der katalanisch-aragonesischen Krone ansehen — weitergeführt im 15. Jahrhundert, als Alfons IV., el Magnànim (der Großmütige), Neapel mit Süditalien erobert und sogar seinen Regierungssitz von Barcelona nach Neapel verlegt (bis 1458), wo er zu einem großen Förderer der Kultur und der Wissenschaften wird. (Neapel bleibt, ebenso wie Sizilien und Sardinien, bis zum Erbfolgekrieg Anfang des 18. Jahrhunderts bei der katalanisch-aragonesischen Krone bzw. den späteren Habsburgern.)

Entscheidend für die katalanische Präsenz im Mittelmeer ist aber neben den dynastischen Gegebenheiten der vom katalanischen Bürgertum getragene Mittelmeerhandel, der sich auf ein Netz von etwa 80 Konsulaten im ganzen Mittelmeerraum stützt — das Gegenstück zur nordeuropäischen Hanse. Katalanische Gesetze werden zur internationalen Rechtsbasis im Mittelmeer.

Parallel zur politischen und wirtschaftlichen Expansion nehmen das gesamte soziale Leben und die katalanische Kultur, Literatur und Kunst einen außerordentlichen Aufschwung. In den ersten Jahren nach der Eroberung Mallorcas wird dort der große Philosoph und Schriftsteller Ramon Llull (siehe den Essay »Literatur«) geboren, der seine literarischen Hauptwerke auf katalanisch schreibt. Der Schriftverkehr am katalanischen Hof vollzieht sich ebenfalls auf katalanisch. Die Gotik wird in einer spezifisch katalanischen Ausprägung zum Stil der Kathedralen von Katalonien, Mallorca und València und der königlichen Paläste, der Handelsbörsen und der Klöster. Diese katalanisch-gotische Architektur und Malerei breitet sich dann im 14. und 15. Jahrhundert nach Sizilien, Sardinien und Neapel aus.

Katalanische Institutionen im Spätmittelalter:

frühe parlamentarische Strukturen

Die katalanische Handels»bourgeoisie« weiß sich in dieser Zeit immer mehr wirtschaftliche Stärke und damit auch Freiräume im Feudalstaat sowie Schutz für das Handwerk zu erkämpfen. Die Städte entwickeln eine bürgerliche Verwaltungsstruktur mit autonomer gesetzlicher Grundlage und der Wahl von Stadträten durch die Bürger und das Volk. Zwischen 1249 und 1258 etabliert sich die Selbstverwaltung der Stadt Barcelona mit dem berühmten Consell de Cent, dem Rat der Hundert, und zwischen 1258 und 1272 wird das Consolat de Mar, der »Meeresrat«, geschaffen und ausgebaut, der barceloninische Gesetzesnormen zum ersten Seegesetzbuch Europas ausarbeitet.

Insgesamt wird gerade in dieser Epoche deutlich, daß sich in Katalonien ein Rechts- und Verwaltungssystem ausgebildet hat, das sich deutlich von dem der kastilischen Nachbarn unterscheidet. Die Regierungsform der katalanisch-aragonesischen Krone ist keine absolute Monarchie; die königliche Macht ist eingeschränkt durch verschiedene Institutionen parlamentarischer Prägung, die bürgerliche Mitbestimmungsrechte implizieren.

Versammlungen und Räte, die seit dem 11. Jahrhundert bei den Regierungsgeschäften des Landesherrn beteiligt sind, werden vom 13. Jahrhundert an als Cort General zu einer zunächst noch richtenden, später immer mehr gesetzgebenden Institution.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts etabliert sich die Diputació del general, wörtlich die Abordnung des General-Parlaments, als permanentes Organ der Corts (in València und Aragón als Diputació del regne). Als Weiterentwicklung dieses Gremiums konstituiert sich 1359 die Generalitat, die zunächst hauptsächlich wirtschaftlich-finanzielle Aufgaben hat, aber dann auch den Schutz des Landes und die Außenverteidigung organisiert und schließlich zur höchsten Landesautorität bei der Kontrolle der Verfassungen und der Einhaltung der Gesetze Kataloniens durch den König aufsteigt. In den folgenden Jahrhunderten bis 1714 werden die erwähnten Institutionen Symbol und Garant katalanischer Eigenständigkeit. Mit dem Aussterben der barceloninischen Grafendynastie 1410 geraten die Landesherren immer häufiger in Konflikt mit dem parlamentarischen Mitbestimmungsrecht, das sich in den Katalanischen Ländern etabliert hat. Im 16. und 17. Jahrhundert nimmt namentlich die Generalitat oft die Position einer »Gegenregierung« gegen hegemoniale kastilische Ansprüche ein. Man kann sagen, daß die bis zum 18. Jahrhundert aufrechterhaltene katalanische Unabhängigkeit sich der Tatsache verdankt, daß legislative Kompetenzen auf mehrere Ebenen verteilt waren und daß die Person des Königs nicht allein über Wohl und Wehe Kataloniens bestimmen konnte.

