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Von Konstantinopel nach Genf. Richard Lichtheim (1885-1963). Annäherung an eine politische Biographie.
Forschungsprojekt zur Promotion von Andrea Kirchner
Mein Dissertationsvorhaben widmet sich dem politischen Denken und Wirken Richard Lichtheims (1885–1963), einem der bedeutenderen Protagonisten der zionistischen Bewegung vor der Gründung des Staates Israel. Ziel der biographischen Studie ist es, sowohl Lichtheims konkreten Beitrag zur zionistischen Idee und Politik zu rekonstruieren als auch dessen erratische ideologische Entwicklung zu analysieren.
Der ungewöhnliche Lebensweg des 1885 in Berlin geborenen Lichtheim soll als methodischer Rahmen genutzt werden, um den Blick auf bisher vernachlässigte oder in Vergessenheit geratene Prozesse der zionistischen wie auch allgemeinen jüdischen Geschichte zu richten und deren historische Bedeutung neu zu bestimmen. Verstanden als eine Art epistemische Sonde, eröffnet die Biographie Lichtheims neue Perspektiven auf eine Vielzahl historischer Episoden und Entwicklungen:
Lichtheims jahrzehntelange politische Aktivität innerhalb der zentralen Institutionen der Bewegung gewährt Einblicke sowohl in die Frühphase des deutschen Zionismus als auch in die Diskussionen und Debatten um die Ausgestaltung zionistischer Politik, die in den 1920er bis 1940er Jahren innerhalb der Gesamtbewegung stattfanden. Ferner eröffnet seine Tätigkeit als Gesandter der Zionistischen Organisation in Konstantinopel während des Ersten Weltkrieges den Blick auf ein erfolgreiches Beispiel jüdischer Diplomatie. Dank Lichtheims unermüdlichem Antichambrieren machten sowohl der deutsche als auch der amerikanische Botschafter wiederholt ihren Einfluss bei der türkischen Regierung geltend und trugen so maßgeblich zum Schutz der jüdischen Bevölkerung Palästinas bei. Ebenso wird die Rolle in den Blick genommen, die Lichtheim und das von ihm geleitete Büro der Jewish Agency zwischen 1939 und 1946 innerhalb des in der Schweiz agierenden Konglomerats verschiedener jüdischer Organisationen und Individuen einnahmen, die allesamt versuchten, auf den Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten zu reagieren. Die Untersuchung der Bemühungen Lichtheims, Hilfe und Rettung für die Verfolgten zu organisieren, ermöglicht es, sich dem Versuch jüdischer Interessenvertretung während des Zweiten Weltkriegs mittels zeitnah zum Geschehen produzierter Quellen zu nähern und sowohl Möglichkeiten jüdischen Handelns während der Shoah aufzuzeigen als auch dessen Grenzen.
Gleichzeitig bietet die unorthodoxe Genese des zionistischen Denkens Lichtheims die Möglichkeit, die Geschichte der Bewegung aus der Perspektive der Opposition zu betrachten und den vielen verschiedenen Fraktionen der zionistischen Ideologie Rechnung zu tragen. Lichtheim durchlief im Laufe seiner Karriere zwei entscheidende politische Wandlungen. Zu Beginn der 1920er Jahre schloss er sich in Opposition zur zionistischen Mehrheit Wladimir Jabotinskys revisionistischer Bewegung und deren Kampf für eine jüdische Mehrheit beiderseits des Jordans an. Zwei Jahrzehnte später, im Angesicht des Holocaust, machte Lichtheim eine überraschende Kehrtwende. Nachdem die bis dato von der revisionistischen Opposition vorgebrachten Forderungen nach jüdischer Staatlichkeit, Armee und Masseneinwanderung im Zuge der Biltmore-Konferenz vom Mai 1942 in das offizielle Programm der Zionisten Eingang gefunden hatten, schloss sich Lichtheim der moderaten Aliya Chadasha an, einer in Palästina agierenden Partei, die die Idee eines souveränen jüdischen Nationalstaates ablehnte und stattdessen eine fortgesetzte Zusammenarbeit mit dem britischen Mandatar favorisierte.
Lichtheims diplomatische Missionen in Konstantinopel (1913–1917) und Genf (1939–1946) waren entscheidend für die fundamentalen Wechsel seiner politischen Parteizugehörigkeit. Es gilt den Einfluss dieser Erfahrungen auf das politische Denken und Handeln Lichtheims zu entschlüsseln und so zu einem Verständnis von seiner Konzeption des Zionismus zu gelangen. Daher bilden diese beiden Wendepunkte in Lichtheims politischer Karriere den chronologischen und topographischen Rahmen für die Untersuchung dieser komplexen Verflechtung von Zeit, Ort, Erfahrung, Ideologie und Politik, auf der die Biographie Lichtheims basiert.
Gefördert durch: Minerva Stiftung
Ansprechpartner am Fachbereich: Andrea Kirchner und Prof. Dr. Christian Wiese