Fächer

Biologische Identität im Judentum der Weimarer Republik

Forschungsprojekt zur Promotion von Tilmann Gempp-Friedrich

Biologische Identität im Judentum der Weimarer Republik

Das Promotionsprojekt hat zum Ziel, die Verknüpfung der Diskurse um die Biologie des Menschen zu untersuchen. Die politische Nutzbarmachung der biowissenschaftlichen Wissensbestände dieser Zeit und die Analyse und Weiterentwicklung darwinistischer, evolutionärer Forschungen diente in vielen Fällen einer – oftmals hierarchisierenden – Identitätserzeugung und -politik. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Annahme bzw. Ablehnung einer biologisch konnotierten Identität durch jüdische Organisationen im Deutschland der Weimarer Republik. Welche Zuschreibungen wurden von außen und auch von innen an das Judentum herangetragen und wie gingen die Organisationen mit diesen Zuschreibungen um, wie wurden sie in eigene, attraktive und stabile Identitätsangebote für die Mitglieder transformiert und welche Anpassungen waren nötig und überhaupt möglich. Hierzu möchte ich die Zionistische Vereinigung für Deutschland (ZVfD) und den Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) hauptsächlich anhand ihrer Publikationen näher untersuchen.

Die Fokussierung auf Organisationen macht es möglich, nach einem spezifischen Umgang mit den biologistischen Argumentationsmustern der Zeit zu suchen, und beantwortet ebenfalls die Frage nach der Akzeptanz und Mehrheitsfähigkeit solcher Positionen innerhalb auch normativ wirksamer Einrichtungen.

Dem Zionismus bereitete es wenig Schwierigkeiten, eine biologische Identität des Judentums anzunehmen, vielmehr war es ein teils willkommenes Argument für die Durchsetzung der eigenen Pläne, eine jüdische Heimstätte in Palästina. So verwundert es kaum, dass zionistische Autoren und Wissenschaftler sich aktiv an biologischen Forschungen zum Judentum beteiligten. Der C.V. konnte eine biologische und somit rassisch begründete Identitätszuschreibung nicht akzeptieren, ohne damit sein Selbstverständnis als jüdische Deutsche aufgeben zu müssen. Aus der ablehnenden Haltung einer biologischen Identitätszuschreibung entwickelte sich nicht nur eine dezidierte Infragestellung der Wissenschaftlichkeit von Rassenforschung, sondern vor allem auch ein langsamer Wandel eben jenes Selbstverhältnisses.


Von 2012 bis 2016 gefördert durch das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk


Ansprechpartner am Fachbereich: Tilmann Gempp-Friedrich und Prof. Dr. Christian Wiese

Laufzeit: ab 2012