Die Trastámara und die Habsburger:

Kataloniens Verlust der eigenen Dynastie

Martí I., mit Beinamen l'Humà, der Menschliche, stirbt 1410, ein Jahr nachdem sein Sohn Martí der Junge der Pest zum Opfer gefallen war. Er hat keine Zeit mehr, dessen unehelichen Sohn Frederic (Friedrich), seinen Enkel, für die Nachfolge zu legitimieren. So bleibt Katalonien zum ersten Mal seit 878 ohne direkten Thronfolger aus dem Hause Barcelona. Die von Guifré el Pelós gegründete Dynastie, deren Herrschaft 532 Jahre überdauert hatte, stirbt zu einem Zeitpunkt innenpolitischer Krisen aus. Barcelona durchlebt eine Epoche großer Schwierigkeiten, die mit der Pestepidemie von 1348 ihren Anfang genommen hatte. Weitere Epidemien und Hungersnot verursachen einen dramatischen Bevölkerungsschwund. Einschneidende Kurswechsel im Geldwesen, Konkurse vieler privater Banken, zu hohe Staatsausgaben und der Rückgang des Außenhandels verschlechtern das soziale Klima. Judenverfolgungen und besonders ein Machtkampf zwischen armen und reichen Stadtbürgern ziehen tiefe Gräben in der Bevölkerung.

Nach Martís Tod wird zunächst während eines zweijährigen Interregnums eine von der Generalitat ernannte Kommission, die aus zwölf Prohoms (Adligen) besteht, beauftragt, »über die Ordnung zu wachen und die Mittelmeerbesitzungen zu halten«.

Im sogenannten Kompromiß von Casp 1412 wird Ferdinand von Antequera, ein Neffe von Martí I., der aber in Kastilien geboren und aufgewachsen ist und nicht mehr in der direkten Linie des Hauses Barcelona steht, sondern zum Hause Trastámara zählt, zum Thronfolger gewählt. Damit hatten sich der aragonesische Landadel und die am Wollhandel mit Kastilien interessierte valencianische Aristrokratie durchgesetzt. Die führenden Schichten Barcelonas akzeptieren diese Wahl zunächst, weil sie meinen, einem fremdem König leicht ihre Konditionen diktieren zu können. Und so muß denn Ferdinand auch bei den Corts von 1412-13 in Barcelona die Einschränkung der königlichen Gewalt zugunsten des Parlaments und der Generalitat anerkennen.

Sein Sohn Alfons IV., der ihm schon vier Jahre später nachfolgt, hält 1419 seine Rede vor den Corts auf katalanisch. Doch Alfons verläßt 1432 Barcelona und verlegt 1442 seine Residenz nach Neapel. Barcelona verliert an Bedeutung, und die Großbourgeoisie zieht sich aus der riskanten industriellen und Handelsaktivität auf den Landbesitz zurück.

Jetzt wird das Land València für über ein Jahrhundert zum wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zentrum der Katalanischen Länder. Großartige Bauten entstehen hier und die größten katalanischsprachigen Autoren dieser Zeit, Ausiàs March und Joanot Martorell, Autor des Tirant lo Blanc, stammen aus Gandia, südlich València. Päpste aus València, die Borja (Borgia), bestimmen von Rom aus das kirchliche Leben. In València entsteht die erste Druckerei südlich der Pyrenäen, und die Stadt wird zum Tor für die italienische Renaissance nach Katalonien und Kastilien.

Als der in Aragón geborene Ferdinand II., der 10 Jahre zuvor Isabella von Kastilien geheiratet hat, 1479 König von Katalonien-Aragón wird, bedeutet dies für Katalonien zunächst eine Verschlechterung. Zwar bestätigt auch er die Corts und die Generalitat - die Unabhängigkeit seines Reichs von dem seiner Frau bleibt also gewahrt - aber er führt die kastilische Inquisition in Katalonien ein, die u. a. Kapitalflucht und Abwanderung qualifizierter Handwerker zur Folge hat. Außerdem verbietet er den katalanischen Hafenstädten den Handel mit dem neuentdeckten Südamerika, was sich besonders in den nachfolgenden Jahrhunderten, als durch das Vordringen der Türken der Mittelmeerhandel abnimmt und sich Europa auf den Atlantik öffnet, sehr negativ für die Katalanischen Länder auswirkt.

Der Tod Isabellas im Jahre 1504 bedeutet das Ende der direkten Verbindung der katalanisch-aragonesischen mit der kastilischen Krone. (Ein Faktum, das von zentralistischen spanischen Historikern oft unterschlagen wird, die so früh wie möglich die Geburtsstunde einer »spanischen Nation« ansetzen wollen, die sich über die Grenzen der spanischen Sprache hinwegsetzt.) Ferdinand heiratet ein Jahr später eine Nichte Ludwigs XII. von Frankreich, Germana de Foix. Der gemeinsame Sohn, der bei der Geburt oder kurz danach stirbt, wäre der Thronfolger für Katalonien-Aragón geworden.

Auch die kastilische Thronfolge hängt an einem seidenen Faden, denn die einzige überlebende Nachkomme Isabellas und Ferdinands ist Johanna die Wahnsinnige, die aber doch mit dem Habsburger Philipp dem Schönen in Flandern im Jahr 1500 den späteren Karl V. zur Welt bringt. Philipp I. stirbt 1506, regiert also nur zwei Jahre in Kastilien, so daß bis zur Volljährigkeit Karls und an Stelle von Johanna der Wahnsinnigen Ferdinand als Regent beauftragt wird.

1516 vereinigt Karl V. eine große Zahl von Ländern Europas in seiner Person, darunter auch Katalonien-Aragón, das beim Tode seines Großvaters Ferdinand an ihn fällt und das nun also einen habsburgischen Herrscher bekommt. Hervorgehoben sei, daß nominell Johanna die Wahnsinnige bis zu ihrem Tode 1555 als Tochter Isabellas Erbin der kastilischen Krone ist. Diese komplizierten dynastischen Beziehungen zeigen, daß von einem »geeinten Spanien« weder in diesem Jahrhundert, noch bei Karls Nachfolgern, den drei Philipps (II., III., IV.) und Karl II., die bis 1700 regierten, die Rede sein kann: auch diese Könige sind immer nur Könige von Kastilien einschließlich der niederländischen, der italienischen und der südamerikanischen Gebiete sowie von Portugal (1580 bis 1640) und von Katalonien-Aragón (als Könige von Katalonien-Aragón tragen die drei Philipps auch jeweils eine um eine Zahl niedrigere Numerierung). Jeder dieser Könige muß bei seinem Amtsantritt in das Land València und nach Katalonien kommen, um den Schwur auf die eigenständigen Verfassungen abzulegen. Dem bereits die ganze kastilische Dekadenz des 17. Jahrhunderts verkörpernden Philipp IV. rät zwar sein zentralistisch geprägter Günstling, der Herzog von Olivares, in einem Memorial Uniformista, die Selbständigkeit der anderen Königreiche auf der Iberischen Halbinsel auszulöschen: »Nehmen Sie es, meine Majestät, als wichtige Aufgabe ihrer Monarchie, sich zum König von »Spanien« zu machen. Damit will ich sagen, mein Herr, daß Sie sich nicht zufrieden geben, König von Portugal, Aragón und València sowie Graf von Barcelona zu sein, sondern daß sie Ihr Denken und Tun, gutem und geheimen Rat vertrauend, dahin richten, diese Königreiche so zu reduzieren, daß sie ein »Spanien« nach kastilischem Brauch ohne jegliche Unterschiede hervorbringen.« Insbesondere zielt Olivares darauf ab, die Katalanen (und auch die Portugiesen) sollten finanziell und mit Truppen die ruinösen Heereszüge Philipps in Europa unterstützen. Das wird von den katalanischen Corts und der Generalitat kategorisch abgelehnt. In Portugal provoziert Olivares damit sogar die Loslösung des Landes von der kastilischen Dynastie durch Ausrufung eines eigenen Königs.

Kataloniens Unabhängigkeitskrieg

Auch Katalonien versucht mit der Guerra dels Segadors (dem Krieg der Schnitter) sich von kastilischer dynastischer Oberherrschaft zu befreien, zunächst von einem kollektiven Unbewußten motiviert, dann von einer klaren politischen Zielsetzung der führenden Männer in den eigenständigen katalanischen Institutionen.

Der Konflikt entsteht anläßlich des Kriegs Philipps IV. mit Frankreich seit 1635. Olivares läßt Philipps Truppen durch Katalonien nach Frankreich ziehen. Da ihnen jedoch kein Erfolg beschieden ist, werden sie in Katalonien auf Kosten der Bevölkerung zwangsstationiert, was große Unruhe, besonders auf dem Lande auslöst. Im Norden des Landes erheben sich die Katalanen gegen die kastilischen Soldaten. 1638 wird Pau Claris Präsident der Generalitat und Francesc de Tamarit Vertreter des militärischen Standes. Beide gehören zum niederen Adel, stammen aus dem Bereich der Pyrenäen und verkörpern politisch die Gegnerschaft zur Monarchie und zum Großadel, der unterwürfig der Politik Philipps folgte. Im Mai 1640 dringen die gegen die Übergriffe der kastilischen Truppen protestierenden Bauern nach Barcelona vor und in wenigen Tagen erhitzt sich die Situation derart, daß die Häuser der kastilienhörigen Aristokratie angezündet und ihr prominentester Vertreter, der Statthalter für Katalonien, umgebracht wird. Während Philipp Katalonien zu besetzen beginnt, knüpft der niedere Adel Verbindungen zu Frankreich an und schließt am 7. 9. 1640 in Ceret ein Abkommen, in dem Frankreich militärische Hilfe gegen Philipp verspricht und Katalonien der Status einer freien Republik unter französischem Schutz zugestanden wird. Im Januar 1641 werden die kastilischen Truppen am Montjuïc bei Barcelona geschlagen und vertrieben.

Auf die Dauer machen sich aber die französischen Truppen bei der Bevölkerung ebenso unbeliebt, wie vorher die kastilischen. Die französischen Verwalter verstoßen ebenso oft gegen die verbrieften verfassungsmäßigen Rechte der Katalanen, wie es vorher die Kastilier getan hatten. Veranlaßt durch den französischen Bürgerkrieg der Fronde ziehen sich schließlich die Franzosen zurück, und nach einjähriger Belagerung durch Philipps Truppen fällt Barcelona 1652. Noch 7 weitere Jahre bleibt dann katalanischer Wiederstand in den bergigen Gebieten lebendig, ehe der kastilische und der französische König im Pyrenäenabkommen von 1659 einen Schlußstrich ziehen. Bei diesem Abkommen vergibt Philipp den nördlichsten Teil Kataloniens: Rosselló, Conflent, Vallespir und andere Landkreise, für die er wenig Interesse hat, an Frankreich. Damit wird eine unnatürliche Staatsgrenze mitten durch Altkatalonien gezogen, das sich seit dem 8. Jahrhundert - fast 900 Jahre lang - als eine sprachliche, kulturelle und politische Einheit entwickelt hatte. Der innerste, an Andorra grenzende katalanische Landkreis, die Cerdanya (siehe Route 34), wird dabei in zwei Teile zerrissen. Noch heute zeugt die Ex- und Enklave Llívia von diesem Teilungsakt, der vielleicht in einem seine Grenzen aufhebenden Europa wieder rückgängig gemacht werden kann.

Am Ende dieses Konflikts muß sich zwar Katalonien wieder unter Philipps Königtum begeben, aber dieser muß seinerseits die eigenständigen katalanischen Institutionen bestätigen - der Geist des 1643 in Ungnade gefallenen Olivares hatte sich nicht durchsetzen können. Philipps Nachfolger wird 1665 der nur vierjährige Karl II., der Sohn, den Philipp in zweiter Ehe mit seiner Nichte gezeugt hatte. Dessen aus der Inzucht herrührende körperliche und geistige Schwäche, die sich für die kastilische Politik negativ auswirkt und die ihm auch unmöglich macht, Nachkommen zu zeugen, ist für Katalonien vorteilhaft: sie läßt den Katalanen einen erheblichen Freiraum. Katalonien nimmt einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung.

Währenddessen hat sich das andere eigenständige Land auf der Iberischen Halbinsel, Portugal, durch dynastische Entschiedenheit und durch Siege in drei großen Schlachten gegen Philipps Truppen im Abkommen von Lissabon 1668 die endgültige Anerkennung seiner Unabhängigkeit von Kastilien ertrotzt. Katalonien muß auf eine andere historische Chance hoffen, die für seine eigene Identität so gefährliche Anbindung an den hegemonial denkenden Nachbarn zu lockern oder sogar aufzukündigen.

Der Hispanische Erbfolgekrieg

Diese Gelegenheit scheint sich im Jahr 1700 mit dem Tode Karls II. zu ergeben, der nach mehrfachem Hin und Her in einem letzten Testament einen Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, zum Nachfolger bestimmt. Die österreichischen Habsburger (und mit ihnen verbündet die Engländer und die Holländer) finden sich mit diesem Übergang der Krone von Katalonien-Aragón und von Kastilien an die Bourbonen nicht ab. Die Katalanen stehen dem Bourbonen, der in einer absolutistischen Umgebung aufgewachsen ist, feindlich gegenüber und sehen im österreichischen Erzherzog Karl den besseren Garanten ihrer Eigenständigkeit. 1703 in Wien und im August 1705 in Dénia, im Land València, wird der Erzherzog als Karl III. zum einzig legitimen Nachfolger auf dem Thron erklärt. Er kann zwei Monate später, mit dem in Katalonien populären Georg von Hessen-Darmstadt an der Spitze seiner Truppen, im Triumph in Barcelona einziehen und wird 1706 von den katalanischen Corts parlamentarisch bestätigt. In Madrid, wo Karl auch den kastilischen Anteil seiner Ansprüche einfordert, stößt er auf weniger Enthusiasmus; man argwöhnt katalanische Ansprüche auf Kastilien.

Karl residiert bis 1711 in Barcelona, als der Tod seines Bruders, des Kaisers von Österreich, ihn selber zum Nachfolger auf dem Kaiserthron macht und damit die politische Lage in Europa grundlegend ändert. England hat jetzt kein Interesse mehr, Österreichs Ansprüche auf Katalonien und Kastilien zu unterstützen. Karl muß die Truppen aus Katalonien abziehen, schlägt aber eine Katalanische Republik unter dem Schutz Englands vor. Der englische Premier lehnt dies ab, erreicht aber von Philipp im Utrechter Abkommen wenigstens eine Amnestie für die Katalanen, falls diese sich sofort ergeben. Mit der Kaiserin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, die von 1711 - 1713 Katalonien regiert hatte, verläßt die letzte österreichische Garantin für eine Rettung Kataloniens vor dem Bourbonenkönig das Land. Die Katalanen entschließen sich zum letzten Widerstand.

València war schon 1707 in die Hände Philipps gefallen. Am 11. September 1714 ergibt sich auch Barcelona nach 14monatiger Belagerung der französisch-spanischen Armee und ein Jahr später Mallorca. Wieder sind die Katalanen vom Glück der Geschichte im Stich gelassen. Philipp bestätigt die Befürchtungen, die man ihm gegenüber gehegt hatte. Ein bourbonischer Zentralismus legt zum ersten Mal in der Geschichte Hand an die verfassungsmäßigen katalanischen Institutionen. Per Dekret werden sie abgeschafft und durch die Gesetze Kastiliens ersetzt. Wie ein wahrer Okkupant macht Philipp, wie es wörtlich in seinen Dekreten heißt, »das Recht des Eroberers« geltend. Sein Ziel ist die Uniformität aller seiner Reiche. Er schließt die fünf katalanischen Universitäten und errichtet dafür in Cervera (landeinwärts von Tarragona) eine einzige neue, ihm genehme. In den verschiedensten Institutionen (Verwaltung, Gerichte, später auch Schulen) versucht er die spanische Sprache einzuführen, verschärft damit aber angesichts der Unkenntnis des Spanischen in der katalanischen Bevölkerung deren Distanz zum Staatsapparat.

Bürgerliche Revolution und katalanische Regeneration

Den Katalanen ist nun eine eigenständige politische Entwicklung erst einmal verwehrt. Sie besinnen sich stattdessen auf das Wirtschaftliche. Der günstigen Periode der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts folgt nach der Unterbrechung durch die Kriege während des Erbfolgestreits ein neuer Aufschwung im landwirtschaftlichen Bereich (besonders im Weinanbau) und im Textilsektor (Wolle, Baumwolle und Seide). Auch der Handel blüht enorm auf, insbesondere seit der ab 1765 teilweisen und ab 1778 gänzlichen Aufhebung des Verbots, direkt mit Amerika Handel zu treiben. Katalonien wird zum industriellen Vorreiter auf der Iberischen Halbinsel.

Währenddessen gibt es immer wieder Bestrebungen, die katalanische Eigenständigkeit zu stärken: 1760 fordern die Abgeordneten Barcelonas von Karl III. die 1714 verlorenen Freiheiten zurück, erreichen aber nur wenige Verbesserungen. Während der napoleonischen Kriege wird Napoleons Bruder Josef I. von 1808 - 1814 in Spanien als König eingesetzt. Katalonien selbst wird von 1810 - 1814 ein direkter Teil Frankreichs, nur das Land València bleibt bei Spanien. Menorca, das seit 1713 mit Unterbrechungen in englischer Hand war, wird erst 1802 auf Dauer von Spanien besetzt und konnte während fast dieser ganzen Zeit seine katalanische Identität mit weniger Behinderungen bewahren als der Rest der Katalanischen Länder.

Das 19. Jahrhundert ist insgesamt durch die Schwäche des spanischen Staats gekennzeichnet, der sich in ständigem politischen Wechsel befand und insgesamt 33 Jahre lang hinnehmen mußte, daß jeweils irgendein Teil des Staates vom Zentrum unabhängig war. Internationale Historiker heben hervor, daß in Spanien die Staatsbildung nicht auch zur Bildung einer den gesamten Staat umfassenden Nation führte. Das katalanische Bürgertum verteidigt seine ökonomischen Interessen mit Vehemenz gegenüber den ganz anders gerichteten Interessen der Madrider Oligarchie und des kastilischen und andalusischen Landadels. Von den 1840er Jahren an lebt mit dem Ansteigen der Produktion und der Gewinne auch das katalanische Nationalbewußtsein wieder auf, zunächst auf kulturellem und sprachlichem Gebiet. Eine ganze Bewegung der Rückbesinnung auf die mittelalterlichen Wurzeln katalanischer Unabhängigkeit, die sogenannte Renaixença (Regeneration, Erneuerung), setzt ein.

Bald treten politische Forderungen hinzu. Am 18. Mai 1869 versammeln sich die föderativen republikanischen Kräfte aller Katalanischen Länder, also einschließlich des Landes València und der Balearen, in Tortosa (am Ebre) und schließen den Pakt von Tortosa mit dem Ziel einer föderativen Neustrukturierung des spanischen Staates. Im Jahre 1873 etabliert sich nach Abdankung des Königs Amadeus die Erste Spanische Republik, deren erste beide Präsidenten Katalanen sind. Der zweite von ihnen, Pi i Margall, ein hervorragender Theoretiker des Föderalismus, führt das Projekt einer Spanischen Föderativen Republik fort, das der Realität eines spanischen Staates mehrerer Nationen und Regionen gerecht werden soll. Mehrfach wird in Barcelona versucht, den Katalanischen Staat auszurufen. Doch der Fall der Republik bereitet diesen Möglichkeiten ein Ende.

Die Jahre 1876 bis 1886 sind die Jahre des wirtschaftlichen »Goldfiebers«. Der Katalanismus wird inzwischen vom gesamten katalanischen Mittelstand (erst sehr viel später auch von der Arbeiterschaft) getragen. Der Anführer der liberalen Richtung, Valenti Almirall, formuliert in seinem Buch Lo Catalanisme die Leitlinien einer eigenständigen katalanischen Politik. 1883 wird ein weitreichender Entwurf einer Verfassung für einen Katalanischen Staat ausgearbeitet, und die Gründungsversammlung der Unió Catalanista verabschiedet 1892 die Bases de Manresa, eine Regionalverfassung für Katalonien.

1901 feiert man zum ersten Mal den 11. September als nationalen Gedenktag, der an die gewaltsame Einverleibung Kataloniens durch Spanien im Jahre 1714 erinnert. In diesem Jahr gewinnt die Lliga Regionalista die Wahlen und eröffnet damit den Siegeszug katalanischer Parteien, die unabhängig von gesamtspanischen Parteien agieren.

Enric Prat de la Riba, der 1906 sein Buch La Nationalitat Catalana publiziert hatte, wird 1914 Präsident eines Vorläufers einer autonomen katalanischen Verwaltung samt Parlament, der Mancomunitat de Catalunya, die eine große Aufbauarbeit an katalanischer Infrastruktur, besonders auf kulturellem und pädagogischem Gebiet leistet und 1919 ein Autonomiestatut für Katalonien verabschiedet und der spanischen Regierung vorlegt. Das Ende des l. Weltkrieges mit seiner Befreiung einer größeren Zahl von europäischen Nationen aus den Fängen mächtiger Nachbarn (Finnen, Balten, Polen, Tschechen, Slovaken, Ungarn usw.) und die Wilson-Doktrin über das Selbstbestimmungsrecht der Völker lassen auch die Katalanen hoffen, die mit großer Mehrheit die Autonomie fordern. Die spanische Regierung ist nicht in der Lage, Konzessionen zu machen. Der Katalanismus bekommt dadurch eine noch stärkere Rolle. Eine 1919 von Francesc Macià gegründete Partei fordert die volle Souveränität Kataloniens. Auch in Mallorca werden nationalistische Forderungen laut. Ab 1923 bekämpft die Diktatur Primo de Riveras den Katalanismus radikal und schafft 1925 die Mancomunitat ab. 1926 mißlingt Maciàs Versuch, von Prats de Molló aus militärisch nach Katalonien vorzurücken. Er kommt in Perpinyà und Paris in Haft, wo er nach einem berühmten Prozeß freigelassen wird und dann durch Europa und Lateinamerika reist und die katalanische Frage international bekanntmacht. Als die Diktatur ihr Ende findet (1930), gründet Macià die Partei Esquerra Republicana de Catalunya und erringt einen überwältigenden Sieg bei den Wahlen von 1931.

Katalanische Autonomie und Generalitat de Catalunya

Zwei Tage nach den Wahlen, am 14. April 1931, ruft Macià in Barcelona die Katalanische Republik aus, einige Stunden bevor in Madrid die Zweite Spanische Republik ausgerufen wird. Wenige Tage später kommen drei Minister der vorläufigen Regierung aus Madrid (unter ihnen zwei Katalanen) und bieten Macià bei Verzicht auf eine eigene katalanische Republik die Präsidentschaft einer Generalitat de Catalunya, also einer katalanischen (Regional-)Regierung, die an die Tradition der nach 1714 abgeschafften Institutionen anknüpft, und die Abstimmung eines Autonomiestatuts durch die spanische verfassungsgebende Versammlung an. Macià, der auf Madrid angewiesen ist, um die alten Militäroberbefehlshaber und Provinzgouverneure durch neue ersetzen zu können, geht auf das Angebot ein. Die Katalanische Republik hat nur bis zum 23. April Bestand.

1932 tritt das katalanische Autonomiestatut, allerdings in einer von Madrid beschnittenen Form, in Kraft. Es stellt in dieser Form immerhin einen Kompromiß für ein konfliktärmeres Zusammenleben auf der Iberischen Halbinsel dar. Die ersten Wahlen für ein Katalanisches Parlament finden statt, bei denen Maciàs Partei die absolute Mehrheit erringt. Auch im Land València und auf den Balearen werden Autonomiestatute entworfen. Das gesellschaftliche Leben in Katalonien nimmt einen bedeutenden Aufschwung; besonders im Schulwesen findet eine Erneuerung statt. Auf kulturellem Gebiet ist die Zunahme der Buchproduktion auf katalanisch bemerkenswert; außerdem erscheinen 27 Tageszeitungen und über 1000 Zeitschriften auf katalanisch. Der hoffnungsvolle Beginn der katalanischen Autonomie wird aber Ende 1933 durch den Sieg der Rechten bei den Wahlen in Madrid beeinträchtigt. In diesem Moment stirbt auch der 74jährige Macià, dem sein enger Mitarbeiter Lluís Companys als katalanischer Präsident nachfolgt. Als Anfang Oktober 1934 ein Regierungswechsel einen weiteren Rechtsruck ankündigt, wird der Freiraum für die autonomen Kompetenzen Kataloniens gegenüber der konservativen Zentralregierung immer enger.

So ruft Companys am 6. Oktober in der sogenannten katalanischen Oktoberrevolution den Katalanischen Staat innerhalb einer Föderativen Spanischen Republik aus, und weist den katalanischen General Batet, der für Katalonien zuständig ist, an, sich an seine Seite zu stellen. Doch das Militär verweigert Companys den Gehorsam, erklärt den Ausnahmezustand und nimmt die katalanische Regierung gefangen. Companys geht für 16 Monate ins Gefängnis und Katalonien wird von Generalgouverneuren regiert, bis im Februar 1936 die Front der Linken einen großen Wahlerfolg erringt. Companys wird erneut Präsident.

Bürgerkrieg und die Verfolgung der Katalanen

Am 18. Juli 1936 beginnt mit der Erhebung der spanischen Truppen in Marokko unter Franco der Spanische Bürgerkrieg. Alle katalanischsprachigen Gebiete außer Mallorca und Eivissa bleiben republiktreu. George Orwell, der berühmte Autor von 1984, hat in seinem 1938 erschienenen Buch Homage to Catalonia (deutsch: Mein Katalonien) die Ereignisse im Bürgerkrieg geschildert. Mit Hitlers und Mussolinis Hilfe gewinnen Franco und die spanische Rechte schließlich den Krieg, der über l Million Menschen das Leben gekostet hat. Ende Januar 1939 wird Barcelona besetzt. Francos Feindbild, das zunächst die der Republik gegenüber loyalen Demokraten und die »Roten« betraf, verknüpft sich später speziell mit den Katalanen. Er setzt das Autonomiestatut außer Kraft und beginnt eine rigorose Unterdrückungspolitik, ein wahrhaftes Pogrom gegen die Katalanen und alles Katalanische (siehe dazu den Essay »Die katalanische Sprache«).

Gemeinsam mit etwa einer halben Million Katalanen und republikanischen Demokraten geht im Februar 1939 die katalanische Regierung ins Exil, aber die Gestapo greift in Frankreich Präsident Companys auf und liefert ihn an Franco aus. Am 15. 10. 1940 wird Companys auf dem Montjuïc in Barcelona erschossen.

Die Franco-Diktatur, die einen alles kontrollierenden Polizeiapparat aufbaut, ist die finsterste Epoche, die Katalonien in seiner tausendjährigen Geschichte durchlebt hat. Katalonien ist seine Zugehörigkeit zum spanischen Zentralstaat in dieser Zeit besonders teuer zu stehen gekommen. Doch muß Franco im Laufe der Zeit seinen Antikatalanismus drosseln, um sich dem Ausland gegenüber den Anstrich eines politischen Partners zu geben, dem man die diplomatische Anerkennung nicht mehr versagen kann. Spanien wird dann 1955 in die UNO aufgenommen. Der Versuch, auch die katalanische Wirtschaft zu knebeln, wirkt sich auf die spanische Wirtschaft negativ aus und wird deshalb zum Teil wieder aufgegeben: Franco kann nicht verhindern, daß Katalonien weiterhin das wirtschaftlich aktivste Gebiet der Iberischen Halbinsel bleibt und zieht es vor, den dort erwirtschafteten Reichtum für die Konsolidierung seines Systems abzuschöpfen.

Seit Ende der sechziger Jahre erkämpfen sich die Katalanen Stück für Stück kulturelle und sprachliche Freiräume, und im Untergrund formiert sich, besonders mit der Assemblea de Catalunya seit dem Jahre 1971 und trotz aller Verfolgung durch die Polizei, der größte Teil der demokratischen katalanischen Politiker zu einer effektiven Basis für den Aufbau zukünftiger politischer Strukturen. Dann stirbt endlich, im November 1975, der 83jährige Diktator.

Demokratische Gegenwart und neue Autonomie

Der lang ersehnte demokratische Wandel setzt ein. Ab April 1976 erscheint zum ersten Mal wieder eine ganz auf katalanisch geschriebene Tageszeitung (Avui). Der Congrés de Cultura Catalana, eine sich über die Jahre 1976/77 hinziehende Großveranstaltung, vereint alle Kulturschaffenden und einen großen Teil der Bevölkerung aus allen Teilen der Katalanischen Länder zu einer Bestandsaufnahme und zu Programmentwürfen für die Zukunft. Es entsteht wieder eine starke Bewegung, die den Zusammenhalt aller katalanischsprachigen Gebiete als Basis für eine gesicherte Zukunft ihres Sprach- und Kulturraums erkennt, der in Freiheit gegenüber der spanischen und französischen Kultur einen unverwechselbar eigenen Beitrag zur Vielfalt und zum Reichtum der Kulturen Europas leisten kann. Im Juni 1977 werden zum ersten Mal nach 40 Jahren freie Wahlen im spanischen Staat abgehalten, bei denen in Katalonien die Parteien, die für eine Autonomie eintreten, die große Mehrheit erringen.

Am 11. September 1977 findet in Barcelona die größte Demonstration statt, die die Iberische Halbinsel je gesehen hat: anderthalb Millionen Katalanen demonstrieren an ihrem Nationalfeiertag für eine eigene Autonomie. Einen Monat später kann aus dem Exil der katalanische Präsident Josep Tarradellas, ein Nachfolger von Companys, an die Spitze einer vorläufigen Generalitat zurückkehren. Große Teile der ausländischen Öffentlichkeit stellen jetzt fest, daß die Informationspolitik Franco-Spaniens ihnen über Jahrzehnte hinweg ein monolithisches Spanienbild vermittelt hatte, das die ethno-kulturelle Realität des Vielvölkerstaates Spanien zu verschleiern suchte. Im Juni/Juli 1978 tritt Katalonien (mit allen Katalanischen Ländern) breit vor die internationale und insbesondere deutsche Öffentlichkeit durch die Setmanes Catalanes a Berlin - Katalanische Wochen in Berlin, ein Festival, auf dem in über 100 Veranstaltungen viele der bedeutendsten kulturellen Leistungen der Katalanen präsentiert werden.

Vom Sommer 1978 an wird das Autonomiestatut für Katalonien erarbeitet, während Ende 1978 die neue Verfassung des spanischen Staates durch ein Referendum angenommen wird. Der von 20 katalanischen Abgeordneten vorgelegte und von den katalanischen Politikern verabschiedete Entwurf für das Autonomiestatut wird vom Madrider Parlament stark beschnitten: die direkt nach Francos Tod bei den progressiven politischen Kräften ganz Spaniens abgegebenen Versicherungen, man wolle für ein möglichst respektvolles und konfliktfreies Zusammenleben der verschiedenen Nationen im zukünftigen spanischen Staat eintreten, werden 1979 nur noch halbherzig verwirklicht.

Ende 1979 treten das katalanische Autonomiestatut und 1982 ein ähnliches Estatut d'Autonomia für das Land València sowie 1983 für die Balearen in Kraft. 1980 finden die ersten Wahlen für ein autonomes Katalanisches Parlament seit 1932 statt, aus denen eine Koalition von nationalen katalanischen und Zentrumsparteien hervorgeht. Neuer Präsident der Generalitat de Catalunya wird Jordi Pujol, der wie vor ihm schon die Präsidenten Macià und besonders Companys, für seine demokratische Überzeugung im Gefängnis gelitten hat: 1960 war er festgenommen und nach Folterung durch die Polizei für 30 Monate eingekerkert worden, weil er eine Untergrundschrift verfaßt hatte, die Francos Korruption anprangerte. Pujol, der übrigens 7 Jahre lang Schüler der Deutschen Schule in Barcelona war und fließend Deutsch spricht, wird bei den Wahlen von 1984 und 1988 mit absoluter Mehrheit in seinem Amt bestätigt und noch Ende 1999 für erneut 4 Jahre wiedergewählt.

Wenn man abschließend die Situation einzuschätzen versucht, so zeigt sich - nicht nur aus katalanischer Sicht, sondern auch aus internationaler Perspektive - daß die politische Gegenwart im spanischen Staat immer noch von Zentralismus, wenn auch in gemäßigter Form, bestimmt wird. Es hat in dieser Hinsicht keinen Bruch mit der Vergangenheit (ruptura), sondern nur eine Reform (reforma) gegeben. Die formelle Unantastbarkeit des durch militärische Eroberungen entstandenen Staatsgebiets wird weiterhin höher gestellt als humanitäre und moralische Erwägungen oder als Gesichtspunkte der Gerechtigkeit gegenüber unterdrückten Nationen (was im übrigen für die meisten existierenden Staaten gilt).

Darüberhinaus sehen die Autonomiestatuten nicht eine wirkliche »Autonomie« vor, wie es der Name anzuzeigen scheint, sondern eine Selbstverwaltung, die weniger weit geht, als die der deutschen und österreichischen Bundesländer, die eigentlich für das neue Spanien als Vorbild gedient hatten. Trotz der deutlich größeren kulturellen und sprachlichen Unterschiede innerhalb des spanischen Staats, die man als nationale Unterschiede bezeichnen muß, hat die Demokratie in Spanien also nicht einmal ein föderalistisches System wie das deutsche durchsetzen können. Und im Grunde wäre auch dieses für die anderssprachigen Nationen im spanischen Staat nicht ausreichend: diesen müßte ein völkerrechtlich weitergehendes Angebot gemacht werden, um zu dauerhaften Lösungen zu kommen.

Der stets sehr ausgewogen und zurückhaltend formulierende Ministerpräsident Kataloniens hebt hervor, daß sich die Autonomie Kataloniens als ein wirksames Instrument für die Modernisierung und für den Wohlstand seines Landes erwiesen hat, daß aber zugleich der bisher erreichte Stand an Selbständigkeit nicht den Erwartungen der Katalanen entspricht und daß sie eine gerechtere, weitergehende Lösung fordern.

Als besonders ungerecht empfindet man die finanzielle Ausnutzung von spanischer Seite. Die Katalanischen Länder erarbeiten mit 27 % der Bevölkerung des spanischen Staates 33 % des Bruttosozialprodukts und einen entsprechend hohen Anteil an den Steuern. Diese Leistungen werden erreicht, obwohl ein bedeutender Teil des katalanischen Steueraufkommens nicht für die Katalanischen Länder und ihre Infrastruktur bzw. anteilmäßig für zentralstaatliche Aufgaben verwandt wird, sondern von der Madrider Regierung in das übrige Spanien abgesogcn wird. Ein »Länderfinanzausgleich«, der einem Land bis zu einem Drittel des Erwirtschafteten abschöpft, überschreitet das akzeptable Maß. Hier wirken bei der Zentralregierung noch Denkschemata aus der Francozeit nach.

Repräsentative und unabhängige Umfragen zeigen, daß heute die Mehrheit der Bewohner Zentralkataloniens die Unabhängigkeit befürwortet. Dies aber nur sofern es sich um einen friedlichen Übergang in ein gemeinsames Europa handelt: Die realistisch und pragmatisch auf das wirtschaftliche Wohlergehen eingestellten Katalanen hoffen auf das allmähliche Hinfälligwerden der Grenzen des spanischen Staates (und aller europäischen Staatsgrenzen), um dann als eigenständiges Land in eine europäische Nationenfamilie aufgenommen zu werden. So steht Katalonien auch in den europäischen Institutionen und Gremien an vorderster Stelle, wenn es darum geht, einem gemeinsamen Europa der Völker und Regionen gegenüber dem Europa der überkommenen Staaten Vorrang zu verschaffen